Nach Betrugsvorwürfen „Beschiss in der Bio-Szene ist das Schlimmste, was uns passieren kann“

„Beschiss in der Bio-Szene ist das Schlimmste, was uns passieren kann“
Horst Reiser ist nicht nur selbst Bio-Landwirt aus Überzeugung. Er ist auch Vorsitzender des Fachausschusses Ökolandbau beim Landesbauernverband Baden-Württemberg. (Bild: privat)

Die Razzia im Geflügelverarbeitungsbetrieb im Landkreis Biberach sorgte für Unruhe. Bei den Verbrauchern, den betroffenen Firmen und deren Mitarbeitern aber auch in der gesamten Bio-Branche. Landwirt Horst Reiser im Interview zu Fleischpreisen, Etikettenschwindel und der Herzenssache BIO.

Seit 35 Jahren ist Horst Reiser Bio-Landwirt. Auf seinem Biolandbauernhof leben glückliche Hühner, Bruderhähne, Küken und Rinder. Es werden Kartoffeln, Linsen, Obst, Gemüse und Futter für die Tiere angebaut und insgesamt ist der Hof in etwa das, was einem in den Sinn kommt, wenn man an den Begriff „Bio-Bauernhof“ denkt. So stellt man sich das Leben eines Tieres vor, bevor es denn auf einem Teller landet und dafür sind auch immer mehr Menschen bereit, tiefer in die Tasche zu greifen.
Gerade deshalb sind Vorwürfe, wie sie im Fall aus dem Landkreis im Raum stehen, Gift für das Image der Biobranche.

Horst Reiser ist nicht nur Landwirt, sondern auch Vorsitzender des Fachausschusses Ökolandbau beim Landesbauernverband Baden-Württemberg. Die vorbildliche Haltung seiner Tiere wurde sogar prämiert. Er kennt sich aus in der Bio-Szene. Deshalb haben wir uns mit ihm über den vermutlichen Geflügelskandal in Ertingen und die Auswirkungen auf die Bio-Branche unterhalten.

Wald, Wiese, Nutzung erneuerbarer Energien... Auf dem Biobauernhof von Horst Reiser handelt man nach ökologisch-verantwortungsvollen Grundsätzen.
Wald, Wiese, Nutzung erneuerbarer Energien… Auf dem Biobauernhof von Horst Reiser handelt man nach ökologisch-verantwortungsvollen Grundsätzen. (Bild: privat)

Er sagt: „Bio ist Herzenssache. Ob man als Betrieb auf Bio umstellt oder nicht, soll im Büro gerechnet, aber im Schlafzimmer entschieden werden. Das bespricht man mit seiner Familie. Denn alle müssen mitziehen.“ Auffälligkeiten bei den Kontrollen hätte es in wenigen Fällen, schon immer gegeben aber wenn, dann nicht in einem solch großen Ausmaß. Das läge vor allem auch daran, dass man sich kennt in der Bio-Szene denn die sei noch immer überschaubar.

Ob ein Betrieb auf Bio umstellt, ist eine Herzensentscheidung, auch und vor allem von der ganzen Familie.
Ob ein Betrieb auf Bio umstellt, ist eine Herzensentscheidung, auch und vor allem von der ganzen Familie. (Bild: privat)

In den letzten Jahren kämpfte sich Bio zu einem besseren Ruf. Es waren nicht mehr nur die barfüßigen „Müslis“, die Wert auf ökologischen Landbau und artgerechte Tierhaltung legten. Ein Trend zu bewussterer Ernährung, des Hirneinschaltens und Hinterfragens. Umso fataler ist es dann, wenn einer dieser Betriebe betrügt. Im Ertinger Fall geht es um Betrug. Da steht unter anderem im Raum, dass konventionelles Huhn mittels Etikett in ein teureres Bio-Huhn verwandelt wurde. Wenn sich das bewahrheiten sollte, wäre das laut Reiser „…der Worst Case für die Bioszene“. Und außerdem: „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, wenn einer bescheißt.“ Schließlich ginge es in Sachen Bio um Vertrauen. Und hat man das erstmal verloren, ist es ein harter Kampf, es zurück zu erlangen. Falls das überhaupt noch einmal klappen sollte. Da es immer mehr Bio-Betriebe gibt, erhöhe sich auch die Wahrscheinlichkeit, „dass mal ein schwarzes Schaf dabei ist“, so Reiser. Dennoch sei es wichtig, dass mehr Landwirte für ihre Höfe diese Entscheidung treffen würden. Reiser sagt deutlich: „Mein Ansinnen ist es weiterhin, dass viele Kollegen Bio machen können.“ Denn FÜR Bio spricht so viel, dass man sich nicht durch die kriminellen Handlungen einzelner Menschen abschrecken lassen sollte. Vielmehr sollten wir alle daran arbeiten, dass wir auf unseren Betrieben mit Transparenz, Offenheit und ehrlichem Handeln, das uns entgegengebrachte Vertrauen, rechtfertigen.

Ob der Skandal irgendwelche Auswirkungen auf seinen Hof habe, wollten wir am Ende noch von Reiser wissen. „Tatsächlich haben mich Menschen darauf angesprochen. Aber wir haben zum Glück sehr viele Stammkunden, die genau wissen, was sie bei uns bekommen.“ Und so sollte es immer sein, wenn man für sich die Entscheidung trifft, ökologisch und verantwortungsvoll zu handeln.