Die Angst vor der Gewichtszunahme Bei Kindern und Jugendlichen

Die Angst vor der Gewichtszunahme Bei Kindern und Jugendlichen
Seit der Pandemie erkranken mehr Kinder und Jugendliche an Essstörungen. (Bild: cottonbro studios von Pexels)

WOCHENBLATT

Die Corona-Pandemie hat viele Menschen belastet und die Zahl der psychisch Erkrankten nahm zu. Auch die Zahl der an Magersucht und anderen Essstörungen erkrankten Kinder und Jugendlichen ist gestiegen.

Hungern, erbrechen oder wahllos alles in sich hineinstopfen – es gibt viele Formen von Essstörungen. Dazu zählen unter anderem die Magersucht (Anorexie), die Ess-Brech-Sucht (Bulimie) sowie die Esssucht (Binge-Eating).

Bei allen Formen handelt es sich um Verhaltensstörungen rund um das Essen mit oft schweren Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit. „Während der Pandemie von 2020 auf 2021 lässt sich auch bei Versicherten der AOK Baden-Württemberg ein Anstieg der Behandlungszahlen von Menschen mit Anorexie und Bulimie beobachten“, sagt Dr. Alexandra Isaksson, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie bei der AOK Baden-Württemberg. „Die Behandlungszahlen bei Anorexie sind um etwa 17 Prozent gestiegen, die bei Bulimie um etwa fünf Prozent.“

Insgesamt nahmen Behandlungen wegen Essstörungen bei AOK-versicherten Kindern und Jugendlichen von 2017 bis 2021 landesweit um 5,37 Prozent jährlich zu. Im Landkreis Biberach stiegen sie im selben Zeitraum um überdurchschnittliche 7,17 Prozent pro Jahr. 2021 waren dort 49 Mädchen und Jungen wegen einer Essstörung in ärztlicher Behandlung, 2017 waren es noch 39. Der höchste Anstieg von Essstörungen ist bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren zu beobachten.

„Über die psychologischen Hintergründe der gestiegenen Behandlungszahlen gibt es verschiedene Hypothesen“, so die Ärztin. „Diskutiert wird, dass ein Verlust der Tagesstruktur während der Pandemie und insbesondere während der Lockdowns begünstigend gewesen sein könnte. Kinder und Jugendliche haben in dieser Zeit vermehrt den Fokus auf Social-Media-Aktivitäten gelegt. Diese wiederum könnten einen Anstoß in Richtung Körperoptimierung, Diäten und Workouts gegeben haben.

Eine weitere Erklärung könnte auch sein, dass das gestörte Essverhalten eine Art Coping-Strategie ist, mit dem Gefühl von Kontrollverlust im Rahmen der Pandemie umzugehen.“ Ein Anstieg in Behandlungsraten sei jedoch nicht mit einem erhöhten Vorkommen von Essstörungen gleichzusetzen und könne stattdessen auch ein Hinweis sein, dass z. B. die Symptomatik während der Pandemie offensichtlicher zutage trat und daher häufiger Hilfe in Anspruch genommen wurde.

Neben dem Essverhalten selbst gibt es weitere typische Anzeichen für eine Essstörung: So nehmen das eigene Körperbild und das Körpergewicht einen sehr hohen Stellenwert für die Betroffenen ein und es besteht eine starke Angst vor Gewichtszunahme. Häufig sind auch psychische Begleiterkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder Suchterkrankungen.

Angehörige bemerken als Erstes oft Veränderungen im Befinden, Verhalten und beim Gewicht der Betroffenen. „Sie sollten das Gespräch suchen und offen und wertfrei schildern, was sie aus ihrer Perspektive wahrnehmen“, rät Dr.  Isaksson. „Sie sollten keine Vorwürfe oder Anschuldigungen machen, sondern Verständnis ausdrücken, um Betroffene dazu zu ermutigen, sich anzuvertrauen.“ Ein Problem bei Essstörungen ist, dass es den Betroffenen selbst häufig schwerfällt, über das Thema zu sprechen und sie meist ambivalent gegenüber einer Behandlung sind.

Der erste Schritt ist also, sich zu öffnen, um sich gut beraten zu lassen und das Für und Wider einer Therapie zu besprechen. Erste Anlaufstelle kann hier der Haus- oder Kinderarzt sein, ein Facharzt für Psychosomatik oder auch eine psychosoziale Beratungsstelle.

gewichtDie Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet für Betroffene und Angehörige auch eine anonyme telefonische Beratung über Essstörungen und deren Behandlungsmöglichkeiten an: 0221 89 20 31. Informationen finden sich auch auf den Internetseiten der BZgA: www.bzga-essstoerungen.de.

(Pressemitteilung: AOK- Die Gesundheitskasse Ulm-Biberach)