Am vergangenen Wochenende wurde der Ehinger Landtagsabgeordnete Manuel Hagel zum Landesvorsitzenden des CDU-Landesverbandes Baden-Württemberg gewählt. Er folgte auf Thomas Strobl, der 12 Jahre Vorsitzender im „Ländle“ war. In seiner Bewerbungsrede überzeugte Hagel die Delegierten und fuhr bei der Wahl mit 91,5 Prozent Stimmen ein überzeugendes Ergebnis ein.
Hagel stellte sich dem Wochenblatt für ein Interview.
Herr Hagel, die CDU ist Junior-Partner in der Landesregierung. Mit welchen Zielen und Schwerpunkten wollen Sie wieder zur stärksten Kraft im Ländle werden?
Also wir sehen das mit einem sportlichen Pragmatismus: Wer Zweiter ist, muss auch Erster werden wollen. Das ist – glaube ich – ganz gut so. Voraussetzung dafür ist, dass wir Christdemokraten immer am stärksten sind, wenn wir nach innen zusammenführen und nach außen zusammenführen.
Ziel muss es doch sein, die Herausforderungen zu lösen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Wir spüren es alle: wir befinden uns in einem Jahrzehnt der Krisen. Hier wollen wir als Volkspartei der Mitte Halt, Orientierung und Sicherheit geben.
Die Gemeinden und Landkreise haben das Gefühl, bei der Flüchtlingsfrage im Stich gelassen zu werden. Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie?
Am wichtigsten ist die Begrenzung der illegalen Migration klar auf Platz eins. Wir brauchen Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt und keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Damit dies gelingt müssen wir die Pull-Faktoren massiv reduzieren. Ein Mittel ist Sachleistungen, statt Geldleistungen einzuführen. Auch müssen wir bei Menschen, die kein Bleiberecht bekommen haben, bei den Abschiebungen viel konsequenter werden.
Hier muss die Bundesregierung endlich mehr Abkommen mit den Heimatländern vereinbaren, damit diese ihre Landsleute auch zurücknehmen. Das haben wir mit einem Beschluss bei unserem Landesparteitag nochmal bekräftigt.
Aktuell sorgen Demonstrationen mit Bannern des Islamischen Staates für Aufregung. Was muss veranlasst werden, damit solche Menschen, die unsere Demokratie verachten, unser Land verlassen müssen?
Hier zählt nur klare Sprache und Konsequenz. Wer die Scharia als Recht will, wer in einem Kalifat leben will, der muss wissen: Bei uns macht das Parlament die Gesetze und nicht der Prophet und bei uns gilt das Grundgesetz und nicht die Scharia.
Wer das nicht akzeptieren will, der hat auch in unserem Land nichts zu suchen. Gleichzeitig gilt: wer den Tod von Jüdinnen und Juden auf unseren Straßen feiert, hat das Wesen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht verstanden und will es offenbar auch gar nicht verstehen. Soweit hier das Ausländerrecht betroffen ist, muss dies auch zum Entzug des Aufenthaltsstatus führen. Diese Leute gehören abgeschoben aus unserem Land.
Immer mehr Kliniken werden geschlossen, ohne dass für die Bürger eine ambulante/teilstationäre Nachfolgestruktur angeboten wird. Wie wollen Sie das ändern?
Krankenhäuser sind die Pfeiler unserer Gesundheitsversorgung. Damit das auch in Zukunft so ist, muss die Bundesregierung die Krankenhausvergütungsreform dringend verbessern. Als Union ist für uns wichtig, dass die Ballungsgebiete und der ländliche Raum gleichwertig in den Fokus rücken. Medizinische Versorgung darf nicht nur in der Großstadt stattfinden. Hier können ambulante Kliniken, Überwachungskliniken oder auch Fachkliniken ein geeignetes Instrumentarium sein; zudem kann Medizinischen Versorgungszentren oder Regionalen Primärversorgungszentren eine wichtige Rolle zukommen.
Leider macht der SPD-Gesundheitsminister Lauterbach mit seiner NRW-Brille im Moment genau das Gegenteil: Er reguliert und spart unsere Krankenhäuser kaputt und macht aus unseren Krankenhäusern, kranke Häuser. Unser Vorschlag ist, dass wir die Krankenhausplanung bei den Ländern belassen und eine auskömmliche Finanzierung gewährleisten.
