Pferdeblutfarmen in Island: Trächtige Stuten werden für unser billiges Schweinefleisch gequält

Pferdeblutfarmen in Island: Trächtige Stuten werden für unser billiges Schweinefleisch gequält
Die Methode zur Blutabnahme ist grausam. Aus dicken Schläuchen im Hals fließt es in Behälter am Boden. (Bild: Animal Welfare Foundation)

In Island wird trächtigen Stuten auf brutale Art literweise Blut abgezapft. Das Pferdeblut enthält ein Schwangerschaftshormon, das hierzulande in der Schweinezucht verwendet wird. Die Tiere leiden – und wir freuen uns über billige Schnitzel. Auch Landwirte unserer Region verwenden das Medikament. Bis jetzt…

Unzählige halbwilde Stuten, die kaum Kontakt zu Menschen haben, werden in Island für das Sexualhormon PMSG in ihrem Blut brutal ausgebeutet und misshandelt. Beteiligt sind laut dem Verein Animal Welfare Foundation (AWF) 100 Blutfarmen mit 5.000 Pferden.

Ein Blick auf die Blutfarm.
Ein Blick auf die Blutfarm. (Bild: Animal Welfare Foundation)

Auch bei uns kommt dieses Hormon zum Einsatz. In der Schweinezucht. Denn es sorgt dafür, dass der Hormonhaushalt der Zuchtsauen stimuliert wird. Damit werden sie zeitgleich empfängnisbereit und bekommen demzufolge auch möglichst zeitnah zueinander ihre Ferkel. Das hat für den Züchter den Vorteil, dass die industrielle Schweinefleischproduktion funktioniert wie am Fließband. Unser Schnitzel-Nachschub ist demnach wunderbar planbar. Doch wissen unsere Bauern überhaupt, WAS sie da einsetzen?

Stuten in Todesangst – Ein Beitrag, der unter die Haut geht

ARD „Plusminus“ hat letzte Woche in Zusammenarbeit mit dem Verein Animal Welfare Foundation (AWF) Originalaufnahmen gezeigt, die die Qualen der Tiere in Island dokumentierten. Die Stuten werden von Arbeitern mit Gegenständen geschlagen und mit Hilfe einer Schar kläffender Hunde in enge Stände getrieben.

Den Stuten wird in Todesangst eine Injektionsnadel in den Hals gerammt. Mit dicken Plastikschläuchen werden den Tieren bis zu 7 Liter Blut abgezapft. Infolge der Panik während dieser Tortur verlieren einige Stuten ihre Fohlen. Die sind allerdings nur Nebenprodukte der Blutfarmen. Sie landen zum Beispiel in unserem Hunde- und Katzenfutter.

Die Tiere haben Todesangst während der schmerzhaften Prozedur.
Die Tiere haben Todesangst während der schmerzhaften Prozedur. (Bild: Animal Welfare Foundation)

Sollte ein Pferd nicht mehr trächtig sein, wird sich das schnellstmöglich wieder ändern. Denn ohne Schwangerschaft fehlt das begehrte Hormon im Blut und das Tier ist nutzlos. Das Video wurde teilweise mit versteckter Kamera gedreht und schockte nicht nur Pferdeliebhaber.

Heimische Schweinezüchter geschockt vom Vorgehen der Blutfarmen

Bei Martina Magg-Riedesser, 1. Stellvertretende Vorsitzende des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen, blieb am Tag nach der Ausstrahlung des Videos das Telefon nicht mehr still: „Das ist doch furchtbar, hast du das gewusst?“

Landwirte von Schweinezuchtbetrieben konnten dieses Elend ebenso wenig fassen wie sie selbst. „Jeder weiß, dass die Schweinehalter in Deutschland unter Druck stehen. Sie kämpfen gegen schlechte Verkaufspreise und hohe Betriebskosten. Die hohen Auflagen machen mürbe und zwingen immer wieder dazu, ihre Ställe umzugestalten. Viele spielen sogar mit dem Gedanken, die Betriebe zu reduzieren. Aber so ein Tierleid braucht die Bauernschaft nicht, da muss es andere Möglichkeiten geben. Auch wenn das Hormon ein hilfreiches Mittel ist, geht der Tierschutz generell vor,“ so Magg-Riedesser: „Wer sein Vieh nicht liebt, der hat auch keinen Erfolg.“

Dicht beieinander stehen die Bretterverschläge, in die die Tiere getrieben werden.
Dicht beieinander stehen die Bretterverschläge, in die die Tiere getrieben werden. (Bild: Animal Welfare Foundation)

PMSG auch in unserer Region im Einsatz

Tierarzt Dr. Stefan Birk von Hausen/Bussen ist seit über 30 Jahren auf den Höfen der Bauern unterwegs und weiß, dass das Sexualhormon PMSG in unserer Region sowohl von größeren als auch von kleineren Betrieben zur Managementsteuerung eingesetzt wird.

