Fachtagung Milchvieh im Dorfgemeinschaftshaus in Gaisbeuren

Fachtagung Milchvieh im Dorfgemeinschaftshaus in Gaisbeuren
von links nach rechts: Antonia Müller, Dr. Susanne Thalwitzer, David Ziegler, Linda Weigele. (Bild: Landkreis Ravensburg)

WOCHENBLATT

Am 19. Januar begrüßte der Leiter des Landwirtschaftsamtes Albrecht Siegel ca. 140 Landwirte zur Fachtagung Milchvieh im Dorfgemeinschaftshaus in Gaisbeuren.

Der Tag stand unter dem Motto „Herausforderungen meistern – Resignation vermeiden“.  In seiner Auftaktrede ging Herr Siegel auf die aktuellen Bauernproteste ein und zeigte Verständnis für die schwierige Situation. Die Zuhörenden konnten Fachvorträgen zu den Themenbereichen Antibiotika-Reduktion in der Rinderhaltung und Umgang mit Stress und Depressionen folgen. Frau Ruopp, Sachgebietsleiterin landwirtschaftliche Produktion und Kontrolle des Landwirtschaftsamtes und Franz Schönberger, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Allgäu-Oberschwaben, führten durch das Programm.

Dr. Susanne Thalwitzer vom Veterinäramt Ravensburg berichtete über das Tierarzneimittelrecht für Milchviehhalter. Einen Schwerpunkt des Vortrags bildete die seit 2023 neue Meldepflicht bezüglich des Antibiotika-Einsatzes für Rinderhaltende. Hierbei müssen Tierhaltende Daten zum Tierbestand und zu Tierbewegungen melden, Tierärzte müssen Daten zur Antibiotika-Verwendung liefern.

Über die HIT-Datenbank informiert man die Tierhaltenden über ihre betriebliche Therapiehäufigkeit. Übersteigt dies bestimmte Kennzahlen, müssen Tierhalter und Tiermediziner einen Maßnahmenplan zur Verringerung des Antibiotika-Einsatzes erstellen und selbstständig dem Veterinäramt übermitteln. Bei der anschließenden Diskussion gab es kritische Stimmen zum zusätzlichen Dokumentationsaufwand und über die Konsequenzen der Kennzahl-Überschreitung.

Anschließend folgte ein Fachvortrag zum Thema „Antibiotikareduktion durch selektives Trockenstellen- Wie kann das funktionieren?“ von David Ziegler vom Landwirtschaftsbetrieb Technische Hochschule Bingen. Ziegler war Betriebsleiter sowohl in Brandenburg als auch in Thüringen. Hier war er für 720 bis 1.650 Kühe verantwortlich und konnte Erfahrungen zum selektiven Trockenstellen sammeln. Beim Milchvieh stellt man aktuell zwischen 80 und 90 % der Kühe antibiotisch trocken. 25 bis 50 % der Antibiotika, die man im Milchviehbetrieb einsetzt, setzt man beim Trockenstellen ein.

Hier zeigt sich das Verringerungspotenzial durch das selektive Trockenstellen. Eine gute Basis für das selektive Trockenstellen sind der Einsatz von internen Zitzenversieglern, eine gute Hygiene im Stall, in den Liegeboxen und beim Melken und eine angepasste Fütterung für Trockenstehende mit einer entsprechenden Futterqualität. Für Betriebe mit massiven Problemen bei der Eutergesundheit und laufenden Eutergesundheits-Sanierungen ist das Verfahren nicht geeignet.

Herr Ziegler betonte, dass eine Reduktion von Antibiotika nicht zu Lasten der Tiergesundheit gehen dürfe. Im Betrieb in Thüringen konnte man nach zwei Jahren 70 % der Antibiotika zum Trockenstellen einsparen. Dabei ergaben sich keine negativen Auswirkungen auf die Eutergesundheit. Herr Ziegler empfahl, mit dem Tierarzt über die Möglichkeiten des selektiven Trockenstellens zu sprechen und verwies darauf, dass das selektive Trockenstellen bald zum Standard werden könnte.

Antonia Müller, Tierärztin, Landwirtin und Beraterin bei der Agrarberatung Allgäu, stellte ihr ganzheitliches Konzept zur Antibiotika-Reduktion im Milchviehstall vor. Müller ist selbst Betriebsleiterin eines ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetriebes. Sie zeigte auf, wie durch einfach umzusetzende Maßnahmen weniger Antibiotika nötig sind. Hierbei sei Hygiene im Milchviehstall und im Jungviehstall das A und O. Laufflächen und Liegeflächen sollten sauber sein, der Kontakt zwischen der Kuh und Exkrementen sollte so gering wie möglich gehalten werden. Überbelegungen führten zu Stress bei den Tieren und zu höherem Krankheitsdruck.