Viele Patienten finden schon jetzt keinen Hausarzt mehr, bei den Fachärzten ist die Situation teils dramatisch. Wo sehen Sie Ansatzpunkte, um wirksame Verbesserungen bei der ärztlichen Versorgung herbeizuführen?
Uns ist vollkommen klar, dass eine hochwertige stationäre Versorgung nur mit ausreichend qualifiziertem Personal gewährleistet ist. Deshalb arbeiten wir für ausreichend Studienplätze im Bereich Humanmedizin. Mehr als ein Drittel aller Hausärzte im Land sind über 60 Jahre alt. Es ist offensichtlich, dass wir in den nächsten Jahren einen deutlichen Zuwachs an jungen Hausärztinnen und Hausärzten brauchen. In Baden-Württemberg haben wir mit der Landarztquote ein Instrument entwickelt, das im Ländlichen Raum zu positiven Effekten führt.
Dazu gehört aber auch die Erkenntnis, dass der Beruf des Hausarztes weiblicher wird. Damit sind ganz neue Anforderungen verbunden, denen wir Rechnung tragen müssen. Mir sagen viele Hausärztinnen und Hausärzte im Land, dass sie vor Allem die riesige Flut an Statistiken und Regulierung lähmt. Das heißt weniger Dokumentation und mehr Zeit am Patienten.
Die Gesundheitsversorgung ist eigentlich eine staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge. War es ein Fehler der Politik, dieses Feld den privaten Unternehmen zu überlassen?
Der Blick ins Land zeigt, dass es in Baden-Württemberg zu keiner Privatisierungswelle der Gesundheitsversorgung gekommen ist. Das zeigt sich besonders deutlich an den Krankenhäusern: Von den 53.600 Krankenhausbetten im Land stehen nur 7.800 in einem privaten Krankenhaus. 10.000 Betten werden von freigemeinnützigen und 35.800 Betten von öffentlichen Trägern betrieben.
Die Ampelregierung in Berlin sollte jetzt alle Instrumente im Werkzeugkasten nutzen, um die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen so zu verbessern, dass öffentlichen Trägern wieder mehr Personal zur Verfügung steht. Das hat nicht nur mit der Vergütung zu tun. Oft sind es Themen wie verlässliche Planung von Dienstzeiten, Arbeitsbelastung und abgenutzte Arbeitsgerätschaften.
Die Versorgung mit wichtigen Medikamenten ist teilweise nicht mehr sichergestellt. Welche Fehler haben Politik und Verbände gemacht? Wäre es z.B. nicht zielführend und kostensparend, die Zahl der bisher 96 Krankenkassen deutlich zu verringern?
Wir wollen, dass unser Land wieder resilienter wird und dass wir wieder deutlich mehr Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa aufbauen. Das ist eine Lehre aus der Corona-Pandemie. Darauf haben wir für Baden-Württemberg die Ansiedlungsstrategie ins Leben gerufen. Hierin werden Unternehmen direkt angesprochen und ihnen der Weg zur Gründung oder der Ansiedlung zu uns ins Land geebnet.
Bei uns erforschen, entwickeln und produzieren rund 1.000 Biotech-, Medtech- und Pharmaunternehmen innovative Arzneimittel und Medizinprodukte. Baden-Württemberg ist damit ein herausragender Forschungs- und Produktionsstandort, der im Zusammenspiel mit der nationalen und der europäischen Ebene gestärkt werden muss. Genau das wollen wir stärken Ziel ist dabei, Produktionskapazitäten sowie Bevorratung bedarfsgerecht zu erweitern und Abhängigkeiten abzubauen. Hierzu leistet unser Forum Gesundheitsstandort einen wichtigen Beitrag.
Das Ländle war bisher technologisch als marktführender Automobilstandort bekannt. Wie kann die Landespolitik helfen, um die Transformation zu neuen Technologien zu unterstützen, damit diese Schlüsselindustrie nicht abgehängt wird? Welche Erwartungshaltung haben Sie dabei an die Bundesregierung?