Auch Birk bekam nach der Sendung viele Anrufe. Es waren Ferkelzüchter, die das Hormon einsetzen und das Stutenelend auf Island nicht fassen konnten. „Keiner wusste, welche Qualen für die Stuten hinter dem Präparat stecken und fragten nach biochemischen Alternativen.“ Doch „…die funktionierten bislang nicht“, berichtet Birk aus Erfahrung.

Die Fohlen sind ein „Nebenprodukt“ der Blutfarmen. Sie landen unter anderem im Hundefutter.
Die Fohlen sind ein „Nebenprodukt“ der Blutfarmen. Sie landen unter anderem im Hundefutter. (Bild: Animal Welfare Foundation)

Was bringt das Pferde-Hormon für den Zuchtbetrieb von Schweinen?

Nach dem Absetzen der Ferkel werden die Muttersauen durch das Spritzen des Medikaments schneller wieder brünstig. Ihr Eisprung erfolgt früher und sie werden schneller trächtig. Alle Sauen können gleichzeitig besamt werden und der Zeitpunkt der Geburten ist genau planbar. Für den Zuchtbetrieb ist das ein enormer Vorteil, da in ein paar Tagen das Geburtsszenario bei allen Sauen vorbei ist und die Züchter die Ferkel in der gewünschten Anzahl an die Aufzucht- bzw. Mastbetriebe liefern können.

„Die Infektionskette beim Abferkeln und kurz danach wird dadurch unterbrochen. Hygiene ist hier das Wichtigste. Der Züchter kann in einem Abwasch alles durchreinigen und wieder desinfizieren. So werden Infektionskrankheiten verhindert, sowohl für die Ferkel als auch für die Muttersauen. Zudem spart der Bauer Kosten für Behandlungen,“ so Birk.

Die „Tierpfleger“ schlagen auch auf die verängstigten Pferde ein, um sie zur Blutabnahme zu bewegen.
Die „Tierpfleger“ schlagen auch auf die verängstigten Pferde ein, um sie zur Blutabnahme zu bewegen. (Bild: Animal Welfare Foundation)

Beziehung zwischen Mensch und Tier fehlt

Birk selbst kennt ähnliche solcher Filme und findet die Vorgehensweise verwerflich. „Man müsste mit den Stuten anders umgehen und Vertrauen aufbauen.“ Aus Erfahrung weiß Birk, dass es Schweinebetriebe gibt, in denen der Bauer neben einer Sau steht und sie streichelt, solange Blut zu diagnostischen Untersuchungen abgenommen wird – komplett ohne Fixierung. Die Sau macht keinen Mucks und bleibt ruhig stehen. So kann es auch gehen.

Die Verschläge sind so zusammen gezimmert, dass die Tiere sich kaum einen Zentimeter rühren können.
Die Verschläge sind so zusammen gezimmert, dass die Tiere sich kaum einen Zentimeter rühren können. (Bild: Animal Welfare Foundation)

Eber statt Hormonkeule bei Bad Buchau

Auf dem Schweinezuchtbetrieb von Heinz Scheffold bei Bad Buchau wird kein Sexualhormon eingesetzt. „Bei uns regeln mehrere Eber auf natürliche Weise den Deckvorgang, da wir eine andere Philosophie haben. Die Sauen riechen das Testosteron des Ebers und werden dadurch stimuliert. Nicht zu vergessen die Preisfrage. Wer das Hormon-Präparat benutzt, muss pro Sau bis zu 20 Euro bezahlen.“ Scheffold und einige seiner Kollegen wollen nicht, dass die Landwirte schuld am Leid der Stuten sind.

Hoffnung auf synthetische Alternative zu Qual-Hormonen

Ein Tierarzt aus der Region (er möchte seinen Namen nicht nennen) weiß von einem aktuellen Feldversuch mit einem synthetisch hergestellten Präparat und kennt Züchter, die es bereits mit gutem Erfolg einsetzen. „Wenn alles weiterhin so funktioniert, kann es gut sein, dass das Thema rund um das Qualhormon PMSG in einem Jahr Geschichte sein wird.“ Ein Jahr, indem noch tausende Liter Pferdeblut durch Plastikschläuche fließt…

Pferde sind Fluchttiere. Hunde treiben sie in Pferche und versetzen sie in nackte Panik
Pferde sind Fluchttiere. Hunde treiben sie in Pferche und versetzen sie in nackte Panik. (Bild: Animal Welfare Foundation)