Normalität und Vertrautheit erleben Ehrenamtliche besuchen über Jahre Menschen mit psychischen Erkrankungen

Nicht nur in der Adventszeit unterstützen die Ehrenamtlichen des Besuchsdienstes Menschen mit seelischen Erkrankungen. Von links: Barbara John, Ingrid Kruk und Hanne Heim freuen sich mit „Vorstand“ Bruno Seiler (rechts), dass Rosario Vasquez (2. V. r.) die Gruppe seit dem Sommer unterstützt.
Nicht nur in der Adventszeit unterstützen die Ehrenamtlichen des Besuchsdienstes Menschen mit seelischen Erkrankungen. Von links: Barbara John, Ingrid Kruk und Hanne Heim freuen sich mit „Vorstand“ Bruno Seiler (rechts), dass Rosario Vasquez (2. V. r.) die Gruppe seit dem Sommer unterstützt. (Bild: Elke Cambré)

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Sie haben ein offenes Ohr für die Sorgen und Probleme und sind einfach für andere da: Die Ehrenamtlichen des Besuchsdienstes im ZfP Südwürttemberg begleiten Menschen mit seelischen Erkrankungen und spenden bei den Treffen wertvolle Nähe und Trost.

„Auch erkrankte Menschen brauchen Besuch und möchten über ihre Gefühle reden“, sagt Rosario Vasquez. Die 46-Jährige ist seit Juli 2022 neues Mitglied der Besuchsdienst-Gruppe im ZfP Südwürttemberg. Etwa einmal wöchentlich kommt sie auf die Depressionsstation in Bad Schussenried und besucht dort über mehrere Wochen eine Patientin oder einen Patienten, die Redebedarf haben.

Auf die Gruppe aufmerksam wurde Vasquez am Info-Stand beim Tag der offenen Tür des ZfP im vergangenen Sommer. „Ich konnte mir das gleich gut vorstellen, ich habe gerne Kontakt zu Menschen und kann gut zuhören“, meint Rosario Vasquez. Bei den Gesprächen kann die gebürtige Venezuelerin zudem ihr Deutsch verbessern – ein Gewinn für beide Seiten. Mit ihrer Familie lebt sie seit sieben Jahren in Bad Schussenried und betreibt als ausgebildete Psychologin auf Spanisch eine psychologische Online-Praxis.

Normalität und Alltag- über das Leben reden

Die Gruppe des ehrenamtlichen Besuchsdienstes umfasst derzeit insgesamt 14 Mitglieder. Sie kommen aus Bad Schussenried und Orten rund um Biberach wie Ertingen, Schemmerhofen und Ingoldingen. Alter und beruflicher Hintergrund sind unterschiedlich, zwei Paare sind in der Gruppe mit dabei. Die Gespräche mit den Patienten und Patientinnen oder Bewohnenden haben keine therapeutische Absicht, die Gruppe sieht sich nicht als Konkurrenz zum Personal auf den Stationen und Wohngruppen.

„Wir sind keine Mitarbeitenden der Klinik, daher finden die Gespräche mit uns auf einer anderen Ebene statt“, meint Bruno Seiler. Er ist von Beginn an, etwa seit 2004, beim Besuchsdienst dabei und seither eine Art „Vorstand“ der Gruppe. Bei den Gesprächen möchte er Normalität und Vertrautheit vermitteln, denn oft seien familiäre Bindungen reduziert. Derzeit besucht er regelmäßig einen Patienten der Forensischen Klinik. Seilers Partnerin Ingrid Kruk begleitet seit vier Jahren eine Frau. Zuerst besuchte sie die Patientin in der Klinik, begleitete dann ihren Übergang in die ambulante Betreuung und rein ins Privatleben. „Mittlerweile komme ich oft zu ihr zum Kaffee trinken,“ berichtet die Ehrenamtliche, die Erfahrung in der Senioren- und Hospizarbeit mitbringt. Die Besuche sind orientiert am individuellen Bedarf, manchmal sind es auch einfach nur Telefonate.

Verlässliche Besuche nicht nur im Advent

Gerade in der dunklen Jahreszeit nehmen die Ehrenamtlichen die Bedeutung ihrer Besuche verstärkt wahr. „Die Adventszeit ist für manche Menschen mit Stress beladen. Wir reden dann darüber, wie sie Weihnachten feiern oder damals mit ihren Familien feierten“, sagt Ingrid Kruk. Es gab für die Betreuten oft Jahre, in denen die Jahreszeit für sie schwierig war. Das kann Hanne Keim nur bestätigen. Sie kommt aus dem seelsorgerischen Bereich und engagierte sich langjährig für Bewohnende des Heimbereichs.

„Viele im Heim vermissten ihre Angehörigen. Wir haben zusammen gesungen und versuchten in Gesprächen teilweise der Einsamkeit entgegen zu wirken und verbringen und gestalten einfach schöne Stunden miteinander.“ Die Ehrenamtlichen ersetzen sogar manchmal ein Stück weit die Familien, findet Bruno Seiler: „Auf unsere Besuche können sich die Menschen verlassen, und das für viele Jahre.“

Der fachlich-berufliche Hintergrund mancher Ehrenamtlicher ist zwar ein Glückfall, aber kein Muss für die Arbeit in der Besuchsdienst-Gruppe, betont Barbara John. Sie ist katholische Klinikseelsorgerin im ZfP in Bad Schussenried und leitet seit 2005 die Gruppe hauptamtlich. Neben einer fundierten Ausbildung zähle Interesse an dem, was Menschen bewegt. „Man muss Anteil nehmen können. Dann entsteht eine Beziehung, die wohltut.“ Die Seelsorgerin vermittelt als Bindeglied zwischen Ehrenamtlichen und den Stationen im ZfP.

Individuell wird geschaut, wen die Ehrenamtlichen begleiten wollen und können. Ilona Herter, Pflegedirektorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bad Schussenried, unterstützt als „Schirmherrin“ vonseiten des ZfP die Gruppe in ihrem Engagement. Herausragend finden sie und Barbara John, dass viele der Gruppenmitglieder bereits seit vielen Jahren Menschen besuchen, sie auf ihrem Lebensweg mit allen Höhen und Tiefen begleiten. Die Ehrenamtlichen des Besuchsdienstes sind „einfach“ da, mehr und weniger eng im Kontakt, ganz nach dem Bedarf und dem Wunsch der Betroffenen.

Neue Ehrenamtliche werden nicht „einfach losgeschickt“, sondern durchlaufen eine Grundausbildung in Kommunikationstheorie sowie Gesprächsführung. Ergänzt werden die „Basics“ durch externe Kurse der Diözese sowie durch regelmäßige Fortbildungstreffen der Gruppe. Bei diesen informieren beispielsweise ZfP-Mitarbeitende zu Themen wie Krankheitsbildern oder pflegerischen Konzepten.

Mehrmals im Jahr trifft sich die Gruppe, um sich über Fragen rund um ihre ehrenamtliche Tätigkeit auszutauschen. Und einmal jährlich sind ein Ausflug sowie ein gemeinsames Abschlussessen geplant.

(Pressemitteilung: ZfP Südwürttemberg)