Ca. 200 Meter hoch ragen die drei Windräder vom Typ Vensys 120-3.0 in den Himmel. 2017 in Betrieb genommen ist der Windpark Hilpensberg bei Pfullendorf der größte und leistungsstärkste in der Region Bodensee-Oberschwaben. Hier werden ca. 9 Megawatt saubere Energie erzeugt, das reicht aus um ca. 6.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.
Saubere Energie aus der Region für rund 6.000 Haushalte
Doch auch diese saubere Form Energieerzeugung wird kontrovers diskutiert. In der Tagespresse ist in regelmäßigen Abständen von Widerstand durch Bürgerinitiativen zu lesen, die den Abbau der Windkraftanlage fordern. Hauptargumente sind die Gefährdung der Vögel, insbesondere der Rotmilane, sowie das Gesundheitsrisiko der Anwohner durch die Abstrahlung von Infraschallwellen.
Der Betreiber des Windparks, „VenSol Neue Energien GmbH“ aus Babenhausen bei Memmingen, ist spezialisiert auf die Projektentwicklung von Windparks und großen Photovoltaikanlagen. Wir haben uns mit Geschäftsführer Sebastian Ganser über die Risiken und Nebenwirkungen unterhalten.
Redaktion NL:
Herr Ganser, ein Windpark muss vor dem Bau ein aufwendiges Genehmigungsverfahren durchlaufen, wie läuft so ein Genehmigungsverfahren ab, vor allem in Bezug auf Naturschutzkriterien?
Sebastian Ganser:
Beim Ausbau der Windenergie müssen die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt berücksichtigt werden. Unabhängige Gutachter führen umfangreiche, mehrjährige artenschutzfachliche Untersuchungen im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens durch. In Zuge dessen sollen Risiken, im Besonderen für die Tierwelt, erkannt und minimiert werden. Die Immissionsschutzbehörde prüft die Umweltberichte, spezielle Artenschutzprüfung, Umweltverträglichkeitsprüfung usw. auf Herz und Nieren. Die naturschutzrechtliche Genehmigung von Windparks ist immer an Auflagen geknüpft, die der Betreiber einhalten muss. Außerdem ist jeder Eingriff in die Natur auszugleichen. Die Kompensationsmaßnahmen reichen von der Anpflanzung einer Streuobstwiese über Aufforstungsmaßnahmen bis hin zur Ansiedlung von Hummelvölkern. Im Windpark Hilpensberg blicken wir zudem auf ein dreijähriges Rotmilanmonitoring nach der Inbetriebnahme zurück, um auch während dem Betrieb der Anlagen gefährliche Zusammenstöße zu vermeiden.
Redaktion NL:
Die perfekte Energiequelle ohne Nachteile gibt es nicht. Auch Atommüll und Kohlekraftwerke schädigen die Umwelt hochgradig. In welchem Verhältnis stehen die Vor- und Nachteile eines Windparks im Vergleich zu anderen Energiequellen?
Sebastian Ganser:
Windenergie ist die sauberste Quelle von Strom und die tragende Säule der Energieversorgung der Zukunft. Die weitreichenden Schäden und Risiken, die von Atom- und Kohlekraftwerken über die menschliche Existenz hinausgehen, treten bei der Windenergie nicht auf. Die sozialen Kosten der Atom- und Kohlelobby wurden seit jeher externalisiert. Die Gesellschaft kommt für die Schäden an Natur und Mensch auf. Bei der Windenergie sind die Kosten eher gering und bereits eingepreist. Die Windenergie ist die flächeneffizienteste Form der Stromerzeugung.
Redaktion NL:
Thema Rotmilane, wie hat sich der Bestand in Hilpensberg verändert, würde eine zeitweise/saisonale Abschaltung der Anlage etwas bringen?
Sebastian Ganser:
Objektive Beobachtungen bestätigen, dass der Bestand im Umkreis der Windenergieanlagen trotz deren Betrieb zunimmt. Erkennbar ist dies auch am Vergleich der Gutachten zum Windpark Hilpensberg aus 2014/2015 und dem Gutachten der ABOWind. Der Rotmilan steht wie kein anderes Tier für den innerökologischen Konflikt der Energiewende. Deswegen wird er von den Gegnern instrumentalisiert. Wir sind der Meinung, dass der Rotmilan aufgrund seiner ausschließenden Wirkung als maskiertes Argument und Vorwand für die Ablehnung der Windenergie aus anderen Gründen verwendet wird.
