Liest man die Reaktionen der Riedlinger Gemeinderatsfraktionen auf unsere Nachfrage, warum sich in Sachen Gewerbeförderung und Ansiedlung nichts tut, erweckt dies den Eindruck, dass so langsam eine gewisse Einsicht im Gremium einsickert. Vor drei Jahren berichtete Wochenblatt- Media über die wirtschaftliche Entwicklung in Oberschwaben. Im Vergleich mit Laupheim, Biberach, Ehingen, Bad Saulgau, Bad Schussenried und Bad Buchau, war Riedlingen die einzige Stadt, die seit 1999 einen Rückgang bei den Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aufwies.
Die Jahre sind vergangen und nun? Riedlingen hat als Stadt einwohnermäßig zugelegt. Zum 31.12.2021 zählte die Stadt 10.810 Einwohner, Ende 2024 waren es schon 11.332. Die Zahl der Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten „stieg“ dem gegenüber aber um lediglich eine Stelle auf 3.747 Stellen (Quelle: Agentur für Arbeit Nürnberg vom 22. April 2025). Das ist ein Jammer und kein Dauerzustand für die in Riedlingen lebenden Bürger, die noch im Erwerbsleben stehen. In Riedlingen haben im Saldo also noch immer rund 200 Menschen weniger einen versicherungspflichtigen Arbeitsplatz als 1999. Der große Unterschied besteht darin, dass Riedlingen damals noch deutlich unter 10.000 Einwohner hatte.
Es ist begrüßenswert, dass die Gemeinderäte sich jetzt kritisch mit dem Ist-Zustand auseinandersetzen und eigene Ideen entwickeln. So haben Matthias Scheible und seine CDU erkannt, dass die Stelle der Wirtschaftsförderung im jetzigen Zuschnitt gestrichen werden kann. Viel Geld wurde in den letzten 10 Jahren für diese Stelle ausgegeben, herausgekommen ist kein zählbarer Erfolg. Die Fraktionen stellen sich auch die Frage, ob Riedlingen im Wettbewerb gegenüber anderen Kommunen attraktiv und wettbewerbsfähig genug sei. Offensichtlich nicht! Damit aber bescheinigen sich die altgedienten und langjährigen Ratsmitglieder selbst eine schlechte Note, waren sie doch schon lange als Entscheidungsträger mit an Bord. Eine zielgerichtete und entschlossene Wirtschaftsförderung gab es in den letzten 45 Jahren nie. Schon 1987 forderte Franz Selg, damaliger Vorsitzender des ehemaligen Handels- und Gewerbevereins (HGR), mehr Engagement und Willen, dies leider ohne Folgen.
Jetzt hat die Stadt den Salat. Immer mehr Einwohner und im Vergleich dazu immer weniger attraktive Arbeitsplätze. Ob die neu aufflammende Straßendiskussion weiterhilft? Eher nicht. Hannes Widmann, Fraktionsführer der SPD, hatte in seiner Haushaltsrede beklagt, dass Riedlingen wirtschaftlich hinter Mengen und Bad Saulgau zurückgefallen sei. Man könnte frech fragen, hinter wen nicht? Doch rein sachlich gesehen, ist die Straßentheorie eine Phantomdiskussion. Sie überlagert, dass beispielsweise Bad Saulgau und Mengen noch schlechtere Verkehrsanbindungen haben und bei der Wirtschaftsförderung trotzdem erfolgreich sind, zumindest deutlich erfolgreicher als das stagnierende Riedlingen. Es geht also, wenn man nur will. Abgesehen davon stellt sich die grundsätzliche Frage, ob deutschlandweit gesehen, die Straßenanbindungen und Fahrzeiten vom Bodensee oder Ravensburg kürzer sind, als von Riedlingen aus, das am Schnittpunkt zweier Bundestraßen liegt.
Die Gemeinderäte wären gut beraten, sich auf neue Wege zu begeben. Von den Besseren lernen, wäre ein Ansatz. Warum nicht mal bei den erfolgreicheren Kommunen Ratschläge einholen? Wird der Wille und die notwendige Energie zu einem Erfolg bei der Wirtschaftsförderung nicht freigesetzt, dann nützen alle Anstrengungen, auch die, sich digital stärker aufzustellen, buchstäblich nichts.
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