„Wir brauchen dringend Haus- und Fachärzte“ – Ein Interview mit Bürgermeisterin Doris Schröter

„Wir brauchen dringend Haus- und Fachärzte“ – Ein Interview mit Bürgermeisterin Doris Schröter
Doris Schröter will 2023 nochmals Vollgas für ihre Stadt geben. Doch dann soll auch Schluss sein. (Bild: I. RACK/Stadt Saulgau)

Das Bad Saulgauer Krankenhaus soll spätestens im Frühjahr 2023 geschlossen werden. Viele Bewohner der Raumschaft, die Stadtverwaltung und auch die Lokalpolitiker stellen sich die Frage, wie es dann mit der Gesundheitsversorgung in der Stadt weitergeht? Ein PVZ (Primärversorgungszentrum) soll alternativ ein über die Grundversorgung hinausgehendes Angebot, die entstehende Lücke schließen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Verantwortlichen noch dicke Bretter zu bohren, denn schon jetzt fehlen Hausärzte, die Augenarzt-Praxis ist schon längere Zeit unbesetzt.

Wir fragten bei Bürgermeisterin Doris Schröter nach, wie sie sich die Umsetzung der Nachfolgelösung vorstellt und welche Probleme dabei zu bewältigen sind.

Frau Schröter, welche Chancen sehen Sie für eine schnelle Verwirklichung eines PVZ in Saulgau?

Wir müssen akzeptieren, dass das Krankenhaus Bad Saulgau Geschichte ist. Das Land setzt auf Zentralisierung und Primärversorgungszentren. Wir müssen jetzt nach vorne schauen und alles dafür tun, dass ein Konzept entsteht und realisiert wird, das eine gute medizinische Versorgung gewährleistet. Federführend ist der Landkreis in Kooperation mit der Stadt Bad Saulgau. Die Stadt unterstützt das Konzept nach Kräften, auch finanziell. Ich befürchte jedoch, dass das Krankenhaus schließt, bevor die Nachfolgenutzung feststeht.

Welche Fachärzte sollen nach Ihren Vorstellungen und den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger in einem PVZ tätig sein?

Im Krankenhaus Bad Saulgau ist bereits ein MVZ vorhanden mit KV-Arztsitzen für Chirurgie incl. BG-Zulassung, Anästhesie, Gynäkologie und Augenheilkunde. Dieses MVZ wird von den SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen betrieben. Für den Bereich Gynäkologie konnte von SRH ein weiterer Arzt gewonnen werden und eine Hausärztin wird im MVZ ebenfalls im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Leider ist der Sitz des Augenarztes seit Ende des Jahres unbesetzt. Dieser würde dringend benötigt. Darüber hinaus besteht ein akuter Hausarztmangel und bestehende Praxen suchen Nachfolger oder möchten sich räumlich verändern. Ggf. könnte das PVZ eine Option für den einen oder anderen Arzt sein.

Ist dabei an ambulante- und teilstationäre OPs gedacht?

Es gibt einen konkreten Beschluss des Kreistages Sigmaringen, dass, sofern die Stadt Bad Saulgau ein AOP-Zentrum (Ambulantes OP-Zentrum) oder eine Praxisklinik als Nachfolgenutzung prüft, dann die Kreisverwaltung daran mitwirkt. Diese Prüfung läuft gerade. Ob weiterhin und wenn ja, welche ambulanten OPs möglich sein werden, ist von vielen Faktoren abhängig. Es muss sich wirtschaftlich darstellen lassen und die Verortung im PVZ bedarf letztlich der Zustimmung der SRH Kliniken Sigmaringen, also der beiden Gesellschafter SRH und Landkreis. Aber wie gesagt, wir sind hier noch in der Prüfung.

Wo soll das PVZ entstehen?

Wie schon ausgeführt, soll ein PVZ sinnvollerweise im bisherigen Krankenhaus entstehen. Seit über 100 Jahren ist dort in zentraler Lage unser „Gesundheitszentrum“. Neben den bisher im Krankenhaus stationär erbrachten Leistungen, gibt es dort eine etablierte internistische Gemeinschaftspraxis, eine KV Notfall-Praxis, die psychiatrische Institutsambulanz (PIA), eine Physiotherapie und auch das Familiengesundheitszentrum ist dort verortet. Diese ambulanten Angebote sollen nach dem medizinischen Konzept des Landkreises und Beschluss des Kreistages bleiben. Die Gebäudestruktur eignet sich sehr gut für verschiedene Angebote im Gesundheitswesen. Es geht ja aber auch um die Entwicklung eines Primärversorgungsnetzwerkes und nicht jeder Partner in diesem Netzwerk muss auch im Krankenhaus verortet sein.

In Riedlingen wird 2023 das AMD (Ambulant Medizinische Dienstleistungszentrum) fertiggestellt. Kann dies als Blaupause für Saulgau gelten?

Schon bisher und noch verschärft durch die Schließungen von Krankenhäusern, sind im ganzen Land Städte und Landkreise gezwungen tätig zu werden, um die wohnortnahe medizinische Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern und dem Ärztemangel entgegenzuwirken. Es entstehen landesweit Gesundheitszentren mit unterschiedlichen Angeboten. Kein Standort ist allerdings mit dem anderen vergleichbar und somit gibt es auch keine Blaupause.

Wie ausgeführt soll im Krankenhaus Bad Saulgau ein „Gesundheitszentrum“ entstehen. Ob und welche ambulanten OPs dort möglich sein werden, muss noch abschließend geklärt werden.

Riedlingen tut sich mit dem Bau eines OP-Bereichs unter eigener Regie schwer. Weckt dies Begehrlichkeiten bei Ihnen?

Wir müssen jetzt da tätig werden, wo es für die Bevölkerung am dringendsten ist. Wir brauchen Fach- und vor allem Hausärzte. Die Menschen wollen eine Grundversorgung und bei einem Notfall, dass Sie entweder in eine Notfall-Praxis gehen können oder ein Notarzt kommt. Wir brauchen eine bestmögliche Nachfolgenutzung für unser Krankenhaus, die den Bedürfnissen Rechnung trägt. Es geht darum Netzwerke aufzubauen, die den Patienten helfen, aber auch Ärzte entlasten sollen. Wir werden sowohl die Ärzte unterstützen, die entweder in einem zukünftigen PVZ arbeiten möchten, als auch die Ärzte, die sich eine andere Unterstützung durch oder Kooperation mit der Stadt wünschen.

Gibt es Rückenwind durch Landratsamt und SRH?

Es gibt eine klare Beschlusslage des Kreistages und einen Auftrag an die Kreisverwaltung. Diese hat sich engagiert und erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Konzeptionierung des Primärversorgungszentrums Bad Saulgau vom Land gefördert wird. Wir brauchen nicht nur Rückenwind von Landratsamt und SRH, sondern vor allem auch die Unterstützung aller im Gesundheitsbereich tätigen. Ohne sie können wir weder das PVZ, noch ein Netzwerk auf die Beine stellen.

In Saulgau fehlen offenkundig Hausärzte. Wie kann hier Abhilfe geschaffen werden?

Wir wollen Ärzte bei ihrer Nachfolgeregelung unterstützen, aber auch neu Ärzte gewinnen. Viele junge Ärzte scheuen die unternehmerischen Risiken der Selbstständigkeit. Sie bevorzugen eine Anstellung in einem MVZ. Andere möchten in eine Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft. Diese Interessenten und Interessen wollen wir zusammenbringen. Es bedarf attraktiver Praxisräume und evtl. auch der Unterstützung bei Verwaltungs- und Abrechnungsarbeiten u. s. w. Es reicht nicht eine Anzeige zu schalten und um Ärzte zu werben, sondern wir müssen Lösungen und Entlastung anbieten.

Wir müssen akzeptieren, dass sich „die Medizin“ gravierend verändert hat, dass es den Hausarzt, der 24 Stunden und 7 Tage die Woche erreichbar ist, nicht mehr geben wird, immer mehr ambulant und nicht mehr stationär behandelt wird, wir die Gesundheitsangebote, sektorenübergreifend vernetzen müssen u. v. m. Man muss das alles nicht gut finden, aber wir können den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern müssen jetzt den vorgegebenen Rahmenbedingungen Rechnung tragen und versuchen, gemeinsam das Beste für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.