Am Donnerstag, 25. Juli, findet ab 18.30 Uhr im Café Bochtler im Ärztehaus (Spitalstraße/Klinge) eine Mitgliederversammlung der Bürgerinitiative (BI) zum Erhalt des Riedlinger Krankenhauses statt. Neben weiteren Tagesordnungspunkten steht eine Vereinsauflösung zur Debatte.
Gut 12 Jahre nach der Vereinsgründung sieht sich die Vorstandschaft der BI am Ziel ihrer Arbeit. Mit dem Betrieb des Ärztehauses auf der Klinge und dem Beschluss des Gemeinderates, das Ambulant-Medizinische-Dienstleistungszentrum (AMD) zu verwirklichen, hat die BI praktisch alle noch machbaren Ziele erreicht, für die sie angetreten war und gegründet wurde.
Unterschriften für den Erhalt des Krankenhauses
Der Kampf um eine gute Gesundheitsversorgung in Riedlingen begann schon im Herbst 2010. Schon im Vorfeld einer Informationsveranstaltung des Landkreises zur „Fortentwicklung der Kliniken im Landkreis Biberach“, die am 16. November 2010 stattfand, sammelte die damalige VDK-Ortsverbandsvorsitzende Ursula Craemer mit Ingrid Held, Unterschriften für den Erhalt des Riedlinger Krankenhauses. Wertvolle Unterstützung erhielten sie von Otto Panzer. Am Schluss waren über 7000 Unterschriften gesammelt, die Landrat Dr. Heiko Schmid übergeben wurden.
Die Veranstaltung in der Aula des Kreisgymnasiums war so gut besucht, dass die Veranstaltung sogar in die Cafeteria des Kreisgymnasiums übertragen werden musste. Der Landrat hatte an diesem Abend einen schweren Stand, die Besucher der Veranstaltung machten deutlich, dass sie sich nicht so einfach „ihr“ Krankenhaus wegnehmen lassen wollten.
Erste Gespräche mit dem Landratsamt
Bereits 2011 begannen hinter verschlossenen Türen Gespräche von Riedlinger Aktivisten mit dem Landratsamt. Ziel war es, auszuloten, ob und unter welchen Bedingungen das Krankenhaus erhalten werden könnte. Die teils mühsamen und emotional belasteten Gespräche führten leider immer wieder ins Leere. Ursula Craemer war treibende Kraft, dass der Gesprächsfaden mit dem Geschäftsführer der Kliniken (Ralf Miller) nie abriss.
So fand beispielsweise am „Glompigen Donnerstag“ im Schwesternwohnheim ein Gespräch der Aktivisten mit Miller statt. Leider liefen die Argumente und auch der Verweis auf die Bedeutung der Gesundheitsversorgung für das gesamte Einzugsgebiet Riedlingens, bis tief hinauf zur Zwiefalter Alb, ins Leere.
Die BI wurde gegründet
Immer mehr engagierte Personen aus allen Bevölkerungsschichten scharten sich um Craemer. Am Ostermontag 2012 riefen sie zu einer Menschenkette um das Krankenhaus auf. Rund 2000 Bürger der Region folgten dem Aufruf und setzten ein Zeichen für „ihr“ Krankenhaus. Dieser Erfolg beflügelte die Aktivisten und schon wenige Tage später fand die die Gründungsversammlung der Bürgerinitiative für den Erhalt des Riedlinger Krankenhauses im Riedlinger Kino statt. Die Versammlung bestimmte Dr. Hartmut Pernice zum Vorsitzenden, Pfarrer Walter Stegmann als seinen Stellvertreter. Als Beisitzer wurden Dr. Hans-Peter Schreijäg, Dr. Stefan Hundenborn, Michael Laupheimer und Markus Mark gewählt.
