Fragen zur Bundestagswahl 2025 Herausforderungen für die Sicherheits- und Außenpolitik

Herausforderungen für die Sicherheits- und Außenpolitik
Wahlkreis Biberach: Die Bundestagskandidaten Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/ Die Grünen), Martin Gerster (SPD) und Wolfgang Dahler (CDU) stellten sich den Fragen der Redaktion. (Bild: picture alliance / Eibner-Pressefoto | EIBNER/DROFITSCH/picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress/Wolfang Dahler CDU)

Die Welt gerät scheinbar aus den Fugen. Brennpunkte sind derzeit der Krieg in der Ukraine, der Konflikt im Nahen Osten, die Spannungen in Korea, das zunehmend aggressive Veralten der Chinesen. Aber auch der neue Kurs der USA unter Trump sorgt schon nach kürzester Zeit für Wirbel in der Außen- und Sicherheitspolitik, wie beispielsweise die Überlegungen für eine Umsiedlung der Palästinenser im Gazastreifen, sowie die Trumpschen Fantasien um eine Annektierung von Grönland und Kanada.

Zu Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik befragten wir Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen), Martin Gerster (SPD) und Wolfgang Dahler (CDU), die als aussichtsreichsten Kandidaten für ein Bundestagsmandat im Wahlkreis Biberach gelten.

China erobert die Welt, ohne einen Schuss abzugeben, so z. B. mit der Neuen Seidenstraße, ihrem dominierenden Einfluss in Afrika und ihrer wirtschaftlichen Expansion in Südamerika. Welche Strategie braucht es, um Chinas Einfluss auf immer mehr Länder zu begrenzen?

Dahler: „Mit China stehen wir zunehmend in einer Systemkonkurrenz. China positioniert sich immer stärker gegen die demokratischen Staaten und expandiert seinen Einflussbereich weltweit, in dem es etwa Schwellen- und Entwicklungsländer in Abhängigkeiten verwickelt.

Wir müssen als Bundesrepublik, aber auch als Europäische Union, China selbstbewusst begegnen. Wir sind Handelspartner, aber gleichzeitig stehen nur wir für Demokratie und Menschenrechte.

Die Union will unsere Entwicklungspolitik mit der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, dem Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, dem wirksamen Stopp illegaler Migration, der Bekämpfung von Terrorismus und der Zurückdrängung des geopolitischen Einflusses von China und Russland verknüpfen. Hier ist eine stärkere europäische Absprache notwendig. Wir müssen Abhängigkeiten von China verringern.“

Reinalter: „Mit der ersten China-Strategie der Bundesregierung haben wir der deutschen China-Politik notwendige Leitplanken für die Zusammenarbeit mit China verliehen. Diese folgen klaren Regeln und sind sicher und fair gestaltet. Nun gilt es die Strategie konsequent gemeinsam mit unseren europäischen Partnern umzusetzen und weiterzuentwickeln. Dazu zählt auch das sogenannte De-Risking: Dabei wollen wir einseitige und risikoreiche Abhängigkeiten von China abbauen und unsere Handelsbeziehungen breiter aufstellen, um wirtschaftliche Stabilität und politische Handlungsfreiheit langfristig zu gewährleisten. Daher werden wir auch unsere Zusammenarbeit mit Partnerstaaten im Indopazifik, insbesondere in den Bereichen Sicherheit, Handel, Klima, Wissenschaft und Technologie stärken.

Darüber hinaus freut es mich, dass auch das Thema Wissenschaft in der China-Strategie berücksichtigt wurde und klare Leitplanken für Forschungskooperationen zwischen Deutschland und China gesetzt werden.“

Gerster: „Peking ist kein einfacher Partner. Die SPD unterstützt die Umsetzung der ersten deutschen China-Strategie und setzt sich für eine europäisch abgestimmte China-Politik ein. In der EU definieren wir China als Partner, Wettbewerber und Systemrivalen. Die Volksrepublik ist zu einer führenden globalen Gestaltungsmacht aufgestiegen, ohne deren Mitwirkung globale Herausforderungen wie der Klimawandel, Fragen der Rüstungskontrolle und der Nichtverbreitung von Atomwaffen sowie die Verschuldungskrise in Ländern des Globalen Südens nicht zu lösen sind.

