Die Ampel-Regierung in Berlin macht ein weiteres Fass auf. Im Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), sollen im nächsten Jahr die Bundesmittel für Freiwilligendienste von bisher 326 Millionen auf 248 Millionen Euro verringert werden (Minus 24 Prozent). Für 2025 sind weitere Einsparungen (35 Millionen) geplant.
Zu den Freiwilligendiensten gehören neben dem FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) auch das Freiwillige Ökologische Jahr für 16- bis 27-Jährige und der Bundesfreiwilligendienst (BFD) für Menschen jeden Alters.
Bei den Pflegeeinrichtungen schrillen deshalb die Alarmglocken. Sie befürchten, dass durch diese Kürzungen, die Bereitschaft junger Menschen in die Alten und Behindertenhilfe einzusteigen, deutlich verringert wird. Das FSJ ist, so die Pflegeeinrichtungen, nicht selten ein Einstieg in den späteren Beruf. Die Pflegeeinrichtungen haben bereits jetzt mit einem deutlichen Fachkräftemangel zu kämpfen.
Wir fragten mit einer provokanten Fragestellung bei den Bundestags-Abgeordneten der Region nach, ob die Politik willens sei, neben der Gesundheitsversorgung nun auch noch die Pflegeeinrichtungen an die Wand zu fahren.
Martin Gerster (SPD): „Wir sind bemüht Kompromisse zu finden“
Der Biberacher Bundestagsabgeordnete Gerster, der Mitglied im Haushaltausschuss des Bundestages ist, kennt die Problematik: „Die Sorgen, dass die vom Bund geförderte soziale Infrastruktur für hilfebedürftige Menschen vor Ort durch die Kürzungspläne schwer getroffen würde, können wir gut nachvollziehen. Das parlamentarische Verfahren für die Haushaltsberatungen läuft bis zum Abschluss der 2./3. Lesung am 01. Dezember 2023. Bis dahin bleibt noch ausreichend Zeit, den Bundeshaushalt 2024 zu verhandeln und Schwerpunkte im sozialen Bereich zu setzen.“
Gerster räumt ein, dass laut Vorschlag der Bundesregierung die Haushaltsansätze für die Förderungen von Freiwilligendiensten deutlich gekürzt werden sollen. Er betont aber: „Freiwilligendienste eröffnen Interessierten neue Perspektiven, schaffen Erfahrungs- und Erprobungsräume und spielen deshalb eine wichtige Rolle für junge Menschen und unsere Gesellschaft als Ganzes. Ermöglicht werden diese Erfahrungen auch durch die Begleitung der Freiwilligen durch qualifiziertes pädagogisches Personal, die den Rahmen der Dienste bieten.“
Der Abgeordnete betont, dass nach aktuellen Einschätzungen zumindest die Finanzierung für den kommenden Freiwilligendienst-Jahrgang 2023/24 durch die geplanten Kürzungen nicht gefährdet seien. Gerster verspricht, dass gründlich geprüft werde, ob es zu dem aktuellen Vorschlag der Bundesregierung Alternativen gibt.
Mit Hinblick auf den Haushaltsentwurf der Bundesregierung verweist er auf das Struck‘sche Gesetz: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist“. Insofern sei man in der heißen Phase der parlamentarischen Arbeit zum Bundeshaushalt 2024 bemüht, Alternativen zu prüfen und Kompromisse auszuhandeln.
Gerster räumt im Hinblick auf die Finanzen aber auch Probleme ein: „Die Verhandlungen finden in diesem Jahr im Rahmen einer besonders angespannten Haushaltssituation statt und machen Priorisierungen notwendig. Unsere Schwerpunkte bei den Haushaltsberatungen liegen daher bei den Themen soziale Gerechtigkeit und Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“
Josef Rief (CDU): „Kürzungen beim FSJ sind kontraproduktiv“
Der CDU-Abgeordnete Rief sieht einen dringenden Handlungsbedarf: „Ebenso wie bei den Krankenhäusern erleben wir auch bei den Pflegeeinrichtungen enorme Umbrüche. Es ist dringend politisches Handeln gefragt. Kürzungen beim Freiwilligen Sozialen Jahr sind kontraproduktiv. Nicht nur, dass die Arbeitskraft der FSJ-ler fehlt. Viel schlimmer ist, dass weniger junge Menschen den Einstieg in den Pflegeberuf finden.“ Rief ist überzeugt, dass dem Pflegenotstand nur mit mehr Pflegekräften begegnet werden kann. Der Abgeordnete fordert: „Dazu muss an erster Stelle die möglichst wohnortnahe Versorgung der Pflegebedürftigen stehen und dies sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum.“
Auch das Büro der Abgeordneten Dr. Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen) wurde (mehrfach) angefragt, eine Antwort blieb jedoch aus.