Der Zustrom der Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten, ist schon jetzt eine Herausforderung für Städte und Gemeinden. Das Land will eine gerechte Verteilung. Der Ministerpräsident macht sich unterdessen ein Bild in der Landeserstaufnahmestelle in Sigmaringen.
Stuttgart/Sigmaringen (dpa/lsw) – Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die große Welle der Hilfsbereitschaft im Südwesten für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gelobt. Er sei sehr beeindruckt von der Arbeit der hauptamtlichen Helfer, sagte er am Mittwoch bei einem gemeinsamen Besuch mit Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) in der Landeserstaufnahmestelle in Sigmaringen. Man werde in den kommenden Wochen und Monaten weiter auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen sein. In Gesprächen ließ er sich auch von Geflüchteten selbst ihre Situation schildern. «Das geht einem schon unter die Haut», sagte er zu den Eindrücken seines Besuchs.
Die Opposition hatte zuvor im Landtag angemahnt, dass das Land sich noch besser auf die erwartete Ankunft Zehntausender weiterer Geflüchteter vorbereiten müsse. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte, nach einem Gespräch mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gehe er davon aus, dass bald über tausend Menschen pro Tag nach Baden-Württemberg kämen. «Wir müssen schauen, dass wir eine Verteilungsgerechtigkeit hinkriegen», forderte Stoch.
Das Land müsse es zentral organisieren, dass die Flüchtenden eine Unterkunft bekämen und deren Kinder in Kitas und Schulen kämen. Außerdem müsse man sich darauf einstellen, dass die Menschen aus der Ukraine länger bleiben. «Da muss ein deutlicher Gang hochgeschaltet werden.»
Gentges berichtete im Landtag, bisher seien 7800 Flüchtende aus der Ukraine in den Erstaufnahmeeinrichtungen im Südwesten angekommen. Da die Kriegsflüchtlinge ohne Visum einreisen können, dürfte die Zahl noch deutlich höher sein. Viele seien bei Freunden und Verwandten untergekommen. Es sei aber absehbar, dass noch deutlich mehr Menschen kommen werden, die von den Kommunen untergebracht werden müssten. Kretschmann kündigte an, dass auch in Sigmaringen auf dem Gelände der ehemaligen Graf-Stauffenberg-Kaserne versucht werde, noch mehr Platz für die Unterbringung von Flüchtlingen zu schaffen.
Gentges betonte, dass das Land eine gerechte Verteilung erreichen wolle, die der Einwohnerstärke der Städte und Gemeinden entspricht. Sie forderte erneut, dass der Bund besser über die erwartete Ankunft von Flüchtenden informieren müsse. «Es geht um ein Mindestmaß an Planungsmöglichkeit.»
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Lede Abal appellierte an die Landesregierung, sich auch um andere Schutzsuchende zu kümmern. «Wir wollen keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse.» Auch Menschen aus anderen Teilen der Erde müssten die Angebote des Landes offenstehen. Im März sind nach Angaben des Migrationsministeriums bisher über 2000 Asylbewerber in den Südwesten gekommen, die meisten stammen aus Afghanistan, Syrien und der Türkei.
Das Land muss sich zudem wegen des Ukraine-Krieges auf sehr viel mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einstellen als während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Das habe die Staatssekretärin am Sozialministerium, Ute Leidig (Grüne), im Sozialausschuss des Landtags berichtet, teilte die Pressestelle des Parlamentes mit. Zahlen dazu gibt es noch nicht, eine möglichst genaue Erfassung der Daten von Aufnahmeeinrichtungen der Kommunen werde vorbereitet.