Zur Milch gehört auch das Fleisch Bio-Musterregionen setzen sich für mehr Tierwohl ein

Bio-Musterregionen setzen sich für mehr Tierwohl ein
Aufwachsen in der Herde beim Muttertier: Dieses Glück soll zukünftig mehr Kälbern in der Bodenseeregion zuteilwerden. (Bild: Elmar Feuerbacher)

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Eine Herde bunter Kühe und Kälber auf der Weide: zu schön um wahr zu sein? Die Initiative „Grasrind“ der Bio-Musterregionen Bodensee und Ravensburg macht es möglich. Und alle Beteiligten profitieren davon. 

Für Familie Klein mit ihrem Milchviehbetrieb im Deggenhausertal ist es eigentlich ganz einfach: „Wenn die Kuh Milch geben soll, muss sie jedes Jahr aufs Neue kalben. Wir halten unsere Kühe draußen, sie fressen hauptsächlich unser Gras und Heu. Weil wir nur Platz für 15 Kälber Platz haben, können wir nicht alle behalten“, erklärt Jonas Klein, der in dritter Generation den Hof führt.

Die Kälber, die er abgeben muss, nennt man Bruderkälber. Sie haben bisher keinen Wert auf dem Markt. Sie landen in einem Mastbetrieb, im besten Fall in Deutschland, sonst irgendwo in Europa. Die ersten Wochen oder Monate im Leben dieser Kälber auf der Weide in der Herde sind die schönsten. Den Rest ihres Lebens verbringen sie im Normalfall in einer Mastbox, mit Kraftfutter gemästet und dann geschlachtet. Jonas Klein will das so nicht hinnehmen.

Lucile Huguet von der Bio-Musterregion Bodensee auch nicht. Deshalb hat sie mit der Bio-Musterregion Ravensburg die Grasrind-Initiative aufgebaut. In diesem vom Land Baden-Württemberg geförderten Projekt kümmert sich die Regionalmanagerin darum, dass möglichst viele Kälber in der Region bleiben, mit einem hohen ökologischen Standard aufwachsen können und am Ende auch hier geschlachtet werden. „Ohne das Fleisch funktioniert es nicht. Man kann sagen: Wer Milch will, muss auch das Fleisch essen“, erklärt Huguet. Geschätzt kommen auf einen Liter Milch rund 25 Gramm Fleisch.

Keine Futtermittel, die vorher auf einem Acker angebaut werden

Deshalb hat sie Milchviehbetriebe mit Mastbetrieben in der Region vernetzt, die auf Weidehaltung setzen. Hier bekommen die Tiere viel Auslauf, keine Antibiotika und vorwiegende Grasfütterung: „Kühe können Gras und Heu hervorragend verwerten. Futtermittel, das extra angebaut werden müsste und teilweise aus Übersee importiert wird, kommt bei uns nicht zum Einsatz“, sagt Simon Hack, der bei Überlingen einen Mastbetrieb führt. Hier wachsen die Kälber zu Rindern heran, rund zwei Jahre lang. In dieser Zeit leisten die Tiere einen wichtigen Beitrag: Sie pflegen die Kulturlandschaft und sorgen mit ihrem natürlichen Dünger für den wichtigen Humusaufbau.

Jetzt kommt das nächste Glied in der Kette: der Schlachthof. Matthias Minister hat nicht nur einen besonderen Nachnamen, er führt auch ein besonderes Unternehmen. Sein Zerlegebetrieb Fairfleisch in Überlingen nimmt nur Tiere aus der Region, maximal 60 Kilometer entfernt. Bei den Rindern von Simon Hack sind es nur zwei Kilometer. „Es gibt kaum mehr mittelständische Zerlegebetriebe. Das meiste Fleisch wird in großen Schlachthöfen verarbeitet, lange Transportwege inbegriffen. Das ist nicht gut für die Tiere und auch nicht für das Klima“, erklärt Minister. Das Grasrind-Fleisch, das seinen Betrieb verlässt, hat ausschließlich Bio-Qualität – und die Idee der kurzen Wege setzt sich fort.

Von der Weide auf den Teller: ein regionaler Kreislauf

Die Vermarktung von regionalem Fleisch in Bio-Qualität ist nicht ganz einfach, denn es hat seinen Preis. Schließlich zahlt man nicht nur für ein paar Proteine auf dem Teller, sondern auch für eine nachhaltige Milchproduktion, Tierwohl, Artenvielfalt und Landschaftspflege – und einen besonders guten Geschmack. Das ist unterm Strich auch das entscheidende für Michael Ganster, Küchenchef der Sparkassen-Kantine in Friedrichshafen. „Wir leben in und von der Region, unsere Kunden kommen von hier – warum nicht auch unser Essen. Ja, es ist im Einkauf etwas teurer. Aber mit einem ausgewogenen und abwechslungsreichen Speiseplan lässt sich das gut ausgleichen. Und dafür erhalten wir eine Landwirtschaft mit vertretbarer Tierhaltung. Das wünschen sich doch alle.“

Auch Familie Klein aus dem Deggenhausertal gönnt sich ab und an ein Grasrind – und so schließt sich der Kreis. „Wenn wir in normalen bäuerlichen Maßstäben arbeiten, unseren Tieren ein gutes Leben geben und die Umwelt nicht überlasten wollen, dann gehört zur Milch auch das Fleisch. Wer A sagt, muss auch B sagen“, bringt Jonas Klein es auf den Punkt.

(Pressemitteilung: Musterregion Bodensee)