Der Frühling hält Einzug. Für die Landwirte aus der Region bedeutet das: Wiesen mähen. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, denn im hohen Gras verstecken sich oftmals neugeborene Rehkitze. Um sie nicht in Gefahr zu bringen, sind Jäger und Jagdvereine mit Wärmebilddrohnen im Einsatz.
Was haben die kleinen Kitze überhaupt im hohen Gras verloren? Das ist eigentlich recht simpel: Die Mamas setzen ihre Kleinen in die Wiesen, um sie vor den Fressfeinden, wie beispielsweise den Füchsen zu schützen. Junge Rehkitze sind nämlich noch geruchsarm und können von anderen Raubtieren nicht durch den Geruch aufgespürt werden. Allerdings birgt die Sicherungsaktion der Geiß eine ganz andere Gefahr: den Mähtod durch die Landmaschine.
In den ersten Lebenstagen verlassen sich Rehkitze ausschließlich auf ihren Duckreflex, um sich vor potenziellen Raubtieren zu schützen. Doch dieser Instinkt wird dann zur tragischen Falle. Anstatt zu fliehen, bleiben die jungen Rehe regungslos am Boden liegen. Viele von ihnen verlieren bei diesem ersten Schnitt auf qualvolle Weise ihr Leben oder werden schwerst verletzt.




(Bilder: KJV Biberach)
Jäger retten viele Tierleben
Um solche schrecklichen Schicksale zu verhindern, arbeiten Jäger, Landwirte und Freiwillige Hand in Hand und setzen dabei modernste Technologien ein. Beispiele dafür sind die Kreisjägervereinigung Biberach e.V. (KJV) und die Wildtierrettung Bodnegg, die sich aktiv für den Schutz der Wildtiere einsetzt und Maßnahmen ergreifen, um Unfälle wie diese zu vermeiden.
„Früher haben wir mithilfe von großen „Wild-Vogelscheuchen“ gearbeitet. Sie haben bewirkt, dass Mama-Reh stutzig wurden und ihre Kleinen eigenständig in Sicherheit gebracht haben, so dass im Anschluss gemäht werden konnte“, erzählt Thomas Schlecker von der Wildtierrettung Bodnegg. Heute geht das einfacher und vor allem sicherer, denn fliegende Wärmebilddrohnen erkennen auch das kleinste Kitz im hohen Grün. Die Technologie erlaubt es große Wiesen und Felder innerhalb kurzer Zeit sorgfältig nach versteckten Jungtieren abzusuchen, um sie zu bergen.
So läuft die Rettungsaktion ab
Üblicherweise finden die Mäharbeiten der Landwirte zwischen Anfang Mai und Ende Juni statt. In diesem Jahr starten diese – und damit auch die Kitzrettungen – bereits rund drei Wochen früher. Grund dafür sind die Temperaturen, die Vegetation und das damit verbundene Deckungsangebot, erzählt uns Marcel Doneth, der Drohnenobmann der KJV Biberach. „Die Kitze werden von ihren Müttern bereits im Gras abgelegt. Letzte Woche waren wir deshalb schon im Einsatz.“
Gemeinsam mit den offiziellen Mitgliedern engagieren sich im Landkreis Biberach auch private Einzelpiloten für die Rehkitzrettung. So werden die vier Drohnen der KJV von ganzen 7 privaten Stücken ergänzt. Über 80.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst der Kreis, 1900 Landwirte sind hier aktiv.
In der „Hauptsaison“ haben die engagierten Vereinsmitglieder und vielen Freiwilligen dann alle Hände voll zu tun. Gegen 4 Uhr morgens geht es an einem solchen Tag hinaus auf die riesigen Felder, wo dann mithilfe der Wärmebildtechnik nach sich duckenden Rehkitzen gesucht wird. Doch wieso macht man das am frühen Morgen?
„Das liegt am Temperaturunterschied“, erzählt Thomas Schlecker von der Wildtierrettung Bodnegg. „Früh morgens ist die Wiese noch kalt. Die Kitze hingegen sind warm. So sind sie via Wärmebild natürlich einfacher zu erkennen“. Ab 9 Uhr sieht das beispielweise schon anders aus. Dann hat sich die Fläche bereits deutlich aufgeheizt und sogar Maulwürfshügel sorgen zusätzlich für Unübersichtlichkeit. Ein Risiko will man natürlich keines eingehen, schließlich geht es um Leben und Tod.
Über Wochen hinweg sind die Kräfte so Tag für Tag im Einsatz. Das kann ganz schön anstrengend werden, weiß Marcel Doneth. „Das letzte Jahr war hart. Rund acht Wochen lang waren wir jeden einzelnen Tag draußen und hatten teils zwischen drei und fünf Einsätzen. Insgesamt konnten wir so 147 Rehkitze retten“, so der Drohnenobmann aus Biberach. Ein einziges Rehkitz hat in all den Jahren sein Leben verloren – das hätte allerdings verhindert werden können.




