Streit um Gleisverkürzung im Lindauer Inselbahnhof Bahnknoten Lindau-Insel wird bei der Verkehrswende entscheidende Rolle spielen

Der Lindauer Inselbahnhof.
Der Lindauer Inselbahnhof. (Bild: Wilfried Vögel)

Der Streit um eine Gleisverkürzung im Lindauer Inselbahnhof schwelt schon lange. Während die Stadt Lindau im Zuge der Umsetzung des „Rahmenplanes Hintere Insel“ aus städtebaulicher und stadtplanerischer Sicht auf eine Verkürzung der Gleisanlagen, sprich „Rückbau bis südlich der ehemaligen Hauptpost (Höhe Busbahnhof) und eine Reduzierung von acht auf sechs Gleise“ besteht, haben sich die Gegner dieser Pläne längst in einem Netzwerk zum Erhalt des Inselbahnhofes in seiner derzeitigen Form formiert.

Das aus neun Verbänden und Initiativen bestehende Netzwerk, darunter die Fahrgastverbände ProBahn Lindau/Westallgäu und Vorarlberg, die Initiative Bodensee-S-Bahn, der Verein „Eisenbahn- und Schifffahrtsmuseum Lindau“, die Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof und die Lokale Agenda 21 fordern die Beibehaltung der Bahnsteig- und Gleislängen und der Anzahl der Gleise im Inselbahnhof Lindau, um den Bahnverkehr rund um den Bodensee in Zukunft sicher abwickeln und attraktiver machen zu können.

Auftrieb durch Klima- und Mobilitätsdiskussion

Auftrieb bekommen haben die Befürworter des Inselbahnhofs durch die aktuelle Klima- und Mobilitätsdiskussion. Bund, Länder und Verkehrsträger wollen die Schiene deutlich stärken, was nur über den Ausbau der Infrastruktur möglich ist und nicht deren Abbau. Die Bahn möchte bis 2030 die Fahrgastzahlen verdoppeln und betreibt dafür derzeit eine Personal- und Infrastrukturoffensive.

Bahn will Inselbahnhof erhalten und sanieren

Hinzu kommen die aktuellen Aussagen der Deutschen Bahn, den Inselbahnhof in seiner Funktion als Drehscheibe zwischen Bahn, Bus und Schiff zu erhalten bzw. auszubauen und das altehrwürdige Bahnhofsgebäude Zug um Zug grundlegend zu sanieren und ggf. neue Nutzungen zu ermöglichen (Das Wochenblatt hat darüber am 6. März berichtet).

Nach Aussagen der DB ist geplant, alle bislang genutzten Funktionen und fahrgastorientierten Nutzungsmöglichkeiten beizubehalten. Wichtige Erkenntnis war dabei, die sogenannte „Goldene Mitte“ zwischen den möglichst reibungslosen und attraktiven Umsteige- und Nutzungsmöglichkeiten zwischen Bahn, Bus und Schiff beizubehalten bzw. noch zu verbessern.

Stadt Lindau hält an den Gleiskürzungen fest

Auf Anfrage des Wochenblattes hat die Stadt Lindau dazu mitgeteilt, dass man an der städtebaulich und stadtplanerisch festgeschriebenen Gleiskürzung festhalten wolle. Die Gleiskürzung beinhalte, so die Stellungnahme der Stadt Lindau, auch eine weitere barrierefreie Verbindung zur Erschließung der Westlichen (Hinteren) Insel. Die Umsetzung des Rahmenplanes für die Westliche Insel wäre, so die Aussage der Stadt, bei einem Belassen der Gleise in der heutigen Form in Gänze gefährdet. Grundsätzliche städtebauliche Ziele würden damit in den Hintergrund gedrängt. Man werde prüfen, ob die verloren gegangen Kapazitäten beim Inselbahnhof am Haltepunkt Reutin ergänzt werden könnten.

Dieser Auffassung widerspricht der Vorsitzende des Vereins „Eisenbahn- und Schifffahrtsmuseum Lindau“, Stefan Stern, vehement.

Lindau muss seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten

Längst sei klar geworden, dass die Verkehrswende und Lindaus Beitrag zum Klimaschutz nur gelingen könne, wenn man noch mehr Autonutzer dazu bringen werde, statt dem eigenen Auto die Eisenbahn zu nutzen. Dies entspräche auch den Vorgaben des Projektes der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK) „BODANRAIL 2045“. Darin sei ein neues Zielkonzept für den Schienenpersonenverkehr im Bodenseeraum entwickelt worden.