Der Verein setzte einerseits mit einem Rockkonzert auf dem Wochenmarkt, ebenso einen Akzent nach außen, wie bei der Mahnwache vor dem Krankenhaus, die bei bitterer Kälte im Dezember 2012 stattfand. Die Mahnwache war ein deutliches Zeichen der Verbundenheit von der BI mit den Mitarbeitern des Krankenhauses. In vielen Gesprächen versuchte die BI eine Basis für eine weiterhin gute Gesundheitsversorgung in Riedlingen zu erreichen.
Die Vorstandschaft musste bald erkennen, dass es sich bei ihren Bemühungen um keinen Mittelstreckenlauf handelte, sondern sich als schwerer und zäher Langstreckenlauf entwickelte, der eine extreme Ausdauer verlangte. Die Begeisterung der Anfänge wurden oft genug von Enttäuschungen in den Gesprächsergebnissen überlagert. Die aufkeimende Hoffnung, die nach dem Wechsel in der Rathausspitze aufkam, entpuppte sich als Wunschdenken. Dem Wunsch nach Gestaltung durch die BI stand die Vorsicht einer Verwaltung entgegen.
Schließung der Geburtshilfe 2013
Mit der Schließung der Riedlinger Geburtshilfe im Sommer 2013, begann der „Ausverkauf“ des Krankenhauses. Während sich Großeltern, Eltern mit Kindern zum Krankenhaus aufmachten, um dem Personal in dieser schweren Stunde beizustehen, war von der Stadt, dem Landratsamt und dem Kreistag niemand persönlich vor Ort.
Hoffnungsvoll wurde ein von Prof. Alfons Runde (SRH-Fernhochschule) entwickeltes Konzept zur Zukunft der Gesundheitsversorgung in der Stadt aufgenommen. Das Konzept beinhaltet einerseits eine Verzahnung von ambulanten und stationären Strukturen, zudem die Möglichkeit für Kooperationen mit Fachärzten und die Integration von Dienstleistern im Gesundheitsbereich. Das Konzept beschäftigte ab diesem Zeitpunkt den Gemeinderat, die Verwaltung und auch die BI.
Mit Christoph Selg und Axel Henle kam im Mai 2015 neuer Schwung in die BI. Selg und Henle wurden als neue Vorsitzende gewählt. Als Vorstandsmitglieder wurden Dorothea Kraus-Kieferle, Ursula Craemer, Markus Mark und Hans-Peter Schreijäg bestätigt. Das erklärte Ziel der Vorstandschaft war klar, das „Runde-Konzept“ sollte unter allen Umständen verwirklicht werden. Einen echten Tiefschlag musste die BI im Frühjahr 2016 einstecken, als Ursula Craemer viel zu früh verstarb. Noch vom Krankenbett aus kämpfte sie mit einer bewundernswerten Energie für eine gute Gesundheitsversorgung in Riedlingen.
2016 wurde Alexander Leitz als externer Wirtschaftsförderer für Riedlingen bestellt. Neben Wirtschaftsthemen beschäftigte er sich auch mit dem Thema Gesundheitsversorgung.
Sozialministerium gibt den Plänen eine Chance
2017 herrschte Erleichterung bei der BI, das Sozialministerium hatte dem geplanten Gesundheitszentrum mit stationären Betten in Kooperation mit niedergelassenen Fachärzten eine Chance eingeräumt. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte noch Einigkeit im Rat beim Thema Gesundheitsversorgung, einzig der Standort für das Gesundheitszentrum war noch nicht geklärt.
2018 wollten St. Elisabeth und Sana noch ein Krankenhaus bauen, dies stellte sich jedoch als Luftblase heraus. Auch von der Wirtschaftsförderung kamen ungute Nachrichten. Leitz bat um Aufhebung seines Vertrages, weil er keine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat mehr sah. Damit gab er auch, zur Besorgnis der BI, die Betreuung des Projektes Ärztehaus auf.
