Damit hat in Berlin so schnell wohl kaum einer gerechnet. Die umstrittene Regelung von Bundes-Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) zu den Grenzkontrollen wird durch ein Gerichtsurteil in Frage gestellt. Konkret: Die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet ist nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts rechtswidrig. Das Gericht entschied, dass Abweisungen ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens nicht vorgenommen werden dürfen. Im konkreten Fall ging es um drei Somalier, die nach der neuen Regelung am 9. Mai von Frankfurt (Oder) aus nach Polen zurückgeschickt wurden. Die Bunderegierung hält ersten Stellungnahmen zufolge, zumindest vorerst an der jetzigen Praxis fest.
Wir baten die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Biberach um die Einschätzung zu diesem Urteil.
Gerster: „Gespräch mit Dobrindt notwendig“
Der Biberacher Martin Gerster (SPD) sieht einen Klärungsbedarf: „Wir als SPD-Fraktion haben immer deutlich gemacht, dass die eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Rechtssicherheit für ihre Arbeit benötigen. Das war für uns immer das Maß der Dinge. Wir werden mit Bundesinnenminister Dobrindt besprechen, wie die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag entsprechend umgesetzt werden können. Die Erlasslage des Ministeriums und die Verfügungen des Präsidenten der Bundespolizei müssen zweifelsfrei mit Europarecht, deutschem Recht und unserem Anspruch, Schutzsuchenden zu helfen, vereinbar sein. Ich bin mir sicher, gemeinsam bekommen wir das hin.“
Reinalter: „In Wahrheit eine Politik der Grenzblockaden“
Deutlich kritischer äußert sich Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen): „Das Berliner Verwaltungsgericht hat unmissverständlich klargestellt: Die pauschale Zurückweisung von Asylsuchenden direkt hinter der Grenze ist rechtswidrig. Das ist ein wichtiger Sieg für den Rechtsstaat – und ein Denkanstoß für Merz und Dobrindt, die sich seit Wochen weigern, die rechtlichen Grundlagen ihrer Grenzblockaden deutlich zu benennen. Damit ist die Politik der Bundesregierung in diesem Bereich nicht mehr haltbar.“
Reinalter geht in ihrer Einschätzung noch einen Schritt weiter: „Die sogenannte Grenzpolitik der Bundesregierung ist in Wahrheit eine Politik der Grenzblockaden. Sie blockiert nicht nur das Asylrecht, sondern auch Menschen im Alltag – Pendlerinnen und Pendler, Familien, Unternehmen – und untergräbt die europäische Zusammenarbeit. Statt symbolischer Härte braucht es funktionierende europäische Lösungen: mobile Kontrollen im Hinterland, klare Verfahren an den Außengrenzen und echte Kooperation mit unseren Nachbarstaaten.“
Dahler: „Rechtssicheres Vorgehen notwendig“
Wolfgang Dahler (CDU) ist zuversichtlich, dass eine haltbare Begründung für die Zurückweisungen gefunden wird:„Innenminister Alexander Dobrindt hat angekündigt, das Grenzmanagement wie bisher fortzuführen. Ich gehe davon aus, dass tiefergehende Begründungen folgen werden, warum die Zurückweisung auch von Asylsuchenden durch die Bundesrepublik für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit notwendig ist. Für das politisch richtige Ziel, die irreguläre Migration zu reduzieren, ist natürlich ein rechtssicheres Vorgehen notwendig.“