Als langfristiges Resultat solle das Konzept für die Bevölkerung ein verbessertes, umweltfreundliches und leistungsfähiges Verkehrskonzept auf der Schiene für Berufs-, Ausflugs- und Einkaufsfahrten beinhalten.

Stern sieht umweltfreundliches Verkehrskonzept gefährdet

Stern sieht dieses Ziel durch die Planungen der Stadt als in höchstem Maße gefährdet an. Der städtebauliche Rahmenplan, so seine Kritik, berücksichtige in keiner Weise die sich aus den Zielsetzungen des BODANRAIL 2045 ergebenden Anforderungen an den Inselbahnhof. Der für die Mobilitätswende notwendige und politisch geforderte Ausbau des Fahrplanangebotes werde nicht berücksichtigt und könne ohne ausreichende Kapazitäten – wie sie im Inselbahnhof bereits vorhanden sind – nicht umgesetzt werden.

Den städtebaulichen Rahmenplan betrachtet er im Gespräch mit dem Wochenblatt als zu einseitig. Eine Querung zur Westlichen Insel könne auch bei Beibehaltung der Gleislängen im Bahnhofsbereich umgesetzt werden. Lediglich das Gleis 1 müsse eingekürzt und die Mauern abgerissen werden. Außerdem bestehe mit der neuen Thierschbrücke eine belastbare und robuste Verkehrsverbindung. Selbst wenn diese einmal wegen eines Unfalls gesperrt werden müsste, könne der Notfallverkehr immer noch über die Hafenmole zur Hinteren Insel gelangen.

Gleiskürzungen wenig fahrgastfreundlich

Stern: Man stelle sich vor, die Gleise endeten auf Höhe der ehemaligen Hauptpost. Fahrgäste müssten dann den rund 100 Meter langen Fußweg bis zum Bahnhofsgebäude zurücklegen. Dann folge ein Hindernis in Form eines Wohn-/Bürogebäudes auf dem frei werdenden Platz. Das sei wenig fahrgastfreundlich und stünde den Intensionen, den Schienenverkehr auszubauen und fahrgastfreundlicher zu machen, entgegen. Hinzu komme aus Sicht des Denkmalschutzes, dass die stadthistorische Einheit des seit 1853 bestehenden und 1921 weiter gebauten Ensembles „Bahnhof/Seehafen“ verloren ginge.

„Bahnknoten Lindau-Insel wird künftig entscheidende Rolle spielen“

Stern wird grundsätzlich: „Der Bahnknoten Inselbahnhof wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine entscheidende Rolle spielen“.

Weil die eingleisigen Zulaufstrecken Richtung Lindau (Friedrichshafen-Lindau, München-Lindau über Memmingen) keinen Zuwachs an Zugbewegungen möglich machten, müsse man mit längeren Zuggarnituren planen, die aber mit verkürzten Gleisen im Inselbahnhof nicht mehr abgefertigt werden könnten.

Problematisch seien zwischen Buchloe, Memmingen und Hergatz auch die wenigen Ausweichmöglichkeiten auf der gesamten Strecke, die besonders bei den fast schon üblichen Verspätungen gravierende Auswirkungen auf die Pünktlichkeit und somit auf die Fahrgastfreundlichkeit hätten. Stern: „Man hat einfach über die eingleisige Schienenverbindung einen Fahrdraht gespannt, mehr nicht“.

Ausbau der Anlagen am Haltepunkt Lindau-Reutin nicht realistisch

Der Verweis der Stadt Lindau auf den Haltepunkt Reutin sei kaum hilfreich, weil Reutin über keine weiteren Kapazitäten, was die Gleisbelegung angehe, verfüge. Ein weiterer Ausbau, wie ihn sich die Stadt dort erhoffe, sei zwar möglich, ob die Bahn ihn aber vornehmen werde, nachdem sie erst kürzlich den Bahnhalt neu gebaut habe, sei völlig offen. Und selbst wenn, würden darüber mindestens zehn oder noch mehr Jahre ins Land gehen.