Zoff statt Zielgerade
Die BI warb weiter für das „Runde-Konzept“ und ihre Gesprächserfolge sorgten 2020 für Zoff zwischen dem Landratsamt und der Stadt. Das Landratsamt war davon ausgegangen, dass ein Ärztehaus auf dem Krankenhausareal entstehen würde. Vom Landkreis war dazu im April 2020 eine Projektstudie in Auftrag gegeben worden. Demnach wurde für ein Ärztehaus nach dem „Runde Konzept“ ein hohes Defizit im einstelligen Millionenbereich prognostiziert.
Eine Umsetzung schien damit nicht mehr erreichbar. Doch die Verwaltungsebenen hatten die Rechnung ohne die BI aufgemacht. Mit viel Überzeugungsarbeit konnte diese in kurzer Zeit Ärzte und Therapeuten gewinnen, die bereit waren, sich finanziell zu engagieren und den Bau selbst zu stemmen. Von den Investoren wurde aber die Klinge als Standort bevorzugt. Während das Krankenhaus zur Jahresmitte endgültig geschlossen wurde, bot sich damit eine neue Chance für die Stadt, allerdings ohne Beteiligung und Mitwirken der Verwaltung.
Der jahrelange Stillstand bei der Projektentwicklung wurde mit dem privaten Engagement durchbrochen, die jahrelange Hängepartie beendet. Parallel arbeiteten die Beteiligten an einem von der BI schon frühzeitig geforderten Konzept zur Ambulantisierung, die als ablösende Strukturen für das geschlossene Krankenhaus vorangebracht werden sollte.
Dieser wichtige Baustein steht nun kurz vor der Umsetzung. Der stark wachsende Zukunftsmarkt der ambulanten Operationen kann nun in Riedlingen stattfinden. Dies bietet eine Riesenchance für Riedlingen und die Versorgung für die Menschen vor Ort, denn künftig werden immer mehr Leistungen ambulant durchgeführt, die bisher nur stationär erfolgten.
Richtfest als Auftakt für die Gesundheitsversorgung von morgen
Im Sommer 2022 konnten die Investoren das Richtfest beim Ärztehaus auf der Klinge feiern. Henle und Dr. Sebastian Jung bedankten sich bei der BI für deren Unterstützung. Dem Bau des Ärztehauses sollte sich zeitnah ein Ambulant Medizinisches Dienstleitungszentrum mit OP-Sälen und Betten anschließen. Bis Mitte 2022 wollte die Stadt dieses Projekt selbst stemmen. Doch im Gemeinderat gab es dazu zwei konkurrierende Meinungen. Die Skeptiker wollten mit einer Ausschreibung eine Verwirklichung durch Investoren.
Mit Mehrheit der Skeptiker und von der Verwaltung unterstützt wurde eine Ausschreibung für Investoren beschlossen, sie endete am 23. Dezember 2022. Damit verbanden die Ratsmehrheit und die Verwaltung die Hoffnung, dass sich mehrere Investoren melden würden. Knapp zwei Jahre nach der erfolgten Ausschreibung wurde nun das AMD vor wenigen Wochen mit Ratsmehrheit beschlossen. Gemeldet hatte sich allerdings nur ein Investor.
Das Ärztehaus auf der Klinge nahm Mitte 2023 seinen Betrieb auf, der Zulauf an Patienten in die verschiedenen Praxen und zu den medizinischen Dienstleistern zeigt, wie groß der Bedarf in der Region an dieser Form der Gesundheitsversorgung ist.
Die BI hat über einen langen Zeitraum eine unglaubliche Zähigkeit an den Tag gelegt und es ist ihr letztlich trotz vieler Hindernisse gelungen, eine Gesundheitsversorgung für Riedlingen zu erreichen, um die sie andere Städte, die auch ihre Kliniken verloren haben, mittlerweile beneiden. Wenn sich die Initiative nun auflöst, dann können die Mitglieder dankbar dafür sein, dass die unter den Umständen die bestmögliche der noch machbaren Gesundheitsversorgung für Riedlingen und das Einzugsgebiet geschaffen wurde.