Notfallpraxis wird zum „Schwarze Peter-Spiel“

Notfallpraxis wird zum „Schwarze Peter-Spiel“
Doris Schröter (Bürgermeisterin Bad Saulgau) & Thomas Kugler (Bürgermeister Pfullendorf) (Bild: Doris Schröter/Doris Schröter | Thomas Gugler/Stadt Pfullendorf)

Vor kurzer Zeit stellten sich Dr. Faust (Geschäftsführer der SRH Kliniken Sigmaringen GmbH) und Landrätin Stefanie Bürkle im Interview einem Regio-TV-Sender, Dabei entstand der Eindruck, dass die niedergelassenen Ärzte für die notärztliche Versorgung für die Räume Saulgau und Pfullendorf in die Bresche springen sollen. Das Wochenblatt wollte genau wissen, ob dieser Eindruck täuscht und fragte bei Doris Schröter (Bürgermeisterin Bad Saulgau) und ihrem Kollegen Thomas Kugler (Bürgermeister Pfullendorf) nach. Ebenso fragten wir beide, wie sie die Rolle der KV (Kassenärztliche Vereinigung) sehen und welche Erwartungen sie an das neue Gutachten haben.

Frau Schröter, Herr Kugler, täuscht der entstandene Eindruck?

Schröter: 90 % der KV Notfallpraxen im Land sind an einer Klinik, weil dort die notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden sind (OP, Röntgen, Personal usw.). Wenn dies nicht mehr gewährleistet ist, dann wird eher früher als später die KV das Angebot nicht mehr im bisherigen Umfang aufrechterhalten. Deshalb sichert die KV den Erhalt auch nicht zu (wie immer wieder behauptet wird) sondern sagt, dass die Notfallpraxis in Bad Saulgau „vorerst“ weiterbestehen wird. Jetzt sollen es laut Landrätin Bürkle und Herrn Dr. Faust die niedergelassenen Ärzte richten. Das ist das berühmte „Schwarze Peter-Spiel“.

Kugler: Die notärztliche Versorgung ist schon heute nicht mehr in Pfullendorf, sondern in Sigmaringen und Bad Saulgau an den dortigen Krankenhäusern.

Wir gehen davon aus, (dies hat ja wohl die KV auch so kommuniziert), dass die Notfallpraxis verbleiben könne.

Wie sieht es mit der ärztlichen und fachärztlichen Versorgung im Raum Saulgau und Pfullendorf aus?

Schröter: Die Versorgungssituation und die Möglichkeit überhaupt einen weiteren KV-Sitz beantragen zu können, findet man im Internet unter https://www.kvbawue.de/praxis/niederlassung/bedarfsplanung-offen-oder-gesperrt. Hier können aktuelle Informationen abgerufen werden.

Kugler: Wir haben heute schon eine sehr ausgedünnte Situation; uns fehlen eine ganze Reihe von Fachärzten, wie z.B. HNO, Augenarzt, Dermatologe. Wir wären dankbar, wenn im Zuge der Diskussion herauskäme, dass man hier Verbesserungen im Aufbau weiterer ambulanter Strukturen bekäme.

Sehen Sie mit der derzeitigen Anzahl an Ärzten konkrete Chancen für die wohl vorgesehene „Notarzt-Lösung“

Schröter: Nein. Wir haben jetzt bereits zu wenig Ärzte. Bestehende Praxen finden keine Nachfolger. Die Praxen nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Die Situation ist kritisch. Wie sollte also die „Notarzt-Lösung“ funktionieren?

Kugler: Die Notarzt-Situation soll lt. Klinikleitung unabhängig vom Krankenhaus funktionieren, da hier andere Stellen verantwortlich sind. Da sind wir mal gespannt, wie das funktionieren soll.

Welche Hoffnungen setzen Sie in die KV?

Schröter: Dass sie alles tut, um am Krankenhaus Bad Saulgau mindestens eine Fachabteilung zu erhalten, um so auch die Notfallpraxis zu sichern und den Menschen eine Grundversorgung zu erhalten.

Kugler: Wir hoffen, dass die KV sich engagiert einbringt, um eine Kombination von stationärer Versorgung mit ambulanter Versorgung (Ambulantes OP-Zentrum, Tagesklinik, Praxisklinik, o.ä.) hinzubekommen.

Hier kommt es darauf an, dass die einzelnen Kostenträger miteinander eine Lösung hinbekommen.

Was erwarten Sie vom WMC Gutachten?

Schröter: Ich erwarte, dass WMC die Chancen und Potentiale der beiden kleinen Häuser objektiv prüft und Perspektiven entwickelt. Weder Curacon noch die SRH Geschäftsführung haben eine Perspektive oder auch nur Idee für die Zukunft der beiden kleinen Kliniken, sondern betonen immer wieder, dass nur die Schließung der Häuser den Menschen im Landkreis die Gewähr für „gute Medizin“ bietet und selbst dann das Krankenhaus in Sigmaringen eine kritische Größe hat. Nur wenn die „unwirtschaftlichen“ kleinen Häuser zugemacht werden, könne das Bauvorhaben in Sigmaringen überhaupt finanziert werden. Ich habe erhebliche Zweifel, dass diese Rechnung stimmt.

Die Krankenhausversorgung ist eine Pflichtaufgabe des Landkreises. Ein weiteres Gutachten ist unabdingbar für eine so weitreichende Entscheidung. Die beiden großen Städte Bad Saulgau und Pfullendorf tragen einen erheblichen Teil zur Wirtschaftskraft dieses Landkreises bei und deshalb dürfen die beiden Kliniken nicht einfach „abgewickelt“ werden.

Kugler: Wir erwarten, dass durch diese Zweitmeinung eine auf die Bedürfnisse der Regionen Bad Saulgau und Pfullendorf abgestimmte Analyse der Chancen und Risiken überprüft werden.

Im CURACON-Gutachten hatte die Zukunftsbetrachtung für die Nachfolgenutzung entsprechend dessen Vorschlag keinen Raum.