Kostenfrage für den Rückbau offen

Stern sieht auch die Kostenfrage kritisch. Der Rückbau werde, nach eigener grober Schätzung, derzeit wohl bis zu zehn Millionen Euro kosten. Die Bahn habe aus heutiger Sicht wenig Interesse, diese Kosten zu übernehmen, weil für sie dadurch kein Mehrwert erkennbar sei. Folglich müsse die Stadt dafür aufkommen – aus heutiger Sicht angesichts hoher Schulden und leerer Kassen keine Option.

Aus Sicht der ÖBB sei zudem geplant, weitere Züge, wie z.B. den Railjet aus Wien, der bisher in Bregenz endet, bis zum Inselbahnhof zu verlängern. Weitere Verbindungen wie z.B. aus der Schweiz bis zur Insel seien in Planung.

Vorarlberg sieht Insel-Bahnhof künftig als Dreh- und Angelpunkt

Das sieht auch die Vorarlberger Landesrätin Mag. Daniela Zadra so. Sie betrachtet den Inselbahnhof künftig als „Dreh- und Angelpunkt“ für die Verknüpfung der Verkehre aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Auch sie verweist auf das IBK-Projekt BODARAIL 2045. Darin sei auch eine Verlängerung der heutigen S-Bahn-Linie St. Margrethen- Bregenz bis Lindau Insel vorgesehen. Dies decke sich auch mit dem 2019 von der Landesregierung beschlossenen Verkehrskonzept für den Zielhorizont 2030.

Die Vorarlberger Landesrätin bewertet die Kapazitäten am Haltepunkt Lindau-Reutin langfristig als nicht ausreichend, zu gering und zu wenig flexibel. Zadra sieht die Gefahr von Unregelmäßigkeiten und Verspätungen, ja sogar von sogenannten „Anschlussbrüchen“. Auch sie spricht von künftig verlängerten Zügen, ggf. mit drei statt einer oder zwei Garnituren, die im Inselbahnhof eine genügend lange Bahnsteigkante erfordern würden. Dies sei mit einer Gleiskürzung nicht zu realisieren.

Österreicher wollen weitere Züge zum Inselbahnhof führen

Sie spricht weitere künftig zusätzlich geplante Züge an, die von Bregenz weiter bis zum Inselbahnhof geführt werden könnten. Und stellt klar: „Es gibt nur wenige Relationen, bei denen heute die Bahnverbindung gegenüber dem PKW zeitlich so klar im Vorteil liegt, wie auf der Achse Schruns-Bludenz-Feldkirch-Dornbirn-Bregenz-Lindau“.

Sie resümiert, dass man mit einer Gleiskürzung im Inselbahnhof den Verlust der Qualität beim ÖPNV riskieren werde.

Der Fahrgast Verband ProBahn setzt noch einen drauf, …….dass der Bahnhalt Lindau-Reutin bereits im Fahrplanjahr 2021, also direkt nach der Aufnahme des elektrischen Betriebes auch im Nahverkehr auf der Strecke von München über Memmingen nach Lindau bewiesen habe, dass er seiner Knotenfunktion nicht gerecht werden konnte. Es sei in Reutin ein Kapazitätsengpass entstanden, der nicht  aufgelöst werden könne

Ausbau Bahnverkehr muss Vorrang vor Stadtplanung haben

Für Stefan Stern ist die Situation klar: Der Inselbahnhof müsse in vollem Umfang erhalten bleiben, die Erfordernisse eines zukünftigen Bahnverkehrs Vorrang vor den städteplanerischen Überlegungen der Stadt Lindau haben.

Und wird konkret: „Mit dem Beschluss des Projekts BODANRAIL 2045 am IBK-Strategiegespräch in Heiden im Juni 2022 rückt die gemeinsame Vision ein Stück näher. Der grenzüberschreitende Schienenpersonenverkehr im Bodenseeraum muss durch kürzere Reisezeiten, mehr Direktverbindungen und besser abgestimmte Anschlüsse attraktiver werden. Dazu bedarf es eines Inselbahnhofs mit allen acht Gleisen in voller Länge“.

Höchste Zeit für die Verkehrswende

Bleibt zu hoffen, dass der Bahnverkehr in und um Lindau, sowie in der gesamten Bodenseeregion die Beachtung und Würdigung erhält, die er verdient und auch dringend benötigt. Höchste Zeit dafür wäre es ja. Und an Lindau darf die Verkehrswende nicht scheitern! Kommunale Alleingänge und Planungen sollten da hintan gestellt werden.