Neue Schreckszenen aus isländischen Blutfarmen: Experten sind für Verzicht des Sexualhormons PMSG

Neue Schreckszenen aus isländischen Blutfarmen: Experten sind für Verzicht des Sexualhormons PMSG
Experten aus Zucht, Rechtsprechung, Tiermedizin und landwirtschaftlicher Beratung in Deutschland und der Schweiz nehmen Stellung zum Einsatz des Fruchtbarkeitshormons PMSG, das in der Schweinezucht verwendet wird. (Bild: Animal Welfare Foundation)

Wir berichteten bereits Anfang 2022 über das unermessliche Leid von trächtigen Stuten, die in sogenannten Pferdeblutfarmen gequält werden. Den Tieren wird auf brutalste Weise Blut abgezapft, da das Blut trächtiger Stuten das Fruchtbarkeitshormon PMSG enthält, das in der Schweinezucht verwendet wird – auch bei uns.

PMSG als Boosterhormon in der Ferkelproduktion, gewonnen unter grausamen Bedingungen, unter anderem in Island und Südamerika, wird in Deutschland systematisch eingesetzt. Ein neuer Dokumentarfilm der Animal Welfare Foundation in Kooperation mit dem Tierschutzbund Zürich zeigt: Experten sprechen sich klar für einen Verzicht auf das Fruchtbarkeitshormon aus, heißt es in einer aktuellen Mitteilung.

Die neuen Aufnahmen vom August 2023 wurden in isländischen Blutfarmen verdeckt gefilmt. Das dort gewonnene PMSG kommt in deutschen Ferkelzuchtbetrieben zum Einsatz. Experten aus Zucht, Rechtsprechung, Tiermedizin und landwirtschaftlicher Beratung in Deutschland und der Schweiz nehmen Stellung zum Einsatz des Fruchtbarkeitshormons.

„Hormoneller Einsatz ist nicht zwingend notwendig“

Konsens herrscht darüber, dass eine moderne Ferkelproduktion auf PMSG verzichten kann. Frederik Löwenstein, Dozent an der Landesanstalt für Schweinezucht Boxberg (LSZ), Deutschland, hebt zwar die Bedeutung hervor, die gleichmäßige Ferkelpartien für die Zuchtbetriebe haben, dafür sei aber „ein hormoneller Einsatz nicht zwingend notwendig.“

PMSG als Boosterhormon in der Ferkelproduktion, gewonnen unter grausamen Bedingungen, unter anderem in Island und Südamerika, wird in Deutschland systematisch eingesetzt.
PMSG als Boosterhormon in der Ferkelproduktion, gewonnen unter grausamen Bedingungen, unter anderem in Island und Südamerika, wird in Deutschland systematisch eingesetzt. (Bild: Animal Welfare Foundation)

Die hessische Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin ist der Meinung, „dass dem Arzneimittel die Zulassung entzogen gehört.“ Für Amtsrichter a. D. Christoph Maisack ist PMSG rein formal kein Arzneimittel. „Arzneimittel kann nur sein, was Krankheiten heilt oder Krankheiten verhütet. PMSG tut weder das eine noch das andere, im Gegenteil, PMSG erhöht nur die Produktivität der Sauen.“

„Damit auch ausgelaugte Sauen produktiv bleiben“

Der Schweizer Tierarzt Stefan Birrer bringt den Nutzen von PMSG so auf den Punkt: „PMSG ist die einfachste Möglichkeit, den Zyklus zu starten oder aufrecht zu erhalten.“ Mit PMSG kommen selbst ausgelaugte Sauen in die „Rausche“ und bleiben damit produktiv.

Im Dokumentarfilm kommen mehrere Züchter aus Deutschland und der Schweiz zu Wort, die Erfahrung mit PMSG haben, inzwischen aber auf dessen Einsatz verzichten. „Tiermanagement, Tierhaltung und Tierbeobachtung sind die Schlüsselbegriffe, die die Züchter und Berater in den Gesprächen nennen. Wenn das funktioniere und beherrscht würde, seien PMSG-freie Zuchtbetriebe wirtschaftlich erfolgreich“, so Sabrina Gurtner, Projektleiterin des AWF & TSB Kooperationsprojekts.

Selbst ausgelaugte Sauen kommen mit PMSG in die „Rausche“ und bleiben damit produktiv.
Selbst ausgelaugte Sauen kommen mit PMSG in die „Rausche“ und bleiben damit produktiv. (Bild: Animal Welfare Foundation)

„Ist nicht mehr zeitgemäß“

Professor Thomas Blaha von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) findet den Einsatz von PMSG nicht mehr zeitgemäß. „Was damals als sinnvoll betrachtet wurde, auch von der Wissenschaft, ist nach heutigem Wissen und heutigem Stand des Mensch-Tier-Verhältnisses überhaupt nicht mehr vertretbar.“

„PMSG übertüncht Managementfehler“, bestätigt Madeleine Martin. „PMSG und die hochgezüchteten Schweinerassen schaukeln sich hinsichtlich der Wurfgröße gegenseitig nach oben“, kritisiert sie weiter. Große Würfe verursachen die bekannten Probleme mit Totgeburten und lebensschwachen Ferkeln. Eine Sau kann aus biologischen Gründen nur eine begrenzte Anzahl lebensfähiger Ferkel gebären und versorgen. 20 und mehr Ferkel pro Wurf führen automatisch zu einer höheren Ferkelsterblichkeit.

„Blutstuten werden getreten, geschlagen und in Boxen fixiert“

Auch die Gewinnung von PMSG aus dem Blut trächtiger Stuten ist tierquälerisch. So werden im Dokumentarfilm Bilder gezeigt, die im August 2023 in zwei Blutfarmen gefilmt wurden. Sie werden den Aufnahmen von 2021 gegenübergestellt, die in Island zu einer öffentlichen Debatte geführt haben.

Den Tieren wird auf brutalste Weise Blut abgezapft, da Pferdeblut das Fruchtbarkeitshormon PMSG enthält.
Den Tieren wird auf brutalste Weise Blut abgezapft, da Pferdeblut das Fruchtbarkeitshormon PMSG enthält. (Bild: Animal Welfare Foundation)

„Die neuen Aufnahmen zeigen, dass sogar in einer Blutfarm mit Stuten, die den Umgang mit Menschen gewöhnt sind, Gewalt und Zwangsmaßnahmen angewendet werden müssen, um das Blut abzuzapfen. Und darüber hinaus, dass die Tierquälerei nicht nur die Blutentnahme selbst betrifft, sondern auch die Blutprobennahmen für Laboruntersuchungen,“ berichtet Sabrina Gurtner nach Auswertung der Videos.

„Blutfarmen haben keine Berechtigung mehr“

„Die Blutstuten werden getreten, geschlagen und in verletzungsgefährdenden Boxen so fixiert, dass es jederzeit zu schweren Unfällen kommen kann.“
„Die Blutstuten werden getreten, geschlagen und in verletzungsgefährdenden Boxen so fixiert, dass es jederzeit zu schweren Unfällen kommen kann.“ (Bild: Animal Welfare Foundation)

 „Die Blutfarmen haben keine Berechtigung mehr, denn es gibt Alternativen für den Einsatz von PMSG durch hormonfreie Methoden oder synthetische Präparate,“ fordert Sabrina Gurtner. Das Europäische Parlament forderte bereits im Oktober 2021 in einer Resolution die EU-Kommission auf, einen Importstopp zu verhängen und für ein Gewinnungsverbot in den Mitgliedsstaaten zu sorgen.

(Quelle: Animal Welfare Foundation)