Beratungsstelle im Landkreis Sigmaringen hilft Betroffenen von häuslicher Gewalt

Bettina Häberle leitet von Beginn an die Beratungsstelle häusliche Gewalt des Landkreises und der Caritas. „Die Fallzahlen zeigen, wie wichtig es ist, eine feste Anlaufstelle zu haben“, sagt sie.
Bettina Häberle leitet von Beginn an die Beratungsstelle häusliche Gewalt des Landkreises und der Caritas. „Die Fallzahlen zeigen, wie wichtig es ist, eine feste Anlaufstelle zu haben“, sagt sie. (Bild: Landratsamt Sigmaringen)

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Seit ziemlich genau elf Jahren gibt es im Landkreis Sigmaringen eine Beratungsstelle für Betroffene von häuslicher Gewalt: Im März 2012 öffnete sie zum ersten Mal ihre Türen, inzwischen handelt es sich um ein nicht mehr wegzudenkendes Angebot.

Allein die Fallzahlen belegen das. Im vergangenen Jahr suchten rund 100 Betroffene die Beratungsstelle auf. In den ersten beiden Jahren waren es durchschnittlich noch 70 gewesen. Mittlerweile haben etwa 1.000 Frauen und Männer die Hilfe in Anspruch genommen.

Finanziert wird das Angebot vom Landkreis, in die Praxis umgesetzt vom Caritasverband Sigmaringen. Leiterin der Beratungsstelle ist von Beginn an Bettina Häberle. „Die Fallzahlen zeigen, wie wichtig es ist, eine feste Anlaufstelle zu haben“, sagt sie. In ihren Gesprächen mit Betroffenen informiert sie über Gewalt in der Partnerschaft und darüber, welche Dynamik dahintersteckt. „Es kann zum Beispiel mit kleinen Beleidigungen anfangen und sich dann bis zur körperlichen Gewalt steigern.“ In solchen und in anderen Fällen werde gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht, wie sich Opfer zukünftig besser vor Gewalt schützen können.

Häberle ermutigt Betroffene dazu, sich frühzeitig an die Beratungsstelle zu wenden – also nicht unbedingt erst, wenn Gewalt eskaliert. „Sondern auch, wenn man das Gefühl hat, dass in der Beziehung etwas nicht stimmt. Wenn man sich unter Druck gesetzt fühlt oder Angst hat“, sagt sie. Auch bei Beleidigungen könnten sich Betroffene um Hilfe bemühen.

Das Angebot von Landkreis und Caritas soll den Ratsuchenden dabei helfen, einen eigenen Weg aus einer Gewaltbeziehung zu finden. In der Beratung gehe es darum, Betroffenen einen geschützten Rahmen zu bieten, sagt Bettina Häberle. „Viele trauen sich oft für lange Zeit nicht, über die schweren Erfahrungen zu sprechen oder sie schämen sich dafür, dass ihnen Gewalt widerfahren ist.“ Manche Betroffene fühlten sich sogar für stattfindende Gewalt verantwortlich. Dabei sollten die Opfer nicht die Schuld bei sich suchen. „Es ist wichtig zu verstehen, dass die Verantwortung bei den Täterinnen und Tätern liegt.“

Um auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam zu machen und über die Arbeit der Beratungsstelle zu informieren, hatte es seit ihrem Start jedes Jahr eine Öffentlichkeitskampagne gegeben. Um das Angebot bekannt zu machen, verwendeten zum Beispiel verschiedene Bäckereien spezielle Tüten mit der Aufschrift „Gewalt gegen Frauen kommt nicht in die Tüte“.

Im Jahr 2016 wurden unterschiedliche Schuhe auf dem Leopoldplatz ausgestellt – als Zeichen dafür, dass von Gewalt jede und jeder betroffen sein kann und dass sie viele unterschiedliche Gesichter haben kann. „Körperliche Gewalt ist oftmals der Höhepunkt einer schon lang stattfindenden Unterdrückung“, sagt Bettina Häberle. „Andere Formen wie psychische, soziale, ökonomische oder sexualisierte Gewalt kommen ebenso oft vor.“

Unter dem Motto „One Billion Rising“ tanzten im Jahr 2017 mehr als 300 Schüler auf dem Leopoldplatz gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Apotheken gaben in den Jahren darauf Taschentuchverpackungen mit der Aufschrift „Gewalt gegen Frauen – Wir haben die Nase voll!“ an ihre Kunden aus. „Solche Aktionen sind wichtig, um zu zeigen, dass häusliche Gewalt auch direkt hier im beschaulichen ländlichen Raum passiert“, sagt Bettina Häberle.

Neben der Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit ist es ihr besonders wichtig, präventiv zu arbeiten: Menschen sollten sich bereits früh mit der Thematik auseinandersetzen, sodass sie es im Idealfall gar nicht so weit kommen lassen, dass ihnen gegenüber Gewalt ausgeübt werden kann. Dafür hat die Beratungsstelle im Jahr 2019 ein Präventionsprojekt entwickelt, das seitdem vor allem an Schulen im Landkreis Sigmaringen läuft. Die Schüler erarbeiten Merkmale einer guten beziehungsweise schlechten Beziehung und üben ihren Standpunkt an alltäglichen „ungesunden“ Beziehungsgeschichten.

Um häusliche Gewalt zu vermeiden, Betroffenen zu helfen und auf das Thema aufmerksam zu machen, arbeitet die Beratungsstelle unter anderem mit der Polizei, dem Jugendamt, dem Frauenhaus, der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ und verschiedenen Fachdiensten des Landratsamts und der Caritas zusammen. Auch über Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen werden Ratsuchende informiert. Die Beratung ist parteilich, kostenfrei und auf Wunsch anonym.

Erreichbar ist die Beratungsstelle bei häusliche Gewalt unter der Telefonnummer 07571/73010 und per E-Mail an [email protected].

(Pressemitteilung: Landkreis Sigmaringen)