Manche Flächen werden stillgelegt Waldbegehung in Tuttlingen: Klimawandel macht Forstwirtschaft schwieriger

Waldbegehung in Tuttlingen: Klimawandel macht Forstwirtschaft schwieriger
Unterwegs im Forst: Forstamtsleiter Michael Hager erläuterte OB Michael Beck und den Gemeinderäten, wie die Waldwirtschaft auf den Klimawandel reagieren kann. (Bild: Stadt Tuttlingen)

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Naturverjüngung, Klimafolgenanpassung und auch Flächenstilllegungen – gleich mit mehreren Instrumenten reagiert die Tuttlinger Forstverwaltung auf geänderte Herausforderungen. Bei ihrer jährlichen Waldbegehung bekamen die Mitglieder des Gemeinderates am Mittwoch einige Einblicke.

Manchmal ist es besser, nichts zu tun. Auch im Wald. Zum Beispiel dann, wenn Flächen ohnehin schon durch Käferbefall dezimiert sind, verbleibende Bäume bizarre Wuchsformen bilden und die Topographie die Bewirtschaftung schwierig macht – wie auf jener Fläche oberhalb von Nendingen, die Forstamtsleiter Michael Hager für die Stilllegung vorgesehen hat.

„Das ist von der Wirtschaftlichkeit her eine der schlechtesten Flächen in Nendingen“, erläutert er den Gemeinderäte beim Vor-Ort-Termin. Aus der Bewirtschaftung werden die rund zehn Hektar nun für mindestens 20 Jahre herausgenommen. 20 Jahre, in denen sich der Wald auf natürliche Weise verjüngen kann, und in denen abgestorbene Bäume vor Ort verrotten und somit Lebensraum für Insekten und Kleintiere bieten. „Das ist dann wie ein kleiner Bannwald“, erklärt Hager. Ein Förderprogramm des Bundes macht die Stilllegung auch finanziell attraktiv: Für die insgesamt 170 Hektar, die Hager im Tuttlinger Forst stilllegen will, gibt es insgesamt 2,2 Millionen Euro Zuschuss, verteilt auf zehn Jahre.

„Das Geld, dass wir hier bekommen, werden wir in den Wald investieren“, erklärt Hager. Und das ist nötiger denn je, denn die Forstwirtschaft steht nach wie vor großen Herausforderungen und Aufgaben mit vielen Unbekannten. „In Tuttlingen haben wir den Vorteil, dass wir schon früh auf naturnahe Waldwirtschaft gesetzt haben“, so OB Michael Beck, „aber auch jetzt betreten wir weiterhin regelmäßig Neuland.“

Das wurde auch beim Besuch eines anderen Waldstücks deutlich. Hier hatte Hager mit neuen Baumsorten experimentiert – Baumsorten, die klimaresistenter sind als viele heimische Arten. „Wir stehen vor dem Dilemma, dass wir einerseits einen Mischwald haben sollten, Nadelbäume wie die Fichte aber schon jetzt dem Klima nicht mehr gewachsen sind.“ Als Konsequenz daraus setzte Hager neben der heimischen Weißtanne türkische Tannen – Bäume also, die warmes Mittelmeerklima gewohnt sind. Doch das Experiment scheiterte. „Ein Totalausfall“, bilanziert Hager und zieht ein vertrocknetes Bäumchen aus der Erde. Als nächstes wird er es mit Kaukasus-Tannen versuchen.

Unabhängig von der Ansiedlung neuer Arten spielt auch die natürliche Verjüngung eine immer größere Rolle. Anders als bei den früher üblichen komplett künstlich gesetzten Wäldern ist hier die Widerstandskraft deutlich größer. Ein Beispiel dafür war auch Teil der Rundfahrt.

Anhand des rund 70 Jahre alten Waldes machte Hager aber auch deutlich, dass der Aufwand spürbar größer sei als bei konventionell angebauten Wäldern: So muss man zum Beispiel durch regelmäßige Eingriffe dafür sorgen, dass Licht den Waldboden erreicht, damit dort unter dem Schirm der älteren Bäume ein gemischter Jungwald entstehen kann.

Wenn Wildtiere wie Rehe die Triebe von Mischbaumarten, wie der Weißtanne abknabbern, entsteht ein reiner Buchenwald und der gewollte Mischwald geht verloren. „Als Förster muss man hier immer abwägen und steuernd eingreifen“, so Hager, „und man hat immer Arbeit.“

(Pressemitteilung: Stadt Tuttlingen)