Schweinehalter wurden in den letzten Tagen von Meldungen aufgeschreckt, nach denen Tierwohlverträge gekündigt werden. Namentlich wurden der Einzelhandelsgigant EDEKA und die Müller Gruppe genannt. 2015 haben sich Vertreter von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie dazu entschieden, ein freiwilliges Tierwohllabel (ITW) zu schaffen. 2015 haben sich Vertreter von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie dazu entschieden, ein freiwilliges Tierwohllabel (ITW) zu schaffen.
Müller Fleisch hat nun den Schweinelieferanten des Schlachthofes Ulm mitgeteilt, dass Regionalzuschläge und Vertragsbonifikationen neu ausgerichtet werden. EDEKA hat den Partnerbetrieben das Gutfleisch-Programm zum 31. Dezember gekündigt. Vion (FOOD GROUP) hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, dass ITW-Verträge (Initiative Tierwohl) in Süddeutschland nicht verlängert werden.
Dazu passt, dass Jochen Borchert bereits im August in einem Interview mit Agra-Europe (AgE) erklärte, warum das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung („Borchert-Kommission“) seine Arbeit eingestellt hat. Borchert stellte dabei klar, dass das Scheitern nicht an den Landwirten lag.
Im Interview stellte er klar: „Ich bin enttäuscht und ein Stück weit ernüchtert, dass es nicht gelungen ist, die Politik davon zu überzeugen, unsere Vorschläge umzusetzen.“
Wir fragten die Bundestags-Abgeordneten der Region nach den Auswirkungen dieser negativen Entscheidungen für die Schweinehalter.
Kann es sein, dass das von der Politik geforderte Tierwohl grandios am Handel scheitert?
Josef Rief (CDU): Zu Ihrer Frage, dass das Tierwohl am Handel scheitere, ist zu sagen, dass der Handel nicht genügend Spanne hat, um die laufenden Kosten und die Stallumbaukosten zu finanzieren, weil der deutsche Verbraucher dann auf günstigeres (spanisches) Fleisch ausweicht!
Dr. Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen): „Nein, das sehe ich ganz sicher nicht so. Bisher gab es zum Tierwohl viele unterschiedliche Kampagnen, vom Handel selbst und diversen Interessensverbänden ins Leben gerufen. Ein staatliches und damit verbindliches Label gab es bislang nicht. Darum konnten diese Produktsiegel, z. B. die, der „Initiative Tierwohl“ der EDEKA-Gruppe nur sehr bedingt Wirkung entfalten, schließlich hat sich immer nur freiwillig ein Teil der Restaurant- und Supermarktketten und Tierhaltungsbetrieben beteiligt.“
Martin Gerster (SPD): „Das ITW-Label und alle anderen im Handel genutzten Label sind private Tierwohlkennzeichen.“
Wie sollen Landwirte, die sich immer neuen Forderungen zum Tierwohl ausgesetzt sehen auf diese Hiobsbotschaften reagieren?
Rief: „Viele Landwirte geben auf oder werden zur Aufgabe genötigt. Z.B. muss jeder Schweinehaltende Betrieb mit Eberhaltung bis 9. Februar 2024 eine Planung für das Deckzentrum (Eros-Center) vorlegen, die dann umgesetzt werden muss, sonst drohen Strafen!“
Reinalter: „Es gibt keine neuen Forderungen. Es sind immer die gleichen Forderungen. Seit 20 Jahren ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Aktionen des Handels wie z. B. die ‚Initiative Tierwohl‘ wurden nur gestartet, weil die Vorgängerregierungen hier viel zu wenig getan haben. Die Ampel hat das seit Beginn der Legislatur angepackt und direkt auf den Weg gebracht: Seit August 2023 ist das Gesetz zur verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung in Kraft. Damit schaffen wir mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher, Verbesserungen im Tierschutz und damit mehr Planbarkeit für die Landwirte. Die EU und Großbritannien denken ebenfalls über solch ein Label nach. Die deutsche Kennzeichnung könnte zum internationalen Vorbild werden.‘
Was muss die Regierung tun, um das Label Tierwohl zu retten und damit die Landwirte finanziell zu unterstützen?
Rief: „Es wäre ein Bekenntnis zur Tierhaltung gewesen, wenn Minister Özdemir nicht die Mittel beim größten Förderprogramm für den ländlichen Raum GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz) um ein Drittel bzw. 300 Mio. Euro gekürzt und verhindert hätte, dass sich die Länder beim Stallumbau beteiligen können. Viele warme Worte reichen nicht!“
Reinalter: „Wie gesagt, das Label „Initiative Tierwohl“ hat mit der staatlichen Kennzeichnung nichts zu tun. Investitionen in mehr Tier- und Umweltschutz kosten Geld. Gerade Schweinemastbetriebe befinden sich momentan in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Darum haben wir gemeinsam mit der Einführung des staatlichen Labels eine neue Bundesförderung für Landwirtinnen und Landwirte aufgesetzt. 70-80 Prozent der Mehrkosten für den Stallumbau auf bessere Haltungsformen werden gefördert. Es werden außerdem die laufenden Mehrkosten teilweise ausgeglichen, die eine besonders tiergerechte Haltung von Schweinen mit sich bringt. Diese Förderung soll auch jenen Betrieben gewährt werden, die bereits heute deutlich tiergerechter wirtschaften. Zum Start dieser Förderprogramme stehen ab 2024 eine Milliarde Euro für die nächsten vier Jahre bereit. Und wir tun noch mehr: Mit Vereinfachungen im Bau- und Genehmigungsrecht, bauen wir Hürden haben und entbürokratisieren die Verfahren. Damit entlasten wir die landwirtschaftlichen Betriebe nachhaltig und reduzieren die oft so lästige Büroarbeit für unsere Landwirte und Landwirtinnen.“
Gerster: „Da es der Markt eben nicht richtet und die Landwirtinnen und Landwirte Planungssicherheit brauchen, haben wir als Koalition eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung beschlossen, die ab dem kommenden Jahr Schritt für Schritt eingeführt wird. Beginnend mit Frischfleisch vom Schwein, wird die Kennzeichnung in den kommenden Monaten und Jahren um verarbeitete Produkte, Außerhausverpflegung und weitere Nutztierarten erweitert. Die aktuellen Meldungen bestätigen uns darin, dass diese staatliche Kennzeichnung absolut notwendig ist.“