Friseure: „Es geht nicht mehr“

Friseure: „Es geht nicht mehr“
Die Friseursalons sind seit Wochen geschlossen. Das Licht aber leuchtet weiter, um auf die Situation der Friseure aufmerksam zu machen. (Bild: privat)

Weingarten (dpi) – Corona hat uns weiter fest im Griff: Trotz sinkender Infektionszahlen und Öffnungsdiskussionen, wird die Schlinge für die Wirtschaft enger. Ist eine Lockerung am 15. Februar trotz Mutation möglich? Wie geht es den Friseuren? Was denkt die Politik darüber? Diese Fragen beantworten Christine Denz-Banholzer, Sebastian Kraft und Axel Müller (CDU).

Bereits seit einem Jahr treibt sich das Corona-Virus in Europa herum. Ein „verlorenes Jahr“ sagen einige. Weihnachten ohne Familie, Silvester ohne Freunde und als Krönung, keine Fastnacht im Jahr 2021. Ein „Jahr für neue Entdeckungen“ sagen andere. Neue Hobbys, neue Beschäftigungen oder das mehrmalige lesen langweiliger Romane. Doch den selbstständigen Einzelhändlern, Friseuren und Gastronomen schwirren aktuell wohl andere Sorgen vor. Soforthilfen, die zu spät oder noch gar nicht ausgezahlt wurden, aufgebrauchte Altersvorsorgen und keine Kunden.

Sebastian Kraft besitzt seit März 2019 den „Salon B1“ in Weingarten. „Die Schließung der Friseure ist für uns nicht nachvollziehbar“ sagt er. Viel Geld habe er in Hygieneartikel und in die Umsetzung der Hygienevorschriften investiert, bis dann die Entscheidung kam, dass Friseure nun doch schließen müssen. „Für uns ist verständlich, dass man gegen steigende Infektionszahlen Maßnahmen ergreifen muss. Wir machen da gerne mit. Wir hätten uns jedoch statt einer kompletten Schließung gewünscht, bspw. eine Unterbrechung zwischen Kunden(gruppen) mit Lüftung der Räume einzuführen, Abstände weiter zu vergrößern oder ähnliches.“ so der 42-jährige Unternehmer. „Alles ist besser als eine komplette Schließung“. In die Soforthilfen der Bundesregierung sei er aufgrund der Öffnung im März 2019 nicht reingefallen, Hoffnung bestünde aber trotzdem, dass das dritte Corona-Hilfspaket ihm mehr Unterstützung versprechen würde.

„Ich bin in ein tiefes Loch gefallen, aber es muss weitergehen“

sagt Friseurin Christine Denz-Banholzer, die dieses Jahr auf 19 Jahre Selbstständigkeit zurückblickt. Sie ist Besitzerin des Friseursalons „Christine´s Haarideen“. Zu den Soforthilfen sagte sie im Gespräch mit WOCHENBLATT „es ist eine Katastrophe! Und die verantwortlichen Politiker benehmen sich wie im Kindergarten und schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu!“ Sie hat ihre Altersvorsorge aufbrauchen müssen, aber nicht nur das. Seit Dezember trafen keine Soforthilfen mehr ein, woraufhin ihr nichts anderes außer die Aufnahme eines teuren Kredits übrig blieb. 3 Prozent Zinssatz trotz Corona-Krise. Genau wie Sebastian Kraft ist auch Christine Denz-Banholzer an ihrer Grenze.

Ein weiterer Lockdown wäre womöglich mehr als eine Existenzkrise eher existenzbedrohend. Bei Krafts „Salon B1“ gab es im Sommer 2020 trotz Corona zwar einen Aufschwung. Wie er selber sagt, habe er Marketing, Salondesign und Technik modernisiert, müsse aufgrund der Lage jetzt aber einen starken Sparkurs fahren. Getroffen hat es hierbei auch zwei 450 Euro Kräfte für die Sebastian Kraft keine Ansprüche auf Kurzarbeitergeld hatte: „Eigentlich wollten beide Mitarbeiter mittelfristig in Vollzeit bei uns arbeiten“ erzählt er enttäuscht.

