Bei Hitze und Kälte: Was man dann am Fahrzeug tun und unterlassen sollte

Bei Hitze und Kälte: Was man dann am Fahrzeug tun und unterlassen sollte
Heißes Wasser taut Gefrorenes rasch auf, also läge es nahe, die Gießkanne am Warmwasserhahn zu befüllen und aufs Auto zu schütten. Bitte – bloß nicht! (Bild: stock.adobe.com/ kvdkz)

WOCHENBLATT

Wenn die Witterung etwas extremere Bereiche auslotet, bleiben Auto, Motorrad und andere Fahrzeuge nicht ganz unbeeindruckt. Allerdings gibt es hierbei viele Mythen und Halbwissen – wir klären auf.

Es ist ein Phänomen, von dem alle Betreiber von Auto-, Karosserie- und Fahrzeugglaswerkstätten ein Lied singen können – eines in Moll-Tönen. Wann immer es starken Frost, Schneefall oder überfrierenden Regen gab, häufen sich die Fälle von Kunden mit Glasschäden. Insbesondere mit gerissenen Frontscheiben und Schiebedächern. Normalerweise gibt es bei Glasschäden häufig die Wahl einer niedrigschwelligeren Herangehensweise durch Punktreparatur. Wenn jedoch die Scheiben wirklich „gerissen“ sind, bleibt nur der Austausch. Für Profis keine schwierige Angelegenheit, bloß wird es eben stressig, wenn sich bei entsprechender Witterung die Kundschaft fast schon vor der Werkstatt staut.

Nie haben diese Schäden mit der Schneelast oder ausdehnendem Eis zu tun. Immer stehen dahinter Autofahrer, die die gesetzlichen Pflichten etwas zu komfortabel erfüllen wollten – und sich damit selbst einen Bärendienst erwiesen. Schuld sind diverse Halbwahrheiten und Mythen, die sich leider sehr hartnäckig halten. Angesichts dessen klären wir auf den folgenden Zeilen auf.

1. Auto mit warmem Wasser von Schnee und Eis befreien

Fangen wir mit dem größten Fehler an: Heißes Wasser taut Gefrorenes rasch auf, also läge es nahe, die Gießkanne am Warmwasserhahn zu befüllen und aufs Auto zu schütten. Bitte – bloß nicht! Durch Schnee, Eis sowie die allgemeinen Umgebungstemperaturen ist der Wagen buchstäblich „eiskalt“. Trifft nun heißes Wasser darauf (oder selbst lauwarmes), dann geschieht folgendes:

  • Der generelle Temperaturunterschied zwischen Wasser und Auto ist sehr groß.
  • Insbesondere das Autoglas hat eine schlechte Wärmeleitfähigkeit.
  • Trifft das Wasser auf das Glas, dann entsteht durch die Erwärmung der Oberfläche und dem nach wie vor kalten Glas-Inneren eine extreme Materialspannung.

Selbst eine nicht bereits vorgeschädigte Scheibe kann dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit reißen. Weist sie dagegen schon Mikroschäden auf, wird es unvermeidlich, sich nach einer Werkstatt umzusehen – und im Fall der Frontscheibe sogar einen Abschlepper zu rufen.

Wasser, egal welcher Temperatur, ist absolut ungeeignet, um Scheiben zu enteisen und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in Schäden resultieren. Die einzige Flüssigkeit, die auf eine kalte Scheibe darf, ist ebenso kalter Scheibenfrostschutz bzw. -reiniger.

2. Heizung bei Kälte sofort aufdrehen.

Wer morgens in ein kaltes Auto einsteigt, will es natürlich rasch warm haben. Allein schon, weil man für die Wirksamkeit von Anschnallgurt und Airbags möglichst nicht mit der dicken Winterjacke fahren sollte. Wer allerdings deshalb schon beim Anlassen die Heizung auf Volllast schaltet, erreicht keine schnellere Wärme, dafür jedoch einen größeren Motorverschleiß. Das liegt an Folgendem:

Sämtliche PKW-Verbrennungsmotoren sind wassergekühlt – von diesem Wasser wird der Wärmetauscher der Innenraumheizung versorgt. Gerade bei Frost dauert es deshalb, bis die Kühlflüssigkeit nennenswert erwärmt ist. Das Problem: Dreht man sofort die Heizung hoch, dann wird das kaum spürbar warme Wasser durch den Wärmetauscher (der ähnlich wie der Kühler funktioniert) immer wieder abgekühlt.