Nach außen tritt China immer selbstbewusster und auch aggressiver auf. Etwa indem es seine Machtansprüche in seiner Nachbarschaft immer wieder deutlich macht. Auch unterstützt China Russland. Das betrifft die europäische Sicherheit. Der Aufstieg Chinas bedarf einer besonnenen und gemeinsamen europäischen Chinapolitik.

Europa muss seine geopolitische Macht nutzen und mit einer europäischen Stimme für seine Interessen und Werte sprechen. Mit den Ländern des globalen Südens müssen wir enger zusammenarbeiten, um Grundlagen für Chinas Einflussnahme in diesen Ländern abzubauen. Gleichzeitig müssen wir in kritischen Bereichen wirtschaftlich unabhängiger werden.“

Fällt die Ukraine, ist nach übereinstimmenden Meinungen von Sicherheitsexperten das Expansionsstreben von Putin noch lange nicht gestillt er „träumt“ von einem Großrussland das bis zum Atlantik reicht. Wie kann das verhindert werden?

Dahler: „Putin hat mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine unsere europäische Friedensordnung, die es seit dem Zweiten Weltkrieg gibt, angetastet. Sich die Ukraine einverleiben zu wollen, ist das erklärte Ziel Putins, was dem Wertekonstrukt der westlichen Welt widerspricht und die Sicherheit von Staaten und Ländergrenzen insgesamt infrage stellt. Darum müssen wir die Ukraine auf allen Ebenen, auch mit Waffen unterstützen, damit sie dieser Aggression standhalten und am Verhandlungstisch eine bestmögliche Ausgangsposition für einen Frieden einnehmen kann. In Putins Namen werden seit dem Überfall zahllose Kriegsverbrechen begangen. Eine klare Absage ist der Forderung zweier Parteien in Deutschland nach einer Normalisierung der Beziehungen zu Putins Russland zu erteilen.

Wir müssen als NATO-Verteidigungsbündnis zeigen, dass wir jederzeit verteidigungsbereit und -fähig sind und damit glaubhaft den Aggressor abschrecken. Dazu gehört auch eine schnelle Ertüchtigung der Bundeswehr und die Einführung einer aufwachsenden Wehrpflicht. Das bedeutet, dass aus dem Kreis der Gemusterten diejenigen, die tauglich sind und dies wollen, zum Grundwehrdienst eingezogen werden.“ 

Reinalter: „Um den Frieden in Europa wiederherzustellen und zu erhalten sind Diplomatie und Kooperation, ebenso wie Widerstands- und Wehrfähigkeit erforderlich. Dafür braucht es eine europäische Kraftanstrengung. Die EU ist das erfolgreichste Friedensprojekt der europäischen Geschichte. Sie ist unsere Lebensversicherung für Frieden und Sicherheit, deshalb wollen wir Grüne die EU stärken. Als größtes und wirtschaftlich stärkstes Land tragen wir dafür besondere Verantwortung. Gemeinsam gilt es, Frieden in Freiheit neu zu sichern. Neben der EU ist die NATO ein unverzichtbarer Akteur, der die gemeinsame Sicherheit Europas garantieren kann und der als Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Daher wollen wir auch die Kooperation von Streitkräften innerhalb der EU und NATO beispielsweise durch ständige multinationale Einheiten zur Regel machen.“

Gerster: „Die wichtigste Maßnahme gegen ein solches Szenario ist unsere diplomatische, militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine – so lange wie nötig. Die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine müssen gewahrt bleiben. Zur Verteidigung der Ukraine und zur Sicherung des Friedens in Europa unterstützen wir die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte und die Lieferung von Waffen und Ausrüstung mit Besonnenheit und Augenmaß. Denn für uns gilt dabei immer, dass Deutschland und die NATO nicht selbst zur Kriegspartei werden. Wir begrüßen ausdrücklich Friedensinitiativen, wie sie vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj angestoßen wurden. Die Souveränität der Ukraine und ihr legitimes Sicherheitsinteresse müssen in Verhandlungen dauerhaft garantiert werden. Deutschland muss dabei bereit sein, eine konstruktive Rolle bei der Vermittlung und Umsetzung einzunehmen. Unser langfristiges Ziel ist eine funktionierende Sicherheits- und Friedensordnung für Europa.

