Gemeinsam schafft man mehr? – Ein Kommentar

Gemeinsam schafft man mehr? – Ein Kommentar
Die Gartenschau 2035 soll Riedlingen aus seinem Dornröschenschlaf wecken. Angesichts der Haushaltslage dürfen zarte Zweifel an der Finanzierbarkeit angemeldet werden. (Bild: MK)

Franz Selg forderte Ende der 80er Jahre den damaligen Bürgermeister Ernst Wetzel auf, für genügend Gewerbe- und Bauflächen zu sorgen. Ernst genommen wurde dieser Hinweis des damaligen Vorsitzenden des Handels- und Gewerbevereins weder von Wetzel, noch von seinen Amtsnachfolgern Hans-Georg Bosem, Hans Petermann und jetzt Marcus Schafft. Dass Selg den besseren Weitblick hatte, kann man den aktuellen Haushaltsreden entnehmen. Die Stadt verfügt über kaum nennenswerte Gewerbeflächen und ist mit diesen im Vergleich zu benachbarten Ortschaften nicht annähernd konkurrenzfähig.    

Jetzt rächt sich bitter, dass sich seit Jahrzehnten und bis zum heutigen Tage, weder Verwaltung noch die Gemeinderäte um eine zukunftsgerichtete Wirtschaftsförderung gekümmert haben. Die Stadt erlebt seit 1980 einen Niedergang der örtlichen Wirtschaft. Immer mehr Firmen und Arbeitsplätze gingen verloren, ein adäquater Ausgleich dafür fand nie statt, weil sich bei der Verwaltung und im Rat niemand ernsthaft dafür interessierte. Die Ergebnisse aller bisherigen Wirtschaftsförderer würde man im Sport flapsig als Salto nullo (scheitern) bezeichnen.

Wo will die Stadt hin, was ist ihr Ziel? Seit 20 Jahren geistert der Begriff „Wohnstadt“ durch die Diskussionen. Erstmals erwähnte ihn damals der altgediente Gemeinderat Josef Martin. Was ist damit gemeint? Sollen die Menschen hier wohnen und Arbeit andernorts finden? Wenn ja, ist die Stadt auf einem guten Wege. Seit 1980 ist die Einwohnerzahl um rund 3000 gewachsen, die Zahl der Arbeitsplätze nahm gleichzeitig ab. Das kann kein ernsthaftes Ziel sein. Immer mehr Einwohner, bei gleichzeitig sinkenden Beschäftigungszahlen im sozialversicherungspflichtigen Bereich.

Andere Städte in vergleichbarer Lage (Bad Schussenried, Bad Buchau, Bad Saulgau) zeigen, dass es besser geht. Dort werden seit 1999 erfolgreich Arbeitsplätze erkämpft, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen stieg in Schussenried um über 60 Prozent (trotz Schließung aller Kurkliniken) und in Bad Buchau um rund 30 Prozent. Statt sich diese benachbarten Städte als Beispiel zu nehmen, passierte in der Riedlinger Verwaltung und im Gemeinderat nahezu nichts!

Hoffnung keimte 2014 auf, als der heutige Bürgermeister Marcus Schafft seinen Slogan zur Bürgermeister-Wahl verkündete: „Gemeinsam schafft man mehr!“ Heute darf man fragen, wo ist die Gemeinsamkeit und wer schafft denn eigentlich? Die Aussagen bei den Haushaltsreden zeichnen ein düsteres Bild. Keine bzw. zu späte Informationen an den Gemeinderat zeigen, dass das Riedlinger Stadtoberhaupt nur einen gering ausgeprägten Sinn für Respekt gegenüber dem Beschlussorgan hat. Ebenso, dass es wohl keine Fraktionssprechersitzung mehr gibt. Das fühlt sich eher als „par ordre di mufti“ an, als nach dem Wunsch zu einer Gemeinsamkeit. Gleichzeitig zeigt es auch gnadenlos die Schwäche des Rates auf. Wer sich solche Respektlosigkeiten gefallen lässt, muss sich selbst hinterfragen. Die Biberacher Räte würden so ein Verhalten niemals akzeptieren und die Verwaltung gnadenlos auflaufen lassen.

Wenn es bei den Haushaltsreden einen Lichtblick gibt, dann den, dass das Ambulanz Medizinische Dienstleistungszentrum wohl (wann auch immer) beschlossen wird. Dass dabei der Bürgermeister aufgefordert wird, in der Sache nun schnell zum Ende zu kommen, spricht eine deutliche Sprache. Währenddessen stimmen Patienten der Raumschaft mit den Füßen ab, die Praxen im Ärztehaus können sich des Ansturms kaum erwehren.  

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