Wie in der Presse bekannt wurde, warf Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (Vorsitzender der Innenministerkonferenz der Länder) Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor, die Bevölkerung mit markigen Sprüchen über das eigene Nichtstun zu täuschen.
Stübgen plädierte für die Abschiebung schwerkrimineller Flüchtlinge nach Syrien und Afghanistan. Er sei der Meinung, dass Deutschland „in dieser Frage gar nichts mache“. Weiter führte er den Berichten zufolge aus: „Kraftvolle Sprüche von Bundeskanzler und Innenministerin sind gut und schön, aber sie frustrieren die Bevölkerung noch mehr, wenn diese merkt, dass auf Worte keine Taten folgen und ihr nur etwas vorgemacht worden ist.“ Ähnlich verhalte es sich mit Afghanistan. „In Afghanistan gibt es keine einigermaßen berechenbare Ordnungsstruktur“, räumte Stübgen ein. „Aber es gibt mannigfaltige Kontakte, etwa bei der Überweisung von deutschen Hilfsleistungen über immerhin 400 Millionen Euro. Es werden zudem Afghanen bei uns aufgenommen, etwa im Rahmen von Sonderaufnahmeprogrammen. Wenn das so ist, dann können über diplomatische Kontakte auch Rückführungen organisiert werden.“
Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) wirbt für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. „Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er beispielsweise aus Afghanistan kommt“, sagte der Sprecher der SPD-geführten Länder in der IMK der Nachrichtenagentur dpa. Hier wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.
Wir baten die Bundestagsabgeordneten der Region um ihre Reaktionen und Einschätzung dieser Berichte.
Martin Gerster (SPD): „Für Ausweisungen sind die Bundesländer zuständig“
Gerster verteidigt den Kanzler und lobt zugleich Bundesinnenministerin Faeser: „Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Deutschen Bundestag deutlich gemacht: Jede und jeder muss in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können. Das ist das zentrale Versprechen unseres Rechtsstaats. Und dieses Versprechen setzen wir um, bei der Reduzierung irregulärer Migration wie bei konsequenten Abschiebungen.
Die Ampel-Koalition hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die bereits Wirkung zeigen. So gehen die Zahlen irregulärer Migration bereits sichtbar zurück. Wir haben für eine deutliche Beschleunigung von Asylverfahren gesorgt, damit schnell entschieden wird, ob jemand bleiben darf oder Deutschland wieder verlassen muss. Der Bund unterstützt diese Beschleunigung zusätzlich sowohl personell als auch finanziell. Mit einer Rückführungsoffensive, insbesondere für Straftäter und Gefährder, sorgen wir dafür, dass diejenigen ohne begründeten Schutz oder ein Bleiberecht Deutschland wieder verlassen müssen. Wir haben die Liste sicherer Herkunftsländer erweitert. Und, die von Olaf Scholz geführte Bundesregierung verhandelt intensiv mit weiteren Ländern, damit bei uns ausreisepflichtige Personen aufgenommen werden. Der Bund setzt die Vereinbarungen mit den Ländern um und hat den Ländern erweiterte Instrumente für konsequentere Rückführungen an die Hand gegeben. Denn für Ausweisungen sind die Länder zuständig. Statt dem Bund Untätigkeit oder irgendwelche Versäumnisse vorzuwerfen, sollten die eigenen Aufgaben konsequent angegangen werden. Das gilt auch für den baden-württembergischen Innenminister von der CDU (Thomas Strobl).
Manche Maßnahmen wie die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) werden erst noch ihre Wirkung entfalten. Beim GEAS haben wir endlich eine europaweite Verständigung erzielt. Das ist der Verdienst von Bundeskanzler Olaf Scholz und vor allem auch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Sie hat in schwierigen Verhandlungen durchgesetzt, woran ihre CDU- und CSU-Amtsvorgänger alle gescheitert sind. Das GEAS ist der Schlüssel, um Migration insgesamt zu steuern und zu ordnen und irreguläre Migration zu begrenzen. Mit einem dauerhaften und verbindlichen Solidaritätsmechanismus stellen wir zudem sicher, dass sich künftig alle EU-Staaten solidarisch beteiligen müssen.“
Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen): „Migration und Islamismus erfordern differenzierte Antworten“
Auf die Komplexität des Themas wies die Abgeordnete Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen) hin: „Ich halte nichts von einfachen Antworten in komplexen Debatten. Die Themen Migration und Islamismus in Deutschland erfordern differenzierte Antworten.
Es ist richtig und gesetzlich verankert, dass Ausländer, die schwere Straftaten begehen, das Land verlassen müssen. Im Fall von Afghanistan wären hierfür Verhandlungen mit den Taliban notwendig, die als islamistische Terrororganisation nicht als legitime Regierung Afghanistans anerkannt werden dürfen und kein Geld von uns erhalten sollten. Im Innenministerium wird seit geraumer Zeit die Möglichkeit der Abschiebungen nach Afghanistan geprüft. Wir brauchen ein umfassendes Konzept, das den zentralen Fragen mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Umsetzbarkeit gerecht wird. Dazu zählt auch die Frage, wie wir ausschließen, dass wir weder den Islamisten der Taliban Geld geben noch die Kriminellen in die Freiheit und damit auf den Rückweg nach Deutschland abschieben.
Es gilt nun, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die der Komplexität der Herausforderungen gerecht werden. Ohne allumfassende Betrachtung und Zusammenarbeit können wir diese Themen nicht meistern.“