Regionale Kliniken sind unterfinanziert

Regionale Kliniken sind unterfinanziert
Beate Jörißen (Sana Klinken Landkreis Biberach), Dr. Jan-Ove Faust (SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen) und Winfried Leiprecht (Oberschwabenklinik gGmbH) äußerten sich zu aktuellen Problemen ihrer Kliniken. (Bild: Sana Klinikum Biberach/SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen/Oberschwabenklinik)

Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach versucht die Krankenhausfinanzierung neu zu regeln. Bis diese in Kraft tritt und wie sie am Ende aussehen wird, ist noch ungewiss. Aktuell leiden die Kliniken unter massiven Finanz- und Mitarbeiterproblemen. Wir fragten deshalb bei der Oberschwabenklinik, Sana Klinik Landkreis Biberach und SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen nach, wo aktuell der Schuh drückt und baten um einen Blick in die Zukunft.

Wie viele Planbetten haben Sie?

Dr. Jan-Ove Faust (Geschäftsführer SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH und MVZ-Tochtergesellschaften): Aktuell haben wir 523 Planbetten einschließlich unserer Klinik für Psychiatrie nach dem Krankenhausplan des Landes. Die Anzahl der vom Land zugeordneten Planbetten wird ermittelt aus Einwohnerzahl und -struktur, Verweildauer, Einweisungshäufigkeit und Bettenauslastungsgrad. Im Zuge der Umsetzung des Medizinischen Konzepts für den Landkreis Sigmaringen, welches von den Gesellschaftern der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH im März 2022 festgelegt wurde, planen wir derzeit 432 Betten – inklusive Psychiatrie und Tagesklinik. Dieser akut-stationäre Versorgungsbedarf wurde z. B. aufgrund der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung und der zunehmenden Ambulantisierung berechnet.

Beate Jörißen (Geschäftsführerin Sana Kliniken Landkreis Biberach): Im Sana Klinikum Landkreis Biberach gibt es 370 Betten. werden derzeit zwischen 350 und 360 Betten bedarfsabhängig sowie abhängig von den vorhandenen Personalkapazitäten betrieben.

Winfried Leiprecht (Marketing und Unternehmenskommunikation Oberschwabenklinik gGmbH): Die Oberschwabenklinik verfügt über 909 Planbetten, davon 855 in den Akuthäusern und 54 in der Geriatrischen Rehabilitation.

Wie viele davon können aktuell belegt werden?

Faust: Die Auslastung ist fließend. Durchschnittlich liegt diese zwischen 85 und 98 Prozent. Einflussfaktoren auf die Bettenkapazität sind beispielsweise Feiertage und Ferienzeiten, die Personalsituation (z.B. Krankheitsausfälle), wie erfolgreich Patienten in Einrichtungen wie z.B. Reha-Kliniken, Pflegeeinrichtungen weiterverlegt werden können, sobald die Behandlung im Klinikum abgeschlossen ist oder die Entlasszeiten bei Beendigung der stationären Patientenaufenthalte.

Jörißen: Derzeit werden derzeit zwischen 350 und 360 Betten bedarfsabhängig sowie abhängig von den vorhandenen Personalkapazitäten betrieben.

Leiprecht: Wir belegen derzeit etwa 620 Betten

Was sind ggf. die Gründe dafür?

Faust: Diese ergeben sich aus den zuvor gegebenen Auskünften.    

Jörißen: Grundsätzlich bekommen auch wir hier im Landkreis Biberach den bundesweiten Fachkräftemangel zu spüren, wodurch es in der Bettenanzahl zu vorübergehenden Schwankungen kommen kann.

Leiprecht: Es gibt mehrere Gründe für nicht betriebene Betten.

  • Am Krankenhaus Bad Waldsee (85 Planbetten) ist die Chirurgie mittlerweile geschlossen. In der Inneren Medizin (laut Kreistagsbeschluss noch geöffnet bis 30.9.2023) sehen wir nur noch die Belegung von 14 Betten vor.
  • Im Heilig-Geist-Spital können für die Geriatrische Reha (54 Planbetten) nur 44 Betten aufgestellt werden.
  • In unseren beiden großen Akuthäusern St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg und Westallgäu-Klinikum in Wangen können wir derzeit wegen des bekannten Personalmangels vor allem in der Pflege Betten nicht betreiben die wir gerne betreiben würden. Dies betrifft etwa 100 Betten. Das ist auch die Größe, über die wiederholt öffentlich berichtet und diskutiert wurde. Wichtig ist uns in diesem Zusammenhang, dass die OSK konsequent die Pflegepersonaluntergrenzen einhält.

Achtung! Die Planbettenzahl ist eine krankenhausplanerische Größe und nicht die Zahl, die wir für den ständigen Betrieb vorsehen. Diese kann je nach Bedarf schwanken.  Während der Infektionswellen in der kälteren Jahreszeit benötigen wir zum Beispiel stets mehr Betten für solche Patienten als im Sommer.

Befürchten Sie finanzielle/existenzielle Probleme durch die derzeitige Form der Klinikfinanzierung?