Redaktion NL:
Thema Infraschallwellen: Da haben wir ein weiteres heißdiskutiertes Thema, vor allem bei den Windkraftgegnern. Es wird viel spekuliert über eine nicht-sichtbare Sache, aber gibt es diesbezüglich auch wissenschaftliche Erhebungen?
Sebastian Ganser:
Der Infraschall ist wesentlicher Bestandteil unseres Alltags. Heizungen, Klimaanlagen, Autos – sogar das Rauschen der Blätter im Wald verursacht Infraschall. Auch von Windenergieanlagen gehen neben dem Hörschall tieffrequente Geräusche aus. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sind schädliche Wirkungen auf den Menschen nicht zu erwarten. Ab einer bestimmten Entfernung zu Windenergieanlagen ist der von ihnen erzeugte Infraschall nicht von dem aus der Umgebung stammenden zu unterscheiden. Nicht zuletzt eine Langzeitstudie in Finnland zeigt, dass Windenergieanlagen keine gesundheitliche Belastung darstellen. Dennoch gibt es Menschen, die negative Symptome mit Windrädern in ihrer näheren Umgebung in Verbindung bringen. Meistens ist aber bereits die Angst vor einer gesundheitsschädlichen Wirkung der optischen und akustischen Signale die Ursache. Hier wird vom sogenannten Nocebo-Effekt gesprochen.
Redaktion NL:
Wie viel saubere Energie werden durch die drei Windräder bei Hilpensberg erzeugt? Wie viel CO²-Emmissionen werden hierbei im Vergleich zur Stromerzeugung durch Braunkohle eingespart?
Sebastian Ganser:
Im Jahr 2019 konnten 21 Mio. kWh durch die drei Windräder produziert werden. 14.000 t Kohlenstoffdioxid werden dadurch eingespart. Zum Vergleich: Allein in Nordrhein-Westfalen stoßen die Kohlekraftwerke jährlich über 280 Mio. t CO2 aus. Diese Menge an klimaschädlichen Treibhausgasen gilt es noch vor 2038 so weit es nur möglich ist zu reduzieren. Dafür muss die Windenergie wieder konsequent ausgebaut werden.
Redaktion NL:
Lassen Sie uns in die Zukunft blicken, der Energieverbrauch weltweit steigt immer weiter an. Wie sehen Sie die Energieerzeugung in 50 Jahren, wie wird wohl der Anteil an erneuerbaren, bzw. an Windkraft sein?
Sebastian Ganser:
Um den Klimakollaps noch verhindern zu können, muss die uns zur Verfügung stehende Energie aus Sonne und Wind bestmöglich genutzt werden. Die Sektoren Wärme, Strom und Mobilität müssen elektrifiziert werden. Die dafür nötige Energie darf dazu nicht mehr aus fossilen Energieträgern stammen, sondern muss aus den Erneuerbaren gewonnen werden. Sonne und Wind stellen die benötigte Menge kostenlos zur Verfügung. Eine 100-prozentige Versorgung ist aber nur in Kombination mit effizienten Speichern realistisch. Der Wandel dazu muss möglichst schnell und politisch forciert stattfinden, um die drohende Klimakatastrophe noch abzuwenden.
Ganz in der Nähe, in Pfullendorf-Denkingen, wurde von der Betreiberfirma Abo-Wind aus München der Bau eines weiteren Windparks mit vier Windrädern beantragt. Das zuständige Landratsamt Sigmaringen hat im April 2020 den Antrag auf Bau und Betrieb des Windparks abgelehnt – hauptsächlich aufgrund artenschutzrechtlicher Bedenken in Bezug auf den Rotmilan. Die Firma Abo-Wind ist weiterhin von der Genehmigungsfähigkeit des Projekts überzeugt und hat daher gegen die Ablehnung des Windparks Klage bei dem zuständigen VG Sigmaringen eingereicht.