Als in weiten Teilen „völlig unrealistisch“ hat der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) das nun bekanntgewordene Reformvorhaben des Bundes zur Reform des Notdienstes kritisiert. „Ich frage mich ernsthaft, wovon in Berlin geträumt wird“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende Dr. Karsten Braun den Plan, dass die KVen einen aufsuchenden (Haus-)Besuchsdienst rund um die Uhr organisieren sollen.
„Irgendwie scheint noch nicht durchgedrungen zu sein, dass wir einen gravierenden Ärztemangel haben. Allein in Baden-Württemberg sind über 900 Hausarztsitze nicht besetzt. Wer also soll das tagsüber machen?“ Dabei sei es auch wenig hilfreich, auf nicht-ärztliche Berufe zu setzen. „Wir haben auch einen erheblichen Mangel an Medizinischen Fachangestellten.“ Der KVBW-Vorstandsvorsitzende stellte klar, dass solche Strukturen nicht von den KVen finanziert werden können. „Wenn die Bundesregierung das so möchte, soll sie auch für die Finanzierung sorgen. Es kann nicht sein, dass die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft das aus ihren Honoraren bezahlen.“
Seine Vorstandskollegin Dr Doris Reinhardt warnte vor teuren Doppelstrukturen. „In der Regelversorgung finden heute ja Hausbesuche statt. Wie soll es koordiniert werden, wenn nun neben dem Hausarzt auch noch irgendeine Notdienststruktur ebenfalls Hausbesuche durchführt. Wir sollten ganz grundsätzlich die Trennung zwischen dem ärztlichen Bereitschaftsdienst und der Regelversorgung nicht aufheben. Das führt zu Chaos.“ Reinhardt weiter: „Medizinische Behandlung ist nicht wie eine Pizza, die man einfach bestellt. Im Ärztlichen Bereitschaftsdienst findet daher eine medizinische Prüfung statt, ob ein Hausbesuch überhaupt erforderlich ist. In der Folge sind die Zahlen der Hausbesuche dort eher sinkend. Klar muss daher sein, dass nicht jeder, der der Ansicht ist, dass er einen Hausbesuch benötigt, auch einen bekommt.“
Aus Sicht der KVBW-Vorstände sind gleichwohl auch positive Elemente in dem Gesetzesvorhaben enthalten. „Es geht in die richtige Richtung, dass die Vermittlung der Anrufe im Ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der 116117 und dem Rettungsdienst mit der 112 digital ermöglicht und damit verbessert werden soll. Das begrüßen wir sehr, sind auch in Baden-Württemberg bereits mit entsprechenden Pilotprojekten in dieser Richtung tätig“, erläuterte Dr. Reinhardt.
Dr. Braun hob die Elemente zur Patientensteuerung hervor. „Nach den Vorstellungen des Ministeriums sollen die Patienten nicht mehr ungesteuert in die Notaufnahmen bzw. die Bereitschaftspraxen kommen. Das begrüßen wir sehr und sehen hierin ein erhebliches Verbesserungspotenzial für die Versorgung.“
(Pressemitteilung: KVBW)