Und, Wir werden mehr Geld für unsere Sicherheit ausgeben. Das Sondervermögen für die Bundeswehr war ein erster wichtiger Schritt. Unsere Verteidigungsausgaben haben wir nach Jahren des Abbaus auf mehr als zwei Prozent des BIP gesteigert. Wir setzen uns daher auch zukünftig für eine nachhaltige Verteidigungsfinanzierung von mindestens zwei Prozent des BIP ein. Die Mittel werden wir für die nachhaltige Modernisierung der Bundeswehr einsetzen, damit die Soldatinnen und Soldaten ihre Aufgaben bei Auslandseinsätzen und in der Bündnis- und Landesverteidigung dauerhaft und voll umfänglich erfüllen können.“

Den hybriden Krieg gegen die EU und Deutschland hat Putin schon längst eröffnet (Sabotageakte, Ausspähungen durch Drohnen, Beschädigungen von Seekabeln etc.) Welche Vorkehrung müssen dagegen dringend ergriffen werden?

Dahler: „Der Schutz der Infrastruktur muss weiter und verstärkt im Fokus unserer Sicherheitsbehörden stehen. In Zukunft müssen wir bei der Installation von Internetleitungen, Bahntrassen und Energienetzen die Bedrohungen und den Schutz bereits mitdenken. Die Ampelregierung hat es versäumt, die Europäische Cybersicherheitsrichtlinie NIS-2 -wie vereinbart- bis zum Herbst 2024 umzusetzen. So können die Betreiber kritischer Infrastruktur nicht planen und setzen sich einem Risiko aus.

Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag hatte bereits im Juni 2024 Vorschläge zu mehr Cybersicherheit gemacht und die schnelle Umsetzung von NIS-2 gefordert, was mit der Ampel-Mehrheit im Bundestag abgelehnt wurde. Hier müssen wir dringend nachlegen. Täglich werden viele Unternehmen und Behörden über das Netz angegriffen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik muss gestärkt werden und Lagebilder zur Cybersicherheit zur Verfügung stellen können, damit wir besser gewappnet sind.“

Reinalter: „Die Anzeichen einer Intensivierung der hybriden Kriegsführung gegen Deutschland und Europa haben sich gemehrt. Mit dem KRITIS-Dachgesetz haben wir bereits einen Grundstein zum Schutz unserer kritischen Infrastruktur gelegt. Darauf wollen wir aufbauen und unsere innere und äußere Sicherheit noch stärker zusammendenken.

Darum wollen wir unsere Sicherheitsbehörden stärken und Bundespolizei, das BKA und die Nachrichtendienste des Bundes dafür mit ausreichend Personal, Technik und – sofern geboten – rechtsstaatlich sicheren Befugnissen ausstatten, damit sie Gefahren rechtzeitig erkennen und entgegenwirken können. Der Militärische Abschirmdienst soll seine Aufgaben besser wahrnehmen und die Angehörigen der Bundeswehr weltweit gut schützen können. Dabei wollen wir auch die europäische Zusammenarbeit durch die Gründung einer Europäischen Nachrichtendienstagentur verbessern.“

Gerster: „Wir werden unsere kritische Infrastruktur schützen, die Cybersicherheit stärken und unser Land vor hybrider Kriegsführung und Sabotage durch feindliche Akteure verteidigen müssen. Als SPD wollen wir unser Land noch besser wappnen gegen hybride Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur und vor Desinformationskampagnen.