  1. Es dauert erheblich länger, bis spürbar warme Luft aus den Lüftungsdüsen kommt.
  2. Der Motor bleibt länger im Kaltbetrieb. Das erhöht den Verschleiß, den Kraftstoffverbrauch und den Schadstoffausstoß.

Die Heizung in den ersten Fahrminuten ausgeschaltet zu lassen, bringt für eine schnelle Aufheizung erheblich mehr, als sie sofort einzuschalten.

3. Auto beim Enteisen warmlaufen lassen

Dieser Punkt ist dicht mit dem vorherigen verbunden. Wenn man sowieso den Wagen händisch von Schnee und Eis befreien muss, könnte man unterdessen doch den Motor laufen lassen?!

Leider falsch. Denn im Leerlauf erzeugen alle Motoren sehr wenig Wärme. Besonders krass ist es bei effizienten Dieseltriebwerken. Es bringt kaum etwas, kann aber sogar ein Bußgeld nach sich ziehen.

Die effektivste, schonendste Möglichkeit, um den Motor rasch aufzuwärmen, besteht darin, in hohen Gängen mit niedrigen Drehzahlen und viel Gas zu fahren – oder gleich eine Standheizung nachzurüsten.

4. Auto in praller Sonne waschen

Viele Mythen und Halbwissen rund ums Fahrzeug halten sich wahrscheinlich so hartnäckig, weil sie durchaus plausibel klingen können. So auch hier: Das Auto (oder irgendein anderes Fahrzeug) wird bei schönstem Sonnenschein gewaschen, wenn es richtig warm ist. Denn dadurch trocknet es rasch ab, wodurch selbst bei hartem Wasser keine solche Gefahr für hässliche Kalkkränze besteht – und man kann sich obendrein das Abledern sparen.

Abermals leider falsch:

  • Gerade durch das rasche Trocknen in praller Sonne ist das Risiko für Kalkablagerungen besonders hoch.
  • Da das Waschwasser stets kalt ist, besteht abermals die große Gefahr für eine zu rasche Abkühlung. In praller Sonne kann der Temperaturunterschied zwischen Auto und Kaltwasser ähnlich groß sein wie bei Frost und Warmwasser.
  • Die Wassertropfen können wie eine Linse wirken. Dadurch bündeln sie Licht und Wärmestrahlung und können so den Lack wenigstens punktuell schädigen – ähnlich, wie es bei Pflanzen der Fall ist und sogar Waldbrände auslösen kann.

In praller Sommersonne sollte ein Fahrzeug nie gewaschen werden. Und selbst im Schatten nur, wenn es sich dort für mindestens eine Stunde abkühlen konnte. Noch besser wäre es jedoch, dafür die Phasen zu nutzen, in denen die Sonne schon/noch hinter dem Horizont liegt.

5. Wagen vor dem Einsteigen mit offenen Türen auskühlen lassen

Bei entsprechender Witterung kann die Innentemperatur eines in der Sonne geparkten Autos nach schon einer Stunde über 50°C liegen – entgegen des Irrglaubens ungeachtet der Wagenfarbe. Direkt beschienene Oberflächen wie Lenkrad, Sitze oder Schalthebel können noch heißer werden, ja sogar leichte Verbrennungen verursachen.

Ist es angesichts dessen vernünftig, vor dem Einsteigen erst einmal alle Türen zu öffnen? Jein: Definitiv wird die sehr heiße Innenraumluft durch die etwas weniger warme Außenluft ersetzt. Da jedoch die Sonne alles erwärmt, was durch ihr Licht erhellt wird, macht das keinen (direkten) Unterschied bei heißem Lenkrad und Co.

