Haushaltsreden: Die Fraktionen benennen Schwachpunkte der städtischen Entwicklung

Haushaltsreden: Die Fraktionen benennen Schwachpunkte der städtischen Entwicklung
Bürgermeister Marcus Schafft musste u. a. wegen des fehlenden Informationsflusses gegenüber dem Gemeinderat Kritik einstecken. (Bild: MK)

Im Riedlinger Gemeinderat wurden die Reden der Fraktionen zum Haushalt 2024 vorgetragen. Kritisch äußerten sich die Fraktionen (Bürgerliste, CDU und Wir in Riedlingen (WiR)) zur finanziellen Entwicklung der Stadt, die Sorgen bereitet. Seitens der Fraktion Mut tut gut! wurde uns keine Haushaltsrede zur Verfügung gestellt.

Die Stadt verfüge, so die Fraktionen, über zu geringe Gewerbesteuereinnahmen, der Anteil an der Lohn- und Einkommenssteuer ist demnach ebenfalls (zu) niedrig. Wenigstens scheint sich ein langgehegter Wunsch der Bevölkerung zu erfüllen, das Ambulant Medizinische Dienstleistungszentrum (AMD) scheint vor einer Verwirklichung zu stehen.

Kritisch sehen die Fraktionen die Geschwindigkeit bei der Umsetzung beschlossener Maßnahmen und auch die Zusammenarbeit mit der Verwaltung bzw. dem Bürgermeister scheint verbesserungsfähig zu sein. Wir stellen in groben Auszügen die Reden der Fraktionssprecher vor.

Als Service stellen wir die kompletten Reden der Fraktionen zur Verfügung. Sie sind als PDF-Datei nach der jeweiligen Kurzberichterstattung verfügbar.  

Reis (Bürgerliste): „Riedlingen hat als Wohnstadt Charme“

Joachim Reis eröffnete für die Bürgerliste die Haushaltsreden der Fraktionen im Riedlinger Gemeinderat. Er mahnte die Verwaltung, jährliche Gespräche mit den gewerbesteuerträchtigsten Betrieben zu führen. „Riedlingen wird keine Industriestadt werden, hat aber Charme als Wohnstadt,“ führte er aus und forderte die Verwaltung auf „dranzubleiben“, damit die beschlossenen Bebauungen im Steinbruch, auf der Klinge und in der Vollmergasse umgesetzt werden. Damit soll, so Reis, durch deren Belegung von „Erwerbstätigen“ der Einkommensanteil an der Einkommenssteuer von derzeit knapp 20 Prozent am Haushalt gesteigert werden.

Als schwierig sieht Reis die Lage bei den Gewerbegrundstücken. Da die Stadt über kaum nennenswert eigene Grundstücke verfüge, solle die Verwaltung versuchen, bereits verkauft Flächen zurückzukaufen. Zu hoch sei der dortige Anteil von ungenutztem und unproduktiven Flächen.

Die Hochbaumaßnahmen im Kindergartenbereich und für das Ambulant Medizinische Dienstleistungszentrum sieht Reis als herausragende Investitionen an, beim Tiefbau den Breitbandausbau, der für die Zukunftsfähigkeit der Stadt, Wirtschaft und Bürger jedoch unverzichtbar seien. Zum ambulanten medizinischen Dienstleistungszentrum trage die Bürgerliste die Planungen nur dann mit, wenn eine vergabe- und kommunalrechtlich nicht zu beanstandende Lösung vorliege, die Wirtschaftskraft der Stadt nicht überfordert sei und die eingeplanten Mittel zur Umsetzung ausreichten.

Reis legte bei der Finanzplanung den Finger in die Wunde. Zu den Investitionen bis 2034 merkte er an, dass die Stadt nicht ansatzweise in der Lage sei, die Investitionen bis dahin zu stemmen. „Die Bürgerliste fordert jetzt und künftig zielgerichtetes Handeln, damit im Sinne einer Jahr für Jahr am Machbaren ausgerichteten Haushaltspolitik unsere Richtschnur sich nicht an Wünschen orientiert, sondern in erster Linie auf Notwendigkeiten abhebt, die unsere Stadt für ihre Bürger attraktiv erhält und ihre Zukunftsfähigkeit im Wettbewerb mit anderen Städten sicherstellt. Gerne mit einer Gartenschau in 2035, wenn es uns die städtischen Finanzen erlauben,“ so Reis.

Die gesamte Haushaltsrede der Bürgerliste lesen Sie hier:

Bossler (CDU): „Wir erwarten beim AMD eine Finalisierung!“

Jörg Bossler (CDU) sprach bei seiner Haushaltsrede u. a. von einer soliden Finanzplanung: „Dafür gilt unser besonderer Dank unserem Kämmerer Herrn Seifert und Frau Neuburger samt Team.“ Die CDU-Fraktion könne dem vorgelegten Plan für das Haushaltsjahr 2024 und dem Stellenplan zustimmen.

