Mit einem feierlichen Festakt hat das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg das 150-jährige Bestehen seines Klinikstandorts in Bad Schussenried gewürdigt. Im Fokus standen die bewegte Geschichte der Einrichtung sowie aktuelle Herausforderungen und Perspektiven in der psychiatrischen Versorgung.
Ein historischer Ort mit gesellschaftlicher Relevanz
Zahlreiche Gäste aus Politik, Gesundheitswesen und Gesellschaft versammelten sich im Bibliothekssaal des Neuen Klosters Bad Schussenried, um die lange Tradition psychiatrischer Versorgung am Standort zu feiern. In seiner Begrüßung erinnerte Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp an die Gründung der königlichen Heil- und Pflegeanstalt im Jahr 1875. Seither habe sich der Umgang mit psychisch Erkrankten grundlegend gewandelt – weg von der zentralisierten Anstaltspsychiatrie hin zu einer modernen, gemeindenahen und bedarfsgerechten Behandlung.
Die Psychiatrie-Enquete von 1975 bezeichnete Grupp als entscheidenden Wendepunkt: „Heute haben wir eine dezentralisierte Versorgung mit gut ausgebauten ambulanten Angeboten. Die Versorgung psychisch Erkrankter war noch nie so gut – und dennoch bleibt die Frage: Sind wir wirklich angekommen?“
Sorge um die Entwicklung im Maßregelvollzug
Besorgt zeigte sich Dr. Grupp über die Entwicklung im Maßregelvollzug, wo seit Jahren steigende Fallzahlen und ein hoher Belegungsdruck die Versorgung erschweren: „Wie vor 150 Jahren bleiben diese Menschen über Jahre hinweg in der Einrichtung. Wie vor 150 Jahren werden Mauern höher und undurchlässiger. Wie vor 150 Jahren werden Menschen weggesperrt.“
Er forderte eine grundlegende Reform des forensischen Bereichs, mit dezentralisierten Strukturen und aufsuchenden Behandlungsangeboten auch in Justizvollzugsanstalten: „Nur so können wir auch künftig am Standort Bad Schussenried ein menschenwürdiges Umfeld für psychisch Erkrankte garantieren.“
Landespolitik zeigt Verantwortung
In einer Videobotschaft sicherte Dr. Thilo Walker, Aufsichtsratsvorsitzender des ZfP und Ministerialdirigent im Sozialministerium Baden-Württemberg, Unterstützung zu. Die steigenden Einweisungen nach §63 StGB hätten für das Ministerium hohe Priorität: „Ihr Einsatz bleibt nicht unbemerkt. Wir nehmen unsere Verantwortung ernst und arbeiten aktiv an neuen Standorten zur Entlastung.“
Rückblick mit Blick auf die Lehren der Geschichte
Auch Biberachs Landrat Dr. Mario Glaser würdigte das Jubiläum als wichtigen Meilenstein für Region und Klinik. Neben der medizinischen Entwicklung erinnerte er in eizfp banem historischen Rückblick auch an die NS-Zeit und die Opfer der T4-Aktion: „Die Geschichte lehrt uns, dass sich auch dunkle Kapitel wiederholen können.“ Heute stehe das ZfP für moderne, patientenorientierte Versorgung und sei ein unverzichtbarer Bestandteil der regionalen Gesundheitslandschaft.
Die Stadt – geprägt von Verbindung und Herausforderung
Bad Schussenrieds Bürgermeister Achim Deinet hob die lange gewachsene Verbindung zwischen Stadt und Klinik hervor. Die Toleranz und Offenheit der Bürgerinnen und Bürger seien Grundlage für ein gutes Miteinander. Gleichzeitig betonte er die Belastung der Kleinstadt durch die steigende Zahl forensischer Patientinnen und Patienten: „Es wird Zeit, dass auch andere Landesteile Therapieplätze schaffen“, forderte er das Sozialministerium auf.
Wissenschaftlicher Festvortrag: Geschichte und Wandel
Der Festvortrag der Medizinhistoriker Prof. Dr. Thomas Müller und Dr. Bernd Reichelt beleuchtete eindrucksvoll die Entwicklung der psychiatrischen Versorgung in Bad Schussenried – von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zu modernen Konzepten. Dabei erinnerten sie an prägende Persönlichkeiten, die den Wandel ermöglicht haben, und verknüpften Klinikgeschichte mit gesellschaftlichem Fortschritt.
Ein würdiger Ausklang des Jubiläums
Zum Abschluss dankten Dr. Bettina Jäpel und Dr. Paul Lahode, Regionaldirektion der ZfP-Versorgungsregion Donau-Riss, allen Gästen für ihr Kommen und das Interesse an der Entwicklung des Klinikstandorts. Die Eisele Brothers sorgten mit musikalischer Begleitung für eine besondere Atmosphäre. Ein gemeinsamer Stehempfang mit kulinarischen Genüssen rundete die Feierlichkeiten stimmungsvoll ab – ein Jubiläum mit Tradition und Blick in die Zukunft.
(Quelle: ZfP Südwürttemberg)