Wir sitzen alle im selben Boot

Christine Denz-Banholzer ist ein bekanntes Gesicht in Weingarten. Mit Aktionen wie der Modeschau vor dem Kaufland, die im Rahmen des Supersamstages letztes Jahr stattfand oder auch durch ihr langjähriges Engagement in dem von ihrem Vater gegründeten Narrenverein Wikinger, bringt sie immer wieder frischen Wind ins Stadtleben. Nicht zuletzt dadurch kennt sie viele Einzelhändler in Weingarten. „Also mir ist es wichtig auch zu sagen: Es sind nicht -nur- wir Friseure, sondern auch alle anderen, der Einzelhandel und die Gastronomie sind schlecht dran. Wir sitzen alle im selben Boot!“ ist Denz-Banholzer überzeugt. Eine Öffnung ist für sie höchste Zeit. „Aber wenn man öffnet, dann auch den Einzelhandel und die Gastronomie! Die Hygienemaßnahmen müssen auch dann halt auch konsequent durchgesetzt und kontrolliert werden!“ sagt sie.

Christine Denz-Banholzer (zweite von rechts) mit Team. (Bild: Siegfried Heiss)

Weingartener Bundestagsabgeordneter Müller ebenfalls verärgert

„Die beschriebenen Problem ärgern mich auch selbst“ sagt der Weingartener Bundestagsabgeordnete Axel Müller, der für die CDU im Bundestag sitzt. Auf Anfrage des WOCHENBLATT appellierte er; „Es ist wichtig, dass die Abwicklung der Soforthilfen nun schnellstmöglich passiert – und daran müssen alle Adressaten der Kritik in Bund und Land, egal welcher Partei, konstruktiv mitarbeiten!“ Er habe Verständnis für diesen Frust, dem Prinzip der Soforthilfen sei er aber insgesamt positiv zugewendet. Müller ist überzeugt, dass die Unterstützungsprogramme in den meisten Fällen so konzipiert seien, dass „der nackte Fortbestand“ der betroffenen Unternehmen gesichert sei.

Axel Müller sitzt seit 4 Jahren für die CDU im Bundestag. Er ist gebürtiger Weingartener. (bild: Sarah Eckstein (Berlin))

Weiter Lockdown bis Ostern? Oder Lockerungen ab 15. Februar?

Einen Lockdown unter einer Inzidenz von 50 hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, ebenfalls CDU, ins Spiel gebracht. Er sprach von einem Lockdown bis Ostern. Axel Müller vertritt hierzu aber eine differenzierte Sicht: „Die Inzidenz von 50 ist eine entscheidende Zahl, da im Normalfall nur bis zu diesem Grenzwert die Nachverfolgung von Infektionsketten sicher gestellt werden kann. Und nur diese Nachverfolgung ermöglicht es die Pandemie einzudämmen. Aber auch bei einer Inzidenz von 50 sterben jeden Tag Menschen, verlieren Enkelkinder Oma und Opa. Das dürfen wir nie vergessen. Daher muss das Ziel natürlich immer eine noch niedrigere Inzidenz sein. Aber wir müssen bei einem so langen Lockdown immer ganzheitlich auf die Folgen unserer Entscheidungen schauen – und trotzdem extrem vorsichtig bleiben, gerade mit Blick auf die ansteckenderen und möglicherweise auch gefährlicheren Mutanten.“

Die Mutanten könnten bei der morgigen Sitzung von Land und Bund auch ein Mitgrund sein, dass der Lockdown am 15. Feburar nur wenig oder vielleicht sogar keine Lockerungen mit sich bringen. Der Druck an die Politik steigt aber, auch im Hinblick auf die anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen.

Der Kampfgeist bleibt

Für Christine Denz-Banholzer (Christine´s Haar-ideen) und Sebastian Kraft (Salon B1) stand jedenfalls immer fest: „Aufgeben gibt’s nicht!“. Denz Banholzer erzählte im Gespräch mit WOCHENBLATT über einen Besuch einer Kundin, die einen Blumenstrauß vorbeibrachte und ihr Mut machte. „Das war eine sehr schöne Geste“ sagt die selbstständige Friseurin. Diese Geste und viele andere haben ihr neue Motivation durchzuhalten und weiterzumachen gebracht.

Auch Sebastian Kraft´s „Salon B1“ kämpft weiter: „Bisher war Aufgeben keine Option! Wir haben ein tolles Team im Salon und unterstützen uns gegenseitig!“. Die Stammkundschaft die sich seit der Eröffnung aufgebaut habe, gibt ihm und seinem Team neue Kraft zum weitermachen. „Es wäre definitiv der falsche Zeitpunkt um aufzugeben!“ ist sich der Diplom Wirtschaftsingenieur sicher.

Sebastian Kraft hat seinen Salon B1 im März 2019 eröffnet. (Bild: Salon B1 Weingarten)

So kann man nur hoffen, dass sich die Situation rasch für Alle verbessert. Über eventuelle Neuerungen nach dem morgigen Treffen des Bundes und der Länder informiert sie WOCHENBLATT News.