Sie ging auch auf den Einfluss der Fütterung auf die Gesundheit der Kühe ein. Eine hohe Futterqualität bildet die Grundlage. Zudem sollte eine Kuh nicht mager sein. Sie benötigt die Fettpolster für Krisensituationen, wie Krankheit und für die Abkalbung. Das Fettpolster braucht sie auch für gesunde Klauen – nach dem Motto „die Klaue trägt die Milch“. Betriebe mit Klauenproblemen sollten darauf einen besonderen Fokus legen.

Linda Weigele vom Landwirtschaftsamt zeigte den Zuhörenden, wie sie ihren Antibiotika-Einsatz in HIT dokumentieren können.

Nach der Mittagspause, folgten Fachvorträge zum zweiten Themenbereich: Umgang mit Stress und Depressionen. Christiane Mayer von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) ging sehr unterhaltsam auf Stress in den grünen Berufen ein. Sie berichtete vom positiven Stress, der durch die Dinge entsteht, die fordern, aber mit Spaß verbunden sind. Sie ging auch auf die Notwendigkeit von Stress für die Entwicklung des Menschen ein. Stress war schon immer notwendig, um schwierige Situationen zu meistern. Dauerhafter Stress könne aber ungesund werden, ausgelöst durch Familienstreitigkeit, die Betriebsübergabe, finanzielle Sorgen oder den Ausfall von Arbeitskräften.

Häufig seien schlaflose Nächte, Unkonzentriertheit und schnelles Aus-der-Haut-fahren die Folge. Die SVLFG bietet Seminare zum Stressmanagement an. Besonders Landwirte, die als Selbstständige oft Stresssituationen meistern müssen, dürfen den Wert von Pausen und Erholung nicht unterschätzen. Frau Mayer gab einige Tipps für eine gesunde Work-Life-Balance: Das Mittagessen sollte keine Dienstbesprechung sein, bewusst Pause machen, bewusst Zeit mit dem Partner oder der Partnerin verbringen, sportlich aktiv sein, auf sich achten und nicht zuletzt: 7-mal pro Woche kräftig lachen.

Sehr bewegend waren die Darstellungen von Stefan Leichenauer, einem Landwirt aus Leidenschaft, der seinen Weg aus dem Burnout mit den Anwesenden teilte.

Anschaulich berichtete Dr. Steve Truöl, Chefarzt der Abteilung Depression des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg, von Depressionserkrankungen. Es gäbe zwar wenig verlässliche Zahlen für Depressionserkrankungen in der Landwirtschaft. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Rate für Depressionen bei Landwirte dreimal so hoch liegt wie in der Allgemeinbevölkerung.

von links nach rechts: Stefan Leichenauer, Dr. Steve Truöl, Christiane Mayer, Franz Schönberger
von links nach rechts: Stefan Leichenauer, Dr. Steve Truöl, Christiane Mayer, Franz Schönberger (Bild: Landkreis Ravensburg)

Die Symptome einer Depression sind vielfältig. Sie zeigten sich zum Beispiel in Schlafstörungen, Angst und sozialem Rückzug. Für eine Depression brauche man sich nicht zu schämen. Sie betrifft vor allem Personen, die viel leisteten. Die Ursachen einer Depression seien vielfältig. Wichtig sei, dass sie erkannt und behandelt werden. „Achten Sie auf sich, Ihre Familienangehörigen und Berufskollegen,“ so der Wunsch von Dr. Truöl.

Das Landwirtschaftsamt Ravensburg mit seinem Programm „Landwirte in Not“ kann eine erste Anlaufstelle für Landwirte sein, die Hilfe benötigen. Den Kontakt hierzu gibt es über das Landwirtschaftsamt.

Den Abschluss der Veranstaltung machte Franz Schönberger vom Kreisbauernverband. Wie Albrecht Siegel ging auch Herr Schönberger auf die aktuellen Bauernproteste ein. Man müsse mit der Bevölkerung im Gespräch bleiben und auf die Anliegen der Landwirtschaft aufmerksam machen. Frei nach dem Motto „Herausforderungen meistern – Resignation vermeiden!“. 

(Pressemitteilung: Landkreis Ravensburg)