Klimaschutz und Wirtschaftspolitik sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Daher werbe ich für weniger Ideologie und mehr Technologieoffenheit. Die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft gelingt uns nur gemeinsam. Innovationen sind der Schlüssel für einen modernen, attraktiven und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort. Ich bin mir sicher, dass unsere Industrie im Land neue Maßstäbe setzen kann, wenn es um Produktion klimafreundlicher Fahrzeuge geht. Wir wollen dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Unser Credo lautet: Klimaneutral werden und Industrieland bleiben.
Durch die ständigen Restriktionen der Landwirtschaft gegenüber, sinkt der Selbstversorgungsgrad mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen immer weiter ab. Was ist notwendig, um nicht in eine weitere Abhängigkeit vom Ausland zu geraten?
Sie sprechen es bereits in Ihrer Frage an: Unsere Bauernfamilien brauchen mehr Freiheit. Bäuerliche Betriebe sind doch die Klimaschützer, Umwelt- und Tierschützer Nummer eins! In Baden-Württemberg haben wir tolle regionale und hochwertige Lebensmittel. Den Bundeslandwirtschaftsminister scheint das wenig zu interessieren. Er kümmert sich lieber um weitere Verbote und Vorschriften, anstatt den Betrieben wirksam unter die Arme zu greifen.
Ich wünsche mir mehr Respekt und sinnvolle Unterstützung für unsere bäuerlichen Familienbetriebe, statt permanentes Misstrauen und immer neue Vorschriften. Jeder Verbraucher hat es im Laden selbst in der Hand – deshalb: Lassen sie uns regional und gesund einkaufen.
Viele Bürger fühlen sich durch die Energiekosten und Inflation überfordert, die Probleme erfassen auch den Mittelstand. Wie wollen Sie diesen Menschen wieder Zuversicht vermitteln?
Die Stimmung in unserem Land ist in den letzten Jahren irgendwie so schwermütig geworden. So vielen Leuten, die etwas leisten wollen, die Dinge verändern und verbessern wollen wird erklärt, warum etwas nicht geht. Ich finde wir brauchen gerade jetzt eine Agenda der Zuversicht. Wir sind doch ein super Land, ich möchte nirgendwo sonst leben. Wir sind spitze, nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch bei Wasserstoff, Maschinenbau, KI, Medizintechnik und Quantentechnologie. Unsere Mittelständler sind Weltklasse. Ebenso unser Handwerk.
Wir haben eine tolle Umwelt und Kulturlandschaft und sind das Land des Ehrenamts. Die Aufzählung könnte ich beliebig fortführen. Aus unserer Stärke heraus können wir alle Herausforderungen dieser Zeit packen. Ich bin mir sicher – dieses Land hat seine besten Zeiten nicht hinter sich, sondern noch vor sich!
Was wird die CDU unter Ihrer Führung tun, um im Ländle, der AfD und anderen Populisten das Wasser abzugraben?
Naja. Es ist doch so, dass mir viel zu viel über die AfD und viel zu wenig über die Probleme im Land diskutiert wird. Probleme lösen wir im Übrigen auch nicht dadurch, dass man sie tabuisiert. Deshalb ist es mal das Allerbeste, wenn wir an die Probleme ran gehen und sie lösen. Uns Christdemokraten unterscheidet von der AfD einfach alles – intellektuell und habituell und in der Sprache. Probleme löst man aber nicht mit Hass, Hetze und Fanatismus. Wir krempeln gemeinsam mit den Bürgern in unserem Land die Ärmel hoch.
Worin sehen Sie derzeit die größte Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie?
Die größte Gefahr besteht darin unser Land einzuteilen. In gute und schlechte Menschen, in Klimakleber und Klimaleugner und so weiter. Diese extremen Positionen und diese Nervosität führen doch dazu, dass ganze Familien, Freundeskreise und so viele mehr miteinander unversöhnlich werden. Wir Christdemokraten gleichen hier aus. Wir lassen die Menschen sein, wie sie sind. Weil jeder einzelne mal genauso gut ist, wie er ist.
Wir wollen die Menschen weder bevormunden, noch umerziehen. Das hat mit unserem Menschenbild zu tun, das wir aus unserer christlichen Wertearchitektur ableiten. Wir wollen ein Land, in dem jeder nach seiner eigenen Fasson glücklich werden kann. Uns geht es um die Chancengleichheit am Start und nicht um die Ergebnisgleichheit am Ziel. Und uns geht es um Maß und Mitte – den Mut auch ganz normal sein zu dürfen.