Dafür werden wir Kommunen, Länder, den Bund, kommunale Versorger und die Betreiber kritischer Infrastruktur besser miteinander verzahnen und dafür auch die Vorsorge- und Sicherstellungsgesetze aktualisieren und anpassen. Wir müssen umfangreich in unsere Sicherheit investieren. Zudem wollen wir eine Stärkung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden zur Cyberabwehr. Ein zentraler Schritt ist hierbei das KRITIS-Dachgesetz, das bundeseinheitliche und sektorenübergreifende Vorgaben für den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) einführt. Damit gewährleisten wir die Versorgungssicherheit unserer Gesellschaft mit lebenswichtigen Dienstleistungen.“

Präsident Donald Trump ist ein unberechenbarer Partner. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um sich außen- und sicherheitspolitisch von den USA zu emanzipieren?

Dahler: „Die USA waren, sind und bleiben unser wichtigster Verbündeter außerhalb Europas. Wir teilen gemeinsame Werte und Interessen, uns verbindet eine lange Freundschaft. Das muss auch so bleiben.

Die NATO mit ihren Fähigkeiten und der Vernetzung innerhalb der Mitgliedstaaten ist und bleibt der Garant für unsere Sicherheit. Hier sollten wir uns nicht verunsichern lassen. Die Europäische Union sollte aber stärker zusammenarbeiten, wenn es zum Beispiel um gemeinsame Ausrüstungsprojekte bei der Verteidigung geht. Es kann viel Effizienz gewonnen und Geld gespart werden, wenn nicht jedes europäische Land seine eigenen Systeme herstellt, sondern wenn man standardisierte Ausführungen gemeinsam produziert und betreibt.

Wir kennen Präsident Trump schon aus seiner ersten Amtszeit. Wir sollten uns nicht verunsichern lassen. Ebenso wie wir Trump als amerikanischer Präsident mit Respekt begegnen, sind wir Europäer uns auch unserer Markt- und Innovationskraft bewusst und sollten uns geeint präsentieren.“

Reinalter: „Die USA sind Europas zentraler Partner bei globalen Krisen und Konflikten. Trotz aller Unterschiede verbinden uns gemeinsame Werte, Interessen sowie tiefe kulturelle, historische und gesellschaftliche Bande.

Durch den Wahlsieg Trumps stehen wir in Deutschland und der EU vor erheblichen Herausforderungen. Wir haben jedoch die Erfahrung und die Mittel, um uns gegen handelspolitische Drohungen von Trump zu wehren. Wir müssen auch darauf vorbereitet sein, dass wir verstärkt aus eigener Kraft unsere Sicherheit und die der Ukraine garantieren müssen. Unsere Antwort auf Trump muss lauten: Europe United!“

Gerster: „Die Wiederwahl Trumps stellt Europa und Deutschland vor Herausforderungen. Wie unberechenbar er agieren kann, hat er in den ersten zwei Wochen seiner zweiten Amtszeit leider täglich gezeigt. Dennoch sind die USA unser engster außereuropäischer Partner. Das transatlantische Verhältnis ist zentral für die europäischen und deutschen Außenbeziehungen. Wir stehen bereit, diese enge transatlantische Kooperation fortzusetzen. Die Zeitenwende durch den russischen Angriffskrieg hat zuletzt den Wert des transatlantischen Bündnisses noch mal verdeutlicht.

Gleichzeitig wird aber die Notwendigkeit deutlich, Europa auch sicherheitspolitisch selbstständiger aufzustellen. Dafür braucht es umfangreiche Investitionen in Deutschland, um einerseits die Bundeswehr weiter zu ertüchtigen und andererseits unser Land auch wirtschaftlich fit für die Zukunft zu machen, und eine starke Europäische Union. Denn: Ein wirtschaftlich erfolgreiches, innovatives, starkes Europa ist unsere Antwort auf die globalen Herausforderungen, die sicherheits- und wirtschaftspolitischen Veränderungen, und den Druck, dem sich die Demokratien dieser Welt durch Populisten und Autokraten gegenübersehen. Wenn wir mit einer Stimme sprechen, sind wir stark genug, um unseren Werten und Interessen in der Welt Gehör zu verschaffen.“