Sprachkurse ehrenamtlich von Profis unterrichtet Die deutsche Sprache fordert Geflüchteten viel Geduld ab

Die deutsche Sprache fordert Geflüchteten viel Geduld ab
Nein oder kein – das ist im Deutschkurs für Ukrainerinnen und Ukrainer dieses Mal die Frage. (Bild: Stadt Wangen / sum)

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Wangen – In vier Kursen lernen derzeit rund 60 ukrainische Flüchtlinge Deutsch. Organisiert werden die Kurse von der Volkshochschule Wangen, unterrichtet wird von vier Lehrerinnen und Lehrern hochprofessionell im Ehrenamt. Ein Besuch im Unterricht in den Räumen des katholischen Gemeindezentrums St. Ulrich.

Manchmal ist es einfach zum Haare Raufen mit der deutschen Sprache: Gerade erst haben die Schülerinnen und Schüler von Rita Scheuerecker gelernt, dass bei der Verneinung nach dem Verb „nicht“ folgt wie in „ich lese nicht“. Vor einem Nomen jedoch steht „kein“ wie in „ich habe kein Buch“. Da verzweifelt Olena beinahe: „Wieso heißt es dann ‚Wir machen keine Pause?‘.“

Mit großer Ruhe und Routine erläutert die Lehrerin, warum das so ist. Rita Scheuerecker hat wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen schon 2015, als viele Menschen vor allem aus Syrien, Afghanistan, aber auch aus Afrika nach Europa kamen, Deutsch unterrichtet. „Ja, das ist schwer“, sagt sie zu Olena. Manchmal hilft es, auf Englisch zu erklären, um was es geht. Und wenn das nicht von allen verstanden wird, gibt es meistens jemanden, der ins Ukrainische übersetzen kann. Im Kurs sitzen 14 Erwachsene, darunter aber auch zwei junge Menschen, die in die Schule gehen, aber mit ihren Sprachkenntnissen schneller vorankommen wollen.

„Das ist meine Art zu helfen“, sagt Rita Scheuerecker auf die Frage nach ihrer Motivation. Und der Unterschied zu 2015? – „Damals war alles neu, jetzt ist es organisiert“, sagte sie. So gibt es jetzt auch Lehrbücher. Wenn man zuhört, kann man sich gut vorstellen, dass sie von Schulbuchredaktion genau für den Personenkreis geschrieben wurde, der 2015 angesprochen werden sollte.  Da ist von Eritrea, Syrien oder anderen Ländern die Rede, wenn nach der Herkunft gefragt wird. Für die Kursteilnehmerinnen und –teilnehmer heute ist das kein Problem.

Im Kurs von Wilfried Löwe geht es gerade um Fragen und Antworten. Da heißt es im Buch beispielsweise: „Kommen Sie aus Eritrea? – Nein aus Nigeria.“ Aber gefragt sind auch Familienthemen: „Annas Tochter ist vier Jahre alt. Wie alt ist deine Tochter?“ – „Meine Tochter ist fünf Jahre alt“, kommt die Antwort. Während Wilfrid Löwe geduldig erklärt oder in der direkten Ansprache das Frage- und Antwortspiel fortsetzt, geht die Tür auf. Eins der Kinder kommt von der (ehrenamtlichen) Betreuung herein und möchte der Mama etwas zeigen. Um die anderen nicht zu stören, geht sie leise mit hinaus. Das geschieht immer wieder. Mal kommt dieses Kind, mal ein anderes.

Im Kurs geht es derweil weiter. Wilfried Löwe gibt Hanna ein Tablet in die Hand. Dort ist ein Familienfoto der Promi-Familie Beckham zu sehen. Hanna geht durch die Reihen und fragt ihre Mitschülerinnen und Mitschüler: „Ist das der Sohn von David Beckham?“ und deutet auf eins der Mädchen. „Nein, das ist die Tochter“, kommt die Antwort. Und so geht es eine ganze Weile. Für ihren Lehrer ist es klar: „Sprechen ist das Wichtigste!“ Am Ende heißt es: „Zeit für die Hausaufgaben“. Eine der Aufgabe ist: „Vergesst nicht, auf Deutsch zu sprechen!“

Während die meisten einpacken, sprechen zwei Frauen die Besucherin an. Daria sagt: „Wir sind wirklich glücklich. Wir sind als Familie hier.“ Doch dann berichtet sie von der Sorge, wie sie Kinderbetreuung und Integrationskurs ab Juni zusammenbringen kann. Auch Hanna kommt mit einem Problem: Sie wohnt derzeit mit ihrer Schwester in einer Ferienwohnung, gemeinsam mit den insgesamt vier Kindern. Die Vermieter fragen immer wieder, wann sie ausziehen können. Zwei Kinder gehen aufs Gymnasium, eins in die Grundschule, aber die vierjährige Tochter vermisse Spielkameraden. Und eigentlich möchten die beiden Frauen aus nachvollziehbaren Gründen am liebsten in der Stadt wohnen. Aber sie sagen auch: „Wir sind froh, dass wir hier sein dürfen, und wir fordern nichts.“

Wilfried Löwe kennt das. Die Lehrerinnen und Lehrer seien ein wesentlicher Kontakt der Flüchtlinge in die Welt des Gastgeberlandes, sagt er. Oftmals würden am Rande solche persönlichen Themen besprochen.

Dass die Lehrerinnen und Lehrer im Ehrenamt mehr leisten, als „nur“ zu unterrichten wissen auch der Leiter der Volkshochschule Wangen, Lorenz Macher und die Integrationsbeauftragte Anita Mutvar. „Allen Lehrkräften Annemarie Kraus, Wilfried Löwe, Rita Scheuerecker und Peter Staudacher gebührt ein besonderer Dank“, sagen sie.  „Durch ihr Engagement werden die ersten Grundsteine für ein besseres Verständnis unserer Gesellschaft gelegt und eine zukünftige Teilhabe daran erst ermöglicht.“ 

(Pressemitteilung: Stadt Wangen)