Am Donnerstag, 7. April, scheiterten im Bundestag alle Entwürfe zur Corona-Impfpflicht. Sowohl der der Gesetzentwurf von Ampel-Abgeordneten (Impfpflicht ab 60). Da half es auch nicht, dass Außenministerin Annalena Baerbock eigens von der Nato-Tagung ins Parlament zurückgerufen wurde. Der Unions-Entwurf blieb ebenfalls ohne Mehrheit. Chancenlos war auch der Antrag von Wolfgang Kubicki (FDP), der eine Ablehnung der Impfpflicht enthielt.
Wir fragten bei den Abgeordneten des Wahlkreises Biberach nach, warum in dieser wichtigen Frage keine Einigung möglich war.
Martin Gerster (SPD): „Parteitaktische Gründe verhinderten eine Mehrheit“
MdB Martin Gerster (SPD) trauert einer, nach seiner Sicht vergebenen Chance nach: „Ich bedaure sehr, dass keine Mehrheit für eine allgemeine Impfplicht zustande gekommen ist. Aus meiner Sicht wäre es richtig und wichtig gewesen, eine allgemeine Impfplicht ab 18 Jahren zu beschließen. Damit hätten viele Menschen vor schweren Krankheitsverläufen durch Corona geschützt werden können. Ich habe die entsprechende Initiative meiner Kollegin Heike Baehrens unterstützt. Schweren Herzens habe ich – als abzusehen war, dass es keine Mehrheit für eine allgemeine Impfplicht ab 18 Jahren gibt – den Kompromissvorschlag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren mitgetragen. Leider gab es auch hierfür bei der Abstimmung im Plenum keine Mehrheit, weil größere Teile der FDP aus grundsätzlichen Erwägungen und die CDU/CSU aus parteitaktischen Gründen dagegen waren. Besonders bitter ist für mich, dass es eigentlich eine Mehrheit im Bundestag für eine Impfpflicht gibt, aber aufgrund der parteipolitisch motivierten Ablehnung von CDU/CSU diese nicht zustande gekommen ist.
Es war von Vorneherein klar, dass es tendenziell eine knappe Entscheidung wird, weswegen selbstverständlich versucht wurde, allen Befürworter*innen einer Impfplicht die Teilnahme an der Abstimmung zu ermöglichen. Da Außenministerin Annalena Baerbock zu den prominenten Befürworterinnen der Impfpflicht zählt, ist doch nachvollziehbar, dass ihre Stimmabgabe bei dieser wichtigen Frage wichtig war.
Nun ist zu befürchten, dass wir im Herbst vor einer erneuten starken Infektionswelle stehen und zum Schutz besonders gefährdeter Menschen dann gegebenenfalls Einschränkungen des öffentlichen Lebens beschließen müssen. Auch wenn eine Impfpflicht im Bundestag gescheitert ist, hoffe ich, dass sich doch noch viele Menschen in den nächsten Wochen impfen lassen, denn nach wie vor sind in Deutschland im europäischen Vergleich bislang nur unterdurchschnittlich viele geimpft.“
Josef Rief (CDU): „Abstimmungsreihenfolge hätte eine Zustimmung zum Unionsantrag ermöglicht.“
Auch der CDU-Abgeordnete Josef Rief bedauert den Ausgang der Abstimmungen: „Die allgemeine Impfpflicht ist vorerst gescheitert. Die Ampel-Koalition konnte für ihren Antrag, der eine allgemeine Impfpflicht ab 60 Jahre, verbunden mit einer Beratungspflicht ab 18 Jahre, vorsah, keine Mehrheit erreichen. Die Abstimmungsreihenfolge der Anträge hätte nach dem Scheitern des Apel-Antrags eine Zustimmung für den Vorsorge-Antrag der Unionsfraktion ermöglicht, was aber aus parteitaktischen Gründen von den Impfpflichtbefürwortern der Ampel um den Bundesgesundheitsminister nicht genutzt wurde.
Unser Antrag sah vor, ein Impfregister einzuführen, um über den Impfstatus der Bevölkerung besser Bescheid zu wissen. Nur falls im Herbst tatsächlich eine gefährliche Virusvariante aufgetaucht wäre, und eine Überlastung der Krankenhäuser gedroht hätte, wäre nach dem Unionsantrag bei Bedarf eine abgestufte Impfpflicht scharfgeschaltet geworden. Andernfalls würde man auf die Einführung verzichten. Eine weitere Bedingung wäre, dass tatsächlich ein wirksamer Impfstoff gegen diese Variante zur Verfügung steht.
Unser Antrag, den wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fast vollzählig beschlossen haben, wäre ein nicht ganz so weit wie der Ampelvorschlag gehender Kompromiss. Die Zustimmung wäre für die Ampel-Parteien als Alternative nach der verlorenen Abstimmung ohne weiteres möglich gewesen. Schade, dass hier Parteitaktik es unmöglich gemacht hat, unseren Weg zu gehen. Uns war wichtig, dass auch die hohen Hürden für einen Grundrechtseingriff berücksichtigt worden waren. Das macht unser Antrag. Eine Allgemeine Impfpflicht ab 60 zum jetzigen Zeitpunkt mit der Pflichtberatung ab 18 ist weder verhältnismäßig noch geeignet und wäre in der Form vor dem Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich verworfen worden. Darum war eine Zustimmung der Union zum Impfpflichtantrag der Ampel, der diese rechtliche Seite nicht ausreichend berücksichtigte, nicht möglich. Da wir nun gar keine Lösung haben, ist die Union selbstverständlich weiter gesprächsbereit. Wir müssen im Herbst gerüstet sein, falls sich eine tödlichere Variante herausbildet. Nochmals drei Monate Zeitverzug können wir uns nicht leisten.“
MdB Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen) gab auf unsere Anfrage keine Stellungnahme ab.