Friedrich Merz hat bei der Kanzlerwahl die notwendige absolute Mehrheit verfehlt. Die ersten Live-Kommentare der AfD-Vorsitzenden Dr. Alice Weidel und Timo Chrupalla im Fernsehen und Rundfunk zeigten, dass diese Partei jetzt Morgenluft wittert. Beide forderten umgehend Neuwahlen zum Bundestag. Weidel sagte u.a.: „Merz ist schon jetzt gescheitert!“
Bodo Ramelow (Linke) war angesichts des Wahlausganges bestürzt. Er erhob Vorwürfe an Union und SPD und meinte, dass beide Parteien damit den Weg ein ungeordnetes Wahlverfahren eingeleitet hätten, wie es einst bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen der Fall war. 2020 war unter seltsamen, teils chaotischen Umständen, Thomas Kemmerich (FDP) zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten (5. Februar bis 4. März) gewählt worden. Ramelow befürchtet, dass die Wahlniederlage von Merz im ersten Wahlgang Wasser auf die Mühlen der AfD sei und diese ohne Not stärke. Stimmen aus seiner Fraktion für Merz lehnte er direkt nach Verkündung des Wahlausgangs zunächst ab.
Gerster: „Dürfen Demokratiefeinden keine Angriffsfläche bieten“
Der Biberacher Abgeordnete Martin Gerster ist von der Situation überrascht und düpiert: „Heute ist ein historischer Tag – allerdings anders, als ich es mir gewünscht hätte. Die SPD-Fraktion war bei der Wahl des Bundeskanzlers vollzählig anwesend. Mir liegen keine Hinweise darauf vor, dass die SPD-Fraktion nicht auch vollständig gestanden hat. 85 Prozent Zustimmung für den Koalitionsvertrag beim SPD-Mitgliedervotum sind ein klarer Auftrag an die Fraktion. Ich bin mir sicher, dass auf die SPD Verlass ist. Jetzt geht es darum, mit den anderen demokratischen Fraktionen den weiteren Prozess zu klären und die Wahl des Bundeskanzlers geordnet fortzusetzen. Den Demokratiefeinden der rechtsextremen AfD dürfen wir keine weiteren Angriffsflächen bieten. Hier stehen die demokratischen Fraktionen gemeinsam in der Verantwortung, allen voran SPD und CDU/CSU mit dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.“
Reinalter: „Union und SPD müssen sich nun beweisen“
Auch die aus Laupheim stammende Abgeordnete Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen) macht sich Sorgen: „Die politische Lage in Deutschland, Europa und der Welt ist ernst. Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang gescheitert, das schwächt die zukünftige Regierung massiv. Wir brauchen nun aber eine handlungsfähige Regierung. Und eine handlungsfähige Regierung braucht eine eigene stabile Mehrheit aus sich heraus. Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Jens Spahn und Matthias Miersch müssen nun beweisen, dass sie eine eigene Mehrheit haben: für die Kanzlerwahl und auch für die Regierungsarbeit der nächsten Jahre.”
Dahler: „Ich bin zuversichtlich“
Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Dahler (Uttenweiler) ist trotz der Vorkommnisse weiter zuversichtlich: „Es hat im ersten Wahlgang leider nicht gereicht, aber ich bin zuversichtlich, dass nach dem nächsten Wahlgang die neue Regierung starten kann. Denn wie unser deutscher Raumfahrer Alexander Gerst sagte: ‚Alle erfolgreichen Missionen haben mit Verspätung begonnen‘.“
Zweiter Wahlgang nach 15 Uhr
Ab 15.15 Uhr ein erneuter Wahlgang erfolgen. Dann wird sich zeigen, ob die fieberhaften Verhandlungen hinter geschlossenen Türen dafür sorgen, ob Merz die notwendige absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen kann.