Der Krieg im Nahen Osten und der wachsenden Antisemitismus in Deutschland stand im Mittelpunkt der Feiern zum Volkstrauertag in Tuttlingen.
„Was am 7. Oktober geschah, war der größte Massenmord an jüdischen Menschen seit der Shoa“, so OB Michael Beck. Neben Entsetzen löse dieses Ereignis bei ihm vor allem Ratlosigkeit aus, denn die jetzigen Konflikte sähten neuen Hass, gleichzeitig zerfalle die Welt in zwei Blöcke: In jene, die schockiert über die Massaker seien – und jene, die sie als Nebenprodukt eines legitimen Freiheitskampfes sähen. „Dieser Konflikt zieht sich auch durch unsere Stadt“, so Beck.
Zur Entsetzen und Sorge komme aber auch Enttäuschung: Viele, die sonst gegen jedes Unrecht der Welt kämpften, die Solidaritätskonzerte und Appelle organisierten, seien still geblieben – „ohrenbetäubend still“. Und sie seien auch still geblieben, als in Deutschland Wohnungen jüdischer Menschen beschmiert wurden oder Juden in Deutschland wieder beschimpft bedroht und bespuckt wurden.
„80 Jahre nach dem Holocaust“, so Beck weiter, „drohen die Worte „Nie wieder“ zur hohlen Phrase zu werden. Und sie würden zur Farce, wenn auf Demos in Deutschland ungehindert die Auslöschung Israels und die Errichtung eines Kalifats in Deutschland gefordert werde.
Gerade am Volkstrauertag, der von Beginn an unter dem Motto „Nie wieder“ stand, müsse man Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Man müsse gegen einen Antisemitismus kämpfen, der jüdische Menschen in Sippenhaft nehme. Denn sowohl das Existenzrecht Israels als auch die Unversehrtheit von jüdischen Menschen auf aller Welt dürfe nicht mit der Politik der derzeitigen Regierung Israels verknüpft werden – auch wenn diese seit Jahren zur Eskalation beigetragen habe.
Bezüge zur Lage in Nahost und zum Antisemismus in Deutschland stellte auch CDU-Stadtrat Joachim Klüppel her: Hier reichten Appelle der Politik nicht aus – jeder einzelne müsse dagegen halten. Klüppel betonte außerdem den Wert einer freiheitlichen Gesellschaft: Friede bedeute mehr als die Abwesenheit von Krieg. „Nach diesen Kriterien würde auch in Russland oder im Iran Friede herrschen – dies ist aber nicht der Fall.“ Ohne Freiheit – vor allem die Meinungsfreiheit – sei Friede nicht möglich.
Klüppel erinnerte am Beispiel seiner Familiengeschichte, wie sich Krieg und Diktatur auf Menschen auswirkten. Umso größer sei nach 1045 die Hoffnung gewesen, dass sich so etwas nie wiederhole. „Und lange dachten wir, Krieg ist Geschichte. In der Ukraine oder in Isreal ist er aber Realität.“ Aus diesem Grund sei der Volkstrauertag auch kein Relikt aus der Vergangenheit sondern leider so aktuell wie selten.
Schülerinnen des Projekts „courAGe“ des IKG befassten sich in ihrem Beitrag mit dem Umgang mit Trauer. Gemeinsam mit Martin Brenndörfer von der Kreisgruppe der Siebenbürger Sachsen entzündete OB Michael Beck die Flamme am Vertriebenendenkmal. Und neben dem SBO, das für den musikalischen Part sorgte, umrahmten auch die Feuerwehr sowie die Fahnenabordnungen mehrerer Vereine die Gedenkfeier auf dem Alten Friedhof.
(Pressemitteilung: Stadt Tuttlingen)