In der neuesten VDK-Zeitung (Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen
und Sozialrentner Deutschlands e. V.) wird die Praxis von HNO-Ärzten kritisiert, weil diese keine Mandel- und Mittelohr-Operationen mehr durchführen. Wochenblatt fragte u.a. bei der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) nach, ob dies stimme und warum dies so sei.
Bentele: „Vergütung und Profit nie wichtiger als die Gesundheit“
Verena Bentele (VDK-Präsidentin) bezeichnete dies als Gefährdung der Gesundheit von Kindern und belaste vor allem Familien mit wenig Geld. Im Bericht wird erläutert, dass die Vergütung für solche Operationen zu Beginn des Jahres von 111 Euro auf 107 Euro gesenkt wurde, allerdings sei unter dem Strich ein um 2,3 Prozent höherer Honorarsatz zwischen den gesetzlichen Kassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vereinbart worden.
Bentele wies darauf hin, dass es den HNO-Ärzten in den letzten Jahren gelungen sei, ihre Praxis-Reinerträge deutlich zu steigern. Für einen Streik wegen 4 Euro hat sie demnach wenig Verständnis. Bentele formulierte ihre Sicht deutlich. „In der Gesundheitsversorgung muss immer gelten: Vergütung und Profit dürfen nie wichtiger sein als die Gesundheit von Patienten, in diesem Falle Kinder.“
Ärzte berichteten von einer wachsenden Zahl an Kindern, die mit einer verschleppten Mandel- oder Mittelohrentzündung und Atemproblemen in ihre Praxis kommen. „Es sei erschütternd, dass die Kinder wegen ein paar Euro die Leidtragenden seien,“ heißt es im Bericht. Bentele befürchtet, dass sozial schwache Familien damit benachteiligt werden, währen gut situierte Familien die OP notfalls selbst zahlen könnten.
Bundesärztekammer verweist auf die KV
Eine unerwartete Antwort kam von der Bundesärztekammer. Samir Rabbata (Leiter Dezernat Politik und Kommunikation) teilte auf unsere Nachfrage mit: „Ich bitte um Verständnis, dass sich die Bundesärztekammer ohne nähere Kenntnis der konkreten Vorgänge nicht dazu äußern kann. Aus meiner Sicht ist hier die von Ihnen ebenfalls adressierte KV Baden-Württemberg erste Ansprechpartnerin.“
Sonntag: „Wie bedauern die Einschränkung in der Versorgung“
Für die KV gab Kai Sonntag (Pressesprecher) ein Statement ab: „Der Protest der HNO-Ärzte ist nicht neu. Die Operationen gehören nicht zum Kerngebiet eines HNO-Arztes, sondern stellen eine freiwillige Leistung dar. Die HNO-Ärzte sind (wie alle Ärzte) selbstständige Unternehmen, die natürlich auch die Wirtschaftlichkeit ihrer Praxis im Blick haben müssen. Wenn sie in diesem Zusammenhang kritisieren, dass die Leistung nicht kostendeckend finanziert ist, sollte das ernstgenommen werden. Natürlich bedauern wir, wenn es hierbei zu Einschränkungen in der Versorgung kommt. Wir widersprechen dem VDK dahingehend, dass hier eine soziale Komponente aufgemacht wird. Das erachten wir gegenüber unseren Ärzten als nicht akzeptabel.“
Reaktionen der Bundestagsabgeordneten
Der Biberacher Bundestagsabgeordnete Martin Gerster (SPD) reagierte deutlich auf die Berichterstattung des VDK: „“Solche Konflikte dürfen niemals zulasten der Versorgung der Schwächsten ausgetragen werden. Das ist für mich nicht akzeptabel. Verschobene OPs in diesem Bereich können fatale Folgen haben, bis hin zu Entwicklungsverzögerungen, weil Kleinkinder durch vergrößerte Mandeln nicht richtig sprechen lernen können. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich grundsätzlich für eine hochwertige, bedarfsgerechte und digitale Gesundheits- und Pflegeversorgung ein – in der Stadt ebenso wie auf dem Land. Das gilt ganz besonders für die Kleinsten. Darum haben wir auch schon verschiedene Maßnahmen getroffen, wie die Entbudgetierung bei den niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten, im Bereich der stationären Pädiatrie oder der Versorgung mit Kinderarzneimitteln.“
Auch MdB Josef Rief (CDU) fordert in seinem Statement ein Eingreifen des Bundesgesundheitsministeriums: „Es gibt in der Tat eine Empfehlung der Berufsverbände an die HNO-Ärzte, bundesweit keine neuen Termine für Mandel- und Mittelohroperationen bei Kindern zu vergeben, wobei besonders schwere Fälle und Notfälle ausgenommen bleiben. Hintergrund ist die Höhe der Finanzierung ambulanter Operationen, die schon vor dem Streik dazu geführt hat, dass immer weniger Ärztinnen und Ärzte die Operationen angeboten haben mit der Folge, dass Kinder drei bis sechs Monate, teilweise auch noch länger, auf einen OP-Termin warten müssen. Dies ist kein Zustand! Ich fordere den Bundesgesundheitsminister auf, die Situation umgehend zu klären.“