Tätowierer zur Corona Politik: Wir wurden vergessen!

Tätowierer zur Corona Politik: Wir wurden vergessen!
Der Tattoo- und Piercerladen "InkZeit" in Pfullendorf. (Bild: InkZeit)

Pfullendorf (dpi) – Der Lockdown setzt der Wirtschaft weiter zu. Der Shopmanager von InkZeit Dirk Plaszewski erzählt über seine Situation im Lockdown. Bundestagsabgeordneter Benjamin Strasser (FDP) ist ebenfalls aufgebracht über die Politik der Regierung.

Der gebürtige Freudenstädter Dirk Plaszewski ist seit 2017 Shopmanager von InkZeit. „Die Gründung von unserem InkZeit Shop in Pfullendorf war damals eine Schnapsidee“ erzählt er im Gespräch mit WOCHENBLATT. Mittlerweile aber sei aus der Schnapsidee eine tolle Sache geworden. „Wir sind eine kleine Familie“ so Plaszewski.

Zusammen mit seinem Freund Pablo hat er den Shop gegründet. Ein mittlerweile 5-köpfiges Team, davon 4 am Standort Pfullendorf und eine Shopmanagerin in dem 2019 gegründeten Shop in Freudenstadt arbeiten in dem Betrieb.

Im Oktober 2020 hatten sie ihren Umzug in Pfullendorf bereits geplant. Doch auch Corona erschwerte die Verlegung des Shops von der Hauptstrasse zur Uttengasse. Aufgrund Geldmangels musste man immer wieder Baustopp einlegen. Durch die Unterstützung von Freunden und Bekannten aber habe man es geschafft fast alles fertigzustellen.

Not macht Erfinderisch

Ende 2020 entschloss sich das InkZeit Team zur Umsetzung eines Onlineshops. „Den Kopf in Sand zu stecken macht keinen Sinn“ ist sich Shopmanager Dirk Plaszewski sicher.

Im Januar dieses Jahres ging der Shop dann ans Netz. Möglich gewesen wäre das ohne Team und Freunde nicht. „Ja wir lieben was wir tun. Das hält uns zusammen. Jeder trägt, so wie ihm möglich, seinen Teil dazu bei“ so Plaszewski.

„Komplett unfair wie wir teilweise in der Gesellschaft behandelt werden“

Der Unmut über den ersten und aber auch jetzt den zweiten Lockdown ist groß. Zu Beginn des ersten Lockdowns habe nicht einmal jemand sagen können, ob Tätowierer und Piercer nun schließen müssen oder nicht.

Dirk Plaszewski ist aufgebracht: „In den weiteren öffentlichen und politischen Debatten sind wir komplett untergegangen!“. Ein großes Problem sei hierbei auch die fehlende Anerkennung. „Gesellschaftlich sind wir vielleicht nicht in allen Schichten anerkannt und respektiert, aber auch wir haben die Jahre zuvor unsere Steuern bezahlt und von Gehältern unsere Miete, Essen und die vielen anderen nötigen Dinge bezahlt.“ so der Shopmanager. Die Wertstellung der Tattoostudios habe man nun in der Öffentlichkeit deutlich zu spüren bekommen.

„Wir befinden uns in der Mitte der Gesellschaft“ ist sich Dirk Plaszewski sicher, weiter sagt er: „Und Ja unsere Arbeit macht uns Spaß und der Umgang untereinander ist mit Sicherheit lockerer wie in manch anderen Berufszweigen, aber deswegen sind wir doch als Mensch nicht weniger Wert.“

FDP Politiker Strasser sieht Situation ebenfalls kritisch

„Es gibt aus meiner Sicht keine Branchen erster und zweiter Klasse.“ ist sich der Benjamin Strasser, der für die FDP im Bundestag sitzt, sicher. Es brauche nun klare Öffungsperspektiven für diejenigen, die Hygienauflagen umsetzen und einhalten können.

Weiter dürfe es keine Bevorzugung von Branchen geben. Der Bundesregierung wirft er vor, das genau das gerade passiere. „Selbstständige gehen bei den Hilfsprogrammen über ein Jahr nach Beginn der Pandemie immer noch oft leer aus“ so Strasser.

Benjamin Strasser ist Bundestagsabgeordneter für die FDP (Bild: Tanja Ruetz)

Das Trauerspiel Soforthilfen

Oft genug sei Dirk Plaszewski angesprochen worden, die Situation sei für InkZeit aufgrund der Unterstützung über die Soforthilfen nicht so Schlimm. Im ersten Lockdown hatte InkZeit noch 9000 Euro Hilfen bekommen, ein Tropfen auf den heißen Stein. Seit November 2020 ist das Unternehmen leer ausgegangen. Kein Einzelfall – in mehreren Gesprächen von WOCHENBLATT mit Selbstständigen Gastronomen, Friseuren und Einzelhändlern wurde klar, dass bei vielen Unternehmen die Soforthilfen noch nicht eingetroffen sind.

Im Vergleich zum ersten Lockdown haben sich auch die Richtlinien bezüglich der Soforthilfen verändert. Viele Unternehmer sind nun, trotz Schließung, aus den Soforthilfen raus gefallen.

„Wir erleben hier ein Regierungsversagen ungeheuren Ausmaßes“ sagt der FDP Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser. Der in Weingarten geborene Politiker kritisiert das Vorgehen der Regierung. Die Bazooka, so kündigte Bundeswirtschaftsminister Scholz (SPD) die Soforthilfen für den nun seit November andauernden Lockdown an, habe man laut Strasser nur mit Platzpatronen geladen.

Als Alternative zu dem bisherigen Soforthilfen-System hat die FDP das „Kieler Modell“ vorgeschlagen. Eine Auszahlung würde dann über die Finanzämter funktionieren.

„Es geht hier doch um die Gesundheit?“

Ab 1. März dürfen Friseursalons in Deutschland wieder öffnen, darauf hatten sich Bund und Länder am 10. Februar geeinigt. Dirk Plaszewski freut sich für seine Freunde und Nachbarn, unter denen auch Friseure vertreten sind. Doch, dass er sein Studio weiterhin geschlossen halten muss, versteht er nicht.

Das Infektionsrisiko sei laut RTL-Gesundheitsexperte Dr. Specht nicht höher wie bei Friseuren oder Kosmetikern und Übertragungen des Virus über Wunden seien bisher noch nicht nachgewiesen.

Bereits vor Corona hatten Tätowierer hohe Hygieneauflagen. „Masken tragen, Desinfizieren und Vorsichtig sein sind für uns keine Fremdwörter“ ist Plaszewski überzeugt.

Das InkZeit Pfullendorf-Team: v.l.n.r.: Pablo, Steff, Viki und Dirk (Bild: InkZeit)

Es wird langsam eng

Beim Tätowierer und Piercer Team InkZeit wird es langsam eng. Aus eigener Kraft ist es den Hautkünstlern nicht mehr möglich, den Lockdown zu überstehen. Plaszewski ist dankbar für die Unterstützung seines Teams, von Freunden und Kunden: „ Das sind Menschen mit Herz und Verstand die uns helfen. Durch diese Unterstützung sehen wir dem ganzen trotz alledem Positiv entgegen und können uns glücklich schätzen. Wir werden die Sache schon hoffentlich irgendwie überleben“.