(Bilder: Wildtierrettung Bodnegg)
Kitze in Boxen nicht einfach freilassen!
Um zu verhindern, dass die Kitze während der Mäharbeiten entwischen, werden sie am Feldrand in einer Box gesichert. Erst wenn die Gefahr vorüber ist, werden sie wieder in die Freiheit entlassen.
Ein gutherziger Spaziergänger hatte ein Kitz in einer der Boxen am Feldrand entdeckt und gedacht, es wäre in böser Absicht gefangen – er ließ es frei. Da die Mahd zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war, lief das kleine Reh zurück zu seinem ursprünglichen Fundort und geriet in die Maschine.
Wer also ein vermeintlich gefangenes Kitz in einer Box findet, sollte es also keinesfalls ohne zu Fragen „befreien“ und zudem auch nicht anfassen, da die Kleinen aufgrund des Geruches ansonsten von ihren Eltern verstoßen werden würden.
Landwirte rechtlich in der Pflicht keine Tiere zu verletzen
Landwirte müssen während der Mahd sicherstellen, dass keine Tiere grundlos zu Schaden kommen. Wer das nicht tut, macht sich strafbar:
„Wer die Tötung oder die Verletzung von Wildtieren durch die Grünlandmahd für möglich hält, aber keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergreift, nimmt den Mähtod billigend in Kauf und macht sich damit strafbar. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafen bis in den fünfstelligen Bereich und / oder mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahre geahndet“.
Das freiwillige Angebot von Jäger und Vereinen wie der KJV Biberach oder der Wildtierrettung Bodnegg wird daher gern angenommen. Es spart Zeit und Nerven. Und so geht’s:
Anstrengende Arbeit – volles Herz
Kaum einer erahnt wie umfangreich, zeitintensiv und auch körperlich anstrengend sich dieses Unterfangen für alle Beteiligen gestaltet. „Rein auf ehrenamtlicher Basis sind wir für den Tierschutz unterwegs – ein Auftrag in Leidenschaft“, sagt Marcel Doneth. Der Unternehmer sagt in dieser sogar Zeit Geschäftstermine – und reisen ab. „Ich muss das einfach machen. Wenn man morgens dasteht und das erste Kitz findet, das kann man nicht in Worte fassen. Das muss man erleben“, erzählt er. Bei aufgehender Sonne mitten auf dem Feld, „dann weiß man, warum man das macht“.




(Bilder: KJV Biberach/ Wildtierrettung Bodnegg)
Finanzierung durch Sponsoren und Spenden
Eine Drohne kostet so viel wie ein Kleinwagen. Ohne großzügige Sponsoren sowie die Förderung durch das BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wären Projekte wie die Wiltierrettung Bodnegg oder die KJV Biberach gar nicht möglich. Sollte die Unterstützung vom Staat entfallen, sind die Gutmenschen ausschliesslich auf Spenden angewiesen.
Wer also das Tierwohl in der Region unterstützen möchte, darf gerne spenden. Die Möglichkeit gibt es regional beispielsweise unter wildtierrettung-bodnegg.de oder unter js-biberach.de.
Übrigens: Das Biberacher Team freut sich zudem über jeden freiwilligen Helfer, der das „unbeschreibliche Gefühl“ einmal selbst erleben und bei der Rehkitzrettung hautnah dabei sein möchte.
(Quelle: Marcel Doneth, js-biberach.de, Thomas Schlecker, https://www.wildtierrettung-bodnegg.de/)