Zur Bundestagswahl wandte sich der Bundesverband der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) an die Parteien. In einer Vertreterversammlung wurde am 6. Dezember 2024 ein Beschluss gefasst, in dem die Forderungen der KBV mit deutlichen Worten formuliert wurden. Die Forderungen sind nach wie vor aktuell und müssten bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen im Politikbereich Gesundheitsversorgung Eingang finden.
Im Beschluss wurden u.a. die Leistungen der Ampel-Regierung als einen Stillstand des Gesundheitswesens für die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung bezeichnet. Zu lange habe die Politik die zunehmenden Probleme in der ambulanten Gesundheitsversorgung vernachlässigt. Zudem bemängelte die KBV, dass sich die Politik nicht wirklich um Problemlösungen bemüht hätten. Auch die Missachtung der Selbstverwaltung durch die Politik müsse beendet werden.
Die KBV ist Dachverband der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Sie organisiert mit diesen gemeinsam die flächendeckende wohnortnahe ambulante Gesundheitsversorgung und vertritt die Interessen der vertragsärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auf Bundesebene.
Erklärende Standpunkte der KBV zu den Themenfeldern wurden den sechs Forderungen an die Politik/Parteien vorangestellt.
Hier die Forderungen:
Selbstverwaltung tragende Säule des Gesundheitswesens
Einen „gemeinsamen Pakt für Selbstverwaltung“ als Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip im deutschen Gesundheitswesen. Gemeinsam mit unseren Partnern in der gemeinsamen Selbstverwaltung engagieren wir uns für eine nachhaltig finanzierte gesetzliche
Krankenversicherung (GKV), eine Versorgung nach dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse sowie den fortlaufenden Abbau von Bürokratie. Gesetzgeberische und politische Eingriffe in die Ausgestaltung der gemeinsamen Selbstverwaltung sind zu vermeiden.
Das Gesundheitswesen braucht verlässliche Gesundheitspolitik
Eine nachhaltige Unterstützung von freiberuflich-selbstständigen Strukturen in der ambulanten Versorgung und ein Ende der politischen Misstrauenskultur gegenüber den ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Ein Bekenntnis zum tragenden Organisationsprinzip „ambulant vor stationär“ im deutschen Gesundheitswesen ist dabei essenziell. Für die Aus- und Weiterbildung in der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung sind gesetzliche Maßnahmen zur Sicherstellung der zukünftigen ambulanten medizinischen Versorgung zu ergreifen. Die ambulante Weiterbildung in den Praxen ist zu fördern. Die seit 2013 erarbeitete Reform der Approbationsordnung der Ärztinnen und Ärzte ist umzusetzen.
Sicherung einer angemessenen Finanzierung
- Eine Analyse der GKV-Finanzen in den ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung. Wir schlagen einen Runden Tisch zur Priorisierung der Verwendung der Finanzmittel mit allen Beteiligten der Selbstverwaltung vor.
- Einen konsequenten Abbau der sachfremden Verwendung von Finanzmitteln der GKV, um Beitragsmittel der gesetzlich Versicherten für die ambulante Versorgung der Bürgerinnen und Bürger freizusetzen. Die versicherungsfremden Leistungen durch die GKV sind aus dem Leistungskatalog der GKV zu streichen bzw. alternativ vollumfänglich durch steuerliche Zuschüsse zu finanzieren.
- Die Schaffung von gleichen Zugangsvoraussetzungen und gleicher Vergütung für Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Krankenhäuser für eine erfolgreiche Ambulantisierung.
Gute Medizin braucht praxistaugliche Digitalisierung
- Konsequentes Umsteuern von Sanktionen hin zu Anreizen. Überzogene Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen, die nicht der guten Versorgung dienen, belasten die Praxen und ihre Teams. Als Sofortmaßnahme müssen die gesetzlichen Regelungen zu Regressen für verordnete Leistungen korrigiert und mit einer Bagatellgrenze, die unsinnige Prüfungen verhindert, versehen werden.
- Einen respektvollen Umgang mit unseren wertvollen Ressourcen durch deutliche Verschlankung von bürokratischen Prozessen, um mehr Zeit für Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Wir brauchen eine am Nutzen für Patientinnen und Patienten und Praxen orientierte Digitalisierung. Hierfür bedarf es stabiler und sicherer technischer und finanzieller Rahmenbedingungen. Im Interesse einer guten Medizin ist unsere Expertise einzubeziehen.
- Die Umsetzung eines Bürokratieentlastungsgesetzes in der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung sowie die gemeinsame Erarbeitung von Eckpunkten für ein Praxiszukunftsgesetz analog dem Krankenhauszukunftsgesetz in den ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung.
Mehr Steuerung und Orientierung
- Eine Patientensteuerung, die sich nach medizinischen Erfordernissen der Patientinnen und Patienten bemisst.
- Für die Vermittlung von Terminen auf Grundlage von §75 Abs. 1a und 1b SGB V die verbindliche Anwendung eines einheitlichen Ersteinschätzungsverfahren, das für die Bestimmung der Behandlungsdringlichkeit und der angemessenen Versorgungsebene geeignet ist.
- Verbindlichkeit und Mitverantwortung der Versicherten.
- Eine Vorhaltefinanzierung sowie eine vollständige Finanzierung der Leistungen, um einen diskriminierungsfreien Zugang für alle gesetzlich Versicherten zu gewährleisten
Leistung im Gesundheitswesen muss sich lohnen
- Eine nachhaltige Ausrichtung der ambulanten medizinischen Versorgung nach dem Leistungsgrundsatz: „Wer mehr leistet, muss auch besser bezahlt werden.“ Versorgungsfeindliche Elemente im ambulanten Vergütungssystem sind zum Wohle der Versorgung zu beseitigen. Jede ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und notwendige medizinische Leistung muss vollständig vergütet werden. Budgetgrenzen sind für alle ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten innerhalb der ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung abzuschaffen.
- Den Werterhalt der ärztlichen und psychotherapeutischen Leistung durch die Berücksichtigung und den vollumfänglichen Ausgleich von Kostensteigerungen und der Wirkung von Inflation
Die KBV zum Wahlausgang
Zum Ergebnis der Bundestagswahl erklären die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner: „Die Wählerinnen und Wähler haben entschieden. Das Wahlergebnis spiegelt sicherlich auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Gesundheitspolitik der letzten drei Jahre wider. Vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen, vor denen unser Land steht, ist zu hoffen, dass es möglichst schnell zu einer handlungsfähigen Regierung kommen wird.
Viele Probleme harren einer Lösung, nicht zuletzt im Gesundheitswesen. Patientensteuerung, Notfallreform, Entbürokratisierung, Digitalisierung und nicht zuletzt eine angemessene Finanzierung lauten die leider wohlbekannten und alles andere als neuen Schlagworte. Die vergangenen Jahre waren insgesamt gesundheitspolitisch verlorene Jahre. Politik muss handeln! Jetzt! Wir wollen und können unseren Teil zu sachgerechten Lösungen beitragen und haben ein Portfolio an Vorschlägen. Jederzeit stehen wir für Gespräche bereit.“
Hier die Pressemeldung der KBV: