Es braucht mehr Vorbilder Wie sich mehr Menschen für öffentliche Ämter begeistern lassen

Wie sich mehr Menschen für öffentliche Ämter begeistern lassen
Podiumsdiskussion an der ZU. (Bild: Michael Scheyer)

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Eine Rathauschefin und vier Rathauschefs haben an der ZU über Probleme und über die Zukunft von Stadtverwaltungen diskutiert. Bis 2030 müssen in Deutschland 1,2 Millionen Verwaltungsstellen besetzt werden. Zusammen mit dem fachkundigen Publikum wurden verschiedene Problemstellungen identifiziert und Lösungsansätze entwickelt.

Wie engagiert das Publikum an der Zeppelin Universität sein kann, stellen die fünf Rathauschefs fest, als sich ein Student meldet und mit einer humorvoll gemeinten Provokation Schwung in die Diskussion bringt: „Es gibt eine ganz interessante Parallele zu all den Diskussionen, die es an der ZU in meiner Zeit hier bisher gab, bei den Themen, die hier gerade diskutiert werden: Es sind immer alle anderen schuld.“ 

Warum Menschen nicht in der Kommunalverwaltung arbeiten wollten, sei seiner Meinung nach klar: „Da brauchen wir uns nichts vormachen. Das ist einfach, weil der Job langweilig und nervig ist. Aber Sie sind die Chefs.“ Sie könnten doch etwas ändern. Applaus. Die Rathauschefs lachen und nehmen die Herausforderung an.

Claudia Alfons, Oberbürgermeisterin von Lindau, kontert zuerst: „Ich kann Ihnen da teilweise zustimmen, das hilft uns nicht weiter, wenn wir uns gegenseitig nur beklagen. Widersprechen will ich Ihnen bei der Aussage, dass der Job nervig und langweilig ist. Er ist möglicherweise nervig, aber er ist nicht langweilig.“ Genau das ist der Kernpunkt der Diskussion: Warum gilt der Job als Bürgermeister nervig und wie schafft man es, dass er attraktiver wird? Auch für junge Menschen. 

Dass es in Zukunft massiv an Personal in der Verwaltung mangeln wird, ist allen klar. Was man dagegen tun kann, wird bei der Podiumsdiskussion am Dienstagabend an der Zeppelin Universität (ZU) mit dem Titel „Global Politics is Local: Wie wir genügend gute Menschen für die Kommunalpolitik und unser demokratisches Gemeinwesen gewinnen können“ – veranstaltet vom Lehrstuhl für Public Management und Public Policy und moderiert von Lehrstuhlinhaber Prof. Ulf Papenfuß.

Alle Beteiligten sind sich einig, dass der Job als Kommunalpolitiker in seiner Bedeutung unterschätzt wird. Claudia Alfons versucht dies mit einem Vergleich zum Fußball deutlich zu machen: „In der Stadt oder der Kommune ist man auf dem Platz, während man in Berlin und Brüssel darüber redet, wie der Ball beschaffen sein muss und welche Spielregeln es gibt“.

Mit ihrer grundsätzlich positiven Einstellung bringt sie Leichtigkeit und einen anderen Blickwinkel in die Diskussion. Sie möchte Menschen davon überzeugen der Kommunalpolitik eine Chance zu geben. Dass junge Menschen oft keinen Zugang dazu haben, kann sie nachvollziehen. „Ich wäre selbst nicht auf die Idee gekommen, wenn ich nicht darauf angesprochen worden wäre“. Das Problem sieht sie vor allem in fehlenden Vorbildern, beispielsweise Kinderbüchern oder Fernsehshows. Im Fernsehen bekämen Bürgermeister oft ein negatives Image verpasst.

Jan Rothenbacher, Oberbürgermeister von Memmingen, betrachtet seine Arbeit recht bodenständig. Er habe das Gefühl, mit seiner Arbeit das Leben der Menschen wirklich zu bewegen. Und er sehe in seinem Job die Möglichkeit, Ergebnisse liefern zu können: „Es ist was ganz Besonderes, dass man am Ende eines Quartals auch mal etwas sieht, was fertig wurde“. Und er ergänzt, dass er durchaus auch Erfüllung in seinem Beruf findet – wobei ihm alle zustimmen. 

Der Oberbürgermeister von Heidenheim, Michael Salomo, ist in der Diskussion ziemlich engagiert und betont mehrfach, dass die Entscheidungswege und Prozesse zu lang seien und die Bürokratie ein großes Hindernis im Berufsalltag.

Herr Salomo plädiert dafür, diese Prozesse zu vereinfachen und erinnert, dass Stadtpolitik auch eine Frage des Gemeinwesens sei „Politik plant für die Gemeinschaft, da werden wir nicht jeden Einzelnen abholen können“. Um den Bürgermeister-Beruf einfacher zu machen, habe er einen konkreten Vorschlag: Sinnvoll sei eine klarere Abgrenzung davon, wofür die Kommunen zuständig seien und wofür der Bund.

Wolfram Bernhardt, Bürgermeister von Adelsheim und Absolvent der ZU, hat bringt eine philosophische Sicht in die Diskussion ein und malt für die Zukunft der Stadtverwaltung das düstere Bild der Apokalypse: „Wie Ihr alle wisst, geht es heute um nichts weniger als um die Rettung der Welt“.

Er habe sich mit der drohenden Katastrophe jedoch abgefunden und sehe das Positive darin, sagt er mit einem humorvollen Unterton. „Ich werde in dem Wissen der Katastrophe morgens weiter aufstehen und gucken, wo kann ich trotzdem noch was machen“. Dem Amt des Bürgermeisters komme eine große Verantwortung zu. Die müsse auch jemand übernehmen.

Auch Felix Cramer von Clausbruch, Bürgermeister von Rietheim-Weilheim und ebenfalls Absolvent der ZU, ist der Meinung, dass das Berufsbild des Bürgermeisters zu unklar und nicht nahbar genug ist. Auch er denkt, dass Vorbilder helfen würden, die Bedeutung des Berufs für das politische Gesamtgefüge besser zu vermitteln. „Alle EU und Bundesabgeordneten sollten immer erstmal Gemeinderat sein“, sagt er, um die Probleme an der Basis, die Bürgermeister lösen müssten, zu verstehen, bevor sie Gesetze verabschiedeten.

Das zweistündige Gespräch verläuft äußerst intensiv. Auch dank des fachlich kompetenten Publikums, das immer wieder kritische Fragen einwirft. Moderator Prof. Ulf Papenfuß gibt Raum für Diskussionen und lenkt den Fokus immer wieder auf mögliche Lösungsansätze.

Dabei nimmt er auch das junge Publikum in die Pflicht und betont, dass die Zukunft der Stadtverwaltungen auch von den jungen Generationen abhänge. Ganz sicher haben alle ein paar Denkanstöße mitgenommen. Und vielleicht saß ja auch die nächste Oberbürgermeisterin oder der nächste Oberbürgermeister in den Reihen.

(Pressemitteilung: Lara Kipper, Michael Scheyer / ZU Friedrichshafen)