Diese Oberflächen werden sich nur merklich abkühlen (bzw. gar nicht erst aufheizen) wenn sie nicht mehr direkt von der Sonne getroffen oder bei der nun folgenden Fahrt durch kühle Luft des Fahrtwindes oder aus der Klimaanlage getroffen werden.

Wirklichen Schutz gegen einen zu heißen Fahrgastraum und die Oberflächen darin bringt nur Abschatten. Entweder des ganzen Fahrzeugs, der Scheiben oder wenigstens einzelner Bauteile – etwa durch Handtücher über Lenkrad und Sitz.

6. Vereiste Autoscheiben mit Wärmflaschen erhitzen

Es klingt auf den ersten Blick wie etwas aus der Zeit eines Ford Model T – als kaum ein Auto Innenraumheizung besaß und viele nicht einmal Seitenscheiben. Man nehme ein oder besser zwei handelsübliche Wärmflaschen, fülle sie mit heißem Wasser und lege sie eine viertel oder halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt aufs Armaturenbrett. Die aufsteigende Hitze erwärmt das Glas und taut somit Eis und Schnee auf.

Vor allem, wer das erste Kapitel aufmerksam gelesen hat, wird diesen vermeintlichen Kniff wahrscheinlich sehr kritisch betrachten: Sollte das nicht die Spannung in der Scheibe gefährlich erhöhen – und somit die Gefahr für Glasschäden?

Paradoxerweise – Nein! Warmes Wasser auf der Scheibe bedeutet einen Direktkontakt mit der Hitze, also eine extrem kurze Einwirkzeit. Wie weiter oben erwähnt sorgt das für eine höchst unterschiedliche Erwärmung der Glasschichten. Anders bei den Wärmflaschen.

  1. Die Hitzeeinwirkung ist trotz vielleicht kochendem Wasser geringer, weil zwischen Glas und Wärmflasche eine Luftschicht liegt – Luft ist einer der besten Wärmeisolatoren überhaupt.
  2. Durch diesen Effekt erfolgt die Erwärmung der Scheibe erheblich langsamer. Dadurch ist der Temperaturunterschied innerhalb des Glases deutlich geringer.

In der Tat können Wärmflaschen auf dem Armaturenbrett Schnee und Eis auf der Scheibe antauen und dadurch das manuelle Entfernen erleichtern. Keinesfalls darf die Flasche jedoch das Glas direkt berühren. Zudem wird der Effekt umso geringer, je größer das Innenvolumen des Wagens ist, weil die Hitze so viel Luft erwärmen muss.

7. Gefrorene Türen mit Scheibenfrostschutz lösen

In Zeiten, in denen die allermeisten Autos eine per Fernbedienung gesteuerte Zentralverriegelung besitzen, hat das gute alte Fläschchen mit Türschloss-Enteiser weitgehend ausgedient. Das Problem selbst ist dennoch nicht weg. Bei scharfem Frost kann es weiterhin zu Situationen kommen, in denen die Türen an den Gummi-Dichtflächen der Karosserie festfrieren und sich nicht öffnen lassen. Mitunter setzt das Eis sogar den Entriegelungsmechanismus außer Funktion.

Hierzu liest und hört man immer wieder, man sollte einfach eine leere Sprühflasche mit demselben Gemisch aus Scheibenreiniger bzw. -frostschutzmittel und Wasser füllen, mit dem man auch den Wischwassertank befüllt. Dann die Düse auf geschlossenen Strahl stellen und den Spalt zwischen Tür und Karosse damit großzügig einsprühen. Kann das funktionieren?

Scheibenfrostschutzmittel wirkt durch den Alkoholgehalt. Dieser kann tatsächlich gefrorenes Wasser rasch auftauen und dadurch zugefrorene Türen gangbar machen. Definitiv ist diese Methode besser, als durch gewaltsames Aufreißen der Tür womöglich die durch Kälte verhärteten Dichtungsgummis zu beschädigen. Noch besser wäre es jedoch, vor der Forstperiode die Dichtungen mit Gummipflegemittel, Vaseline oder notfalls Lippenpflegebalsam dünn einzustreichen und den Schließmechanismus durch ein wasserverdrängendes Sprühöl trocken zu halten.