Faust: Aufgrund des derzeitigen Systems der Klinikfinanzierung sind wir, aber auch andere Kliniken bundesweit, bereits in einer sehr kritischen Situation. Die Betriebskosten der Krankenhäuser, also alle Kosten, die für die Behandlung von Patienten entstehen, werden von den Krankenkassen finanziert, die Investitionskosten hingegen durch die Bundesländer. Da diese Investitionskostenfinanzierung nicht auskömmlich ist, müssen die Kliniken die Investitionskosten aus dem laufenden Betrieb erwirtschaften. Aufgrund der Pandemie hat jedoch bereits die Deckung der Betriebskosten nicht mehr funktioniert. Die drastische Energiekostensteigerung und die Inflation, infolge des Ukrainekriegs, haben die bereits prekäre wirtschaftliche Situation für die Kliniken noch weiter verschärft.

Jörißen: Die bislang ausschließlich leistungsabhängige Finanzierung von Kliniken im Rahmen der sogenannten DRGs bietet unter anderem keinen Ausgleich für die massiv gestiegenen Sachkosten, sodass die bestehende Unterfinanzierung von Krankenhäusern weiter massiv zunimmt.

Leiprecht: Diese befürchten wir nicht nur, wir erleben sie jeden Tag. In ganz Deutschland haben die Kliniken Probleme mit ihrer Finanzierung. Laut einer Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), unserem Spitzenverband, bewerten 97 Prozent der Kliniken ihre wirtschaftliche Lage als schlecht. Wir gehören dazu.

Viele Leistungen waren schon bisher chronisch unterfinanziert. Jetzt zeigen zudem die Kurven bei den Kosten inflationsbedingt steil nach oben.  Von den anstehenden Tarifabschlüssen erwarten wir auch im Personalbereich einen deutlichen Kostenschub. Zuletzt hatten wir mit Belastungen durch Corona oder aktuell durch die Energiekrise zu kämpfen. Wir sind dankbar für alle Hilfsprogramme. Sie haben aber schon diese Mehrbelastungen nicht ausgeglichen. Mit der anziehenden Inflation kommt nochmals eine ganz andere Größenordnung auf uns zu.

Welche Maßnahmen müsste die Politik zeitnah ergreifen, um die wirtschaftliche Schieflage der/Ihrer Kliniken zu mindern?

Faust: Es muss vor allem zu einer gesicherten Finanzierung der derzeitigen Kostenlücken kommen. Da die Kliniken die Preise für Ihre medizinischen Leistungen nicht selbst bestimmen, ist eine alternative Finanzierung der Betriebskosten erforderlich. Hierfür brauchen wir entsprechende staatliche Mechanismen, um auskömmlich zu sein. Diese sind im aktuell vorliegenden Reformentwurf weiterhin ungeklärt. Grundsätzlich begrüßen wir jedoch das Reformvorhaben. Doch die geplante Größenordnung für die Vorhaltekosten ist aus unserer Sicht noch unzureichend, denn damit werden die Fixkosten der ländlichen Vorhaltung nicht ausreichend gedeckt. Zu den Vorhaltekosten gehören z.B. die Sicherstellung der Notfallversorgung und das Vorhalten von Personal. In ländlichen Regionen ist der Anteil der Vorhaltekosten weitaus höher, da für eine Region mit einer geringeren Bevölkerungsdichte eine vergleichbare Struktur wie in Städten vorgehalten werden muss. Die Folge ist ein hoher Fixkostenblock, der sich auf die finanzielle Lage auswirkt. Es muss selbstverständlich auch die Investitionskostenfinanzierung tragfähig geregelt werden.

Jörißen: Erforderlich sind daher kurzfristige Finanzhilfen, um die Auswirkungen von Inflation und gestiegener Kosten für Energie und Lebensmittel aufzufangen. Kliniken in Deutschland benötigen in diesem und im kommenden Jahr laut DKG 15 Milliarden Euro Soforthilfe, da sie die gestiegenen Kosten nicht einfach an die Patienten weitergeben können. Im Sinne einer planvollen Transformation der Krankenhausstrukturen sowie für notwendige Investitionen in die Krankenhausinfrastruktur ist darüber hinaus eine Finanzierung über einen Strukturfonds über 40 Milliarden Euro bis 2030 notwendig.

Darüber hinaus sprechen wir uns, neben den finanziellen Aspekten, für eine Deregulierung und Entbürokratisierung aus, um unsere Mitarbeitenden zu entlasten und Spielräume für die Patientenversorgung zu schaffen. Die Arbeitsbelastung des Krankenhauspersonals ist in den vergangenen Jahren zu einem großen Teil auf immer komplexere und umfassendere Dokumentationen und Vorgaben zurückzuführen.

Leiprecht: Wir schließen uns dem Vorschlag der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft) an, vor einer großen Krankenhausreform zunächst ein Vorschaltgesetzt mit für die Krankenhäuser lebensrettenden Sofortmaßnahmen zu erlassen.  Weiter mahnt die DKG, dass sich Bund, Länder und Krankenversicherungen angemessen an der Vorhaltefinanzierung, dem Aufbau eines Strukturfonds und der Finanzierung ambulanter Leistungen in Krankenhäusern beteiligen. Das Einstellen von Geldern dafür verlangt die DKG schon für 2024. Dem können wir uns voll inhaltlich anschließen.