Allerdings sehe er mit seiner Fraktion Verbesserungspotentiale, bei denen uns der Schuh drückt und konkretisierte: „Beginnen möchte ich mit einem mittlerweile jährlich folgenden Hinweis, dass unser Zahlungsmittelüberschuss dahinschmilzt. Im Jahr 2023 betrugen der Wert nach neuester Vorlage der Kämmerei 28,5 Millionen Euro, zum Ende des laufenden Jahres sind dies laut Plan noch 10 Millionen Euro.“

Kritisch äußerte sich Bossler zur Gewerbesteuer. „Diese müssen wir verstärkt, auch auf Seiten der Verwaltung, in den Fokus stellen. Wir brauchen Unternehmen, die investieren, die Arbeitsplätze sichern und schaffen. Diese müssen wir forcieren. Im vergangenen Jahr habe ich an manchen Stellen dieses Engagement kopfschüttelnd vermisst.“ Wie die Reis mahnte Bossler an, nur das zu planen was umsetzbar sei. Er verwies dabei konkret auf Baumaßnahmen wie die Modernisierung des Feuerwehrgerätehauses und den Nuturkindergarten, die „eingepreist“ seien, aber nicht umgesetzt wurden.

Für seine Fraktion forderte Bossler Bürgermeister Schafft auf, beim Projekt „Ambulant Medizinisches Dienstleistungszentrum“ endlich in die Pötte zu kommen: „Die CDU Fraktion erwartet von der Verwaltung ein zügiges Vorankommen und eine Finalisierung. Zu lange haben wir alle zusammen nun bereits darauf gewartet. Es wird endlich Zeit! Es fehlt der entscheidende Ruck!“

Bürgermeister Schafft forderte Bossler zu einem besseren Informationsfluss auf: „Dies belegt auch die Tatsache, dass keine Fraktionssprechersitzungen mehr angeboten werden, um vorab Themen anzusprechen und zu strukturieren.“ Bossler weiter: „Haben Sie Vertrauen in uns gewählte Vertreter und Mandatsträger. Übergehen Sie uns nicht! Versorgen Sie uns mit Informationen. Rechtzeitig und ausführlich. Andernfalls bleibt ein fahler Nachgeschmack. Ebenso vermisst die CDU-Fraktion eine handfeste Struktur bei den Sitzungen bzw. den Sitzungsvorlagen.“

Die gesamte Haushaltsrede der CDU lesen Sie hier:

Henle (WiR): „Ohne SRH könnten wir den ‚Laden‘ dichtmachen!“

Bei seiner Haushaltsrede zur Gewerbesteuer übte Henle Selbstkritik an der Arbeit des Gemeinderates: „Leider muss die WiR feststellen, dass sich das Hauptorgan Gemeinderat auch im vergangenen Jahr nicht im Geringsten um diese Aufgabe gekümmert hat. Wir- das Gremium, haben versagt.

Dieses Schuldeingeständnis vor der Bevölkerung, mit deren Mittel wir haushalten ist denke ich wichtig.“ Er verwies dabei auf die Nachbargemeinde Dürmentingen, dort können 60 Prozent der Riedlinger Gewerbesteuereinnahmen generiert werden, während die Einwohnerzahl gerade mal 25 Prozent von Riedlingen betrage.

Gegenüber den benachbarten Gemeinden sieht Henle die Stadt beim Angebot von Gewerbefläche als nicht konkurrenzfähig an. Er belegte dies mit einem Beispiel: „Wie soll oder kann ein junger Unternehmer/Nachfolger – wie in der vergangenen Sitzung – investieren, wenn von diesem 65 Euro pro qm unerschlossen und zudem Sanierungskosten mit über 50 Euro pro Quadratmeter ernsthaft verlangt werden, wenn die Konkurrenz bei 30-40 Euro pro Quadratmeter erschlossen liegt?

Der Jungunternehmer selbst erleidet dadurch einen gravierenden Wettbewerbsnachteil, da das Geld in Grund und Boden fließt, statt wie in Dürmentingen in Investitionen in Produktivkapital. Man kann dem Unternehmensnachfolger nur raten sein Glück in einer Gemeinde zu suchen, die Ihren Aufgaben nachkommt und Gewerbe Priorität besitzt.“

Henle verwies auf die Bedeutung der SRH-Fernhochschule für die Städtischen Finanzen: „Um Haaresbreite, wie jedem hier bekannt, wäre diese Einnahmequelle 2016 auf 2017 verloren gegangen. Die Bedarfsmesszahl für Riedlingen hat sich durch die Studenten für das Jahr 2024 um Euro 2,23 Mio. um rund 10 Prozent erhöht. Durch die Studenten erhält die Stadt Riedlingen 2024 aus dem Finanzausgleich also eine erhöhte Zahlung von jährlich ca. 2 Millionen Euro. Die Tendenz ist aufgrund des starken Wachstums der Hochschule stark steigend.“ Henle brachte diese Einnahmeseite der Stadt auf den Punkt: „Ohne SRH könnten wir den ‚Laden‘ dichtmachen!“ 

Die gesamte Haushaltsrede der WiR lesen Sie hier:

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