Für Obdachlose wird es langsam zapfig

Für Obdachlose wird es langsam zapfig
Der „Engel mit den Dreadlocks“ kennt die Stadt in allen Facetten und ist aus der Szene nicht mehr wegzudenken. (Bild: le)

Ravensburg (le) – Streetworker sitzen nicht im warmen Büro, sie gehen durch die Straßen und suchen den Kontakt mit Menschen, die durchs soziale Raster gefallen sind und meistens auch keine feste Bleibe haben. Einer von Ihnen ist der 51-jährige Bernhard Pesch. Seit August 2018 arbeitet der Diplomierte Sozialarbeiter, der aus der Behindertenarbeit kommt, als Streetworker in Ravensburg. Viel Zeit seines Arbeitsalltages verbringt er am Bahnhof, Marienplatz oder am Alten Friedhof, denn hier kann er Kontakte knüpfen und helfen. Er hört zu und begegnet allen auf Augenhöhe.

Hauptsächlich trifft Pesch Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße sehen, darunter Obdachlose mit Alkohol- und Drogenproblematik. Oft handelt es sich um Multiproblemlagen, bei denen eine psychische, seelische oder geistige Beeinträchtigung zugrunde liegt. Das Elternhaus war eine Katastrophe, die Schulzeit ein Desaster. Einmal volljährig halten es viele im Elternhaus oder im Jugendheim nicht mehr aus, haben keine Lust zu bleiben und fliehen auf die Straße.

„Mein Handwerkszeug sind das Handy und ein Auto“, so der Streetworker. Er ist Chauffeur bei Umzügen, Möbelpacker, begleitet bei Gerichtsterminen, Behördengängen, Arztbesuchen und ist Mädchen für alles. Oft kommen die Betroffenen zu ihm, sind mit der Bürokratie und den Schuldnern, die auf der Matte stehen, völlig überfordert und bitten um Hilfe. Im Gepäck schon mal einen blauen Plastiksack voller Papiere und vielen Bußgeldzetteln.

Für zwei seiner „Schützlinge“ hat Bernhard Pesch eine kurzfristige Unterkunft gefunden.
Für zwei seiner „Schützlinge“ hat Bernhard Pesch eine kurzfristige Unterkunft gefunden. (Bild: le)

Was ihm vor dem Winter große Sorgen macht ist die Tatsache, dass in der Region Wohnraum für die Obdachlosen fehlt. Natürlich gibt es in Ravensburg zwei Wärmeräume – einen für Männer und einen für Frauen, aber das sind schlichtweg nur Noträume und die Kapazität ist klein. Viele seiner „Schützlinge“ sprechen ihn an und betteln um ein eigenes Zimmer oder eine kleine Wohnung. Bernhard Pesch hat einige Vermieter, die einfachen Wohnraum zur Verfügung stellen, aber die kann er an einer Hand abzählen – und wenn voll ist, ist voll.

Eine wichtige Anlaufstelle für die Szene ist der Württemberger Hof in Ravensburg. Hier gibt es Direkthilfe in finanzieller Form durch das ALG 2, Fachberatung und zu bestimmten Zeiten eine warme Mahlzeit. Doch durch Corona ist das derzeitige Angebot auch eingeschränkt.

Das Konzept Streetwork stammt aus den USA. In Deutschland gibt es Sozialarbeiter, die auf der Straße arbeiten, seit den 1960er Jahren. Info: Wer gerne Wohnraum zur Verfügung stellt, kann sich melden: [email protected].