Städte schlagen Alarm KVBW plant Schließung zahlreicher Notfallpraxen

KVBW plant Schließung zahlreicher Notfallpraxen
Die Schließung der Notfallpraxen basiert auf einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. Oktober 2023 (B 12 R 9/21 R), die das Beschäftigungsverhältnis sogenannter "Poolärzte" betraf. (Bild: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod)

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Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hat am 21. Oktober 2024 überraschend angekündigt, ein Drittel der Notfallpraxen an insgesamt 18 Standorten zu schließen.

Diese Maßnahme hat in der Bevölkerung und den betroffenen Regionen erheblichen Widerstand ausgelöst. Nun haben sich 13 Städte zusammengeschlossen und Klage beim Sozialgericht Stuttgart eingereicht, um gegen die umstrittene Entscheidung vorzugehen.

Hintergrund der Schließungen

Die Schließung der Notfallpraxen basiert auf einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. Oktober 2023 (B 12 R 9/21 R), die das Beschäftigungsverhältnis sogenannter „Poolärzte“ betraf. Diese Ärzte hatten in der Vergangenheit große Teile des Notdienstes übernommen, der eigentlich von Vertragsärzten geleistet werden müsste. Die KVBW reagierte darauf mit der vorläufigen Schließung von acht Notfallpraxen und kündigte eine Reform des Notdienstkonzepts an.

Protest und politische Reaktionen

Mit der Ankündigung am 21. Oktober 2024, weitere 18 Notfallpraxen zu schließen – darunter in Müllheim im Markgräflerland, Ettlingen, Nagold, Bad Saulgau, Oberndorf am Neckar, Neuenbürg, Münzingen, Herrenberg, Kirchheim unter Teck, Brackenheim, Backnang, Schwetzingen und Tettnang – formierte sich massiver Protest. Zehntausende Unterschriften wurden gesammelt und Protestkundgebungen abgehalten. Auch Abgeordnete aller Landtagsfraktionen sowie der Minister für den ländlichen Raum, Peter Hauk, äußerten Bedenken gegen die Schließungen.

Am 16. Oktober 2024 richteten die Bürgermeister aller betroffenen Städte ein Schreiben an Sozialminister Manfred Lucha, der die Pläne der KVBW in seiner Aufsichtsfunktion unterstützt.

Kritisiert: Mangelnde Transparenz und fehlende Beteiligung

Die KVBW präsentierte ihr „Zukunftskonzept 2024+“ offiziell am 21. Oktober 2024, wobei die betroffenen Kommunen weniger als zwei Stunden vor der Pressekonferenz informiert wurden. Bei einer Veranstaltung im Neuen Schloss in Stuttgart am 19. Dezember 2024 wurde schließlich verkündet, welche Notfallpraxen wann geschlossen werden.

Ettlingens Oberbürgermeister Johannes Arnold kritisiert: „Durch die Ankündigungen am 21. Oktober und am 19. Dezember des vergangenen Jahres wurden die Städte vor vollendete Tatsachen gestellt.“

Weder gab es eine Abstimmung der Planungen noch eine Bedarfsanalyse in den Gemeinden. Bis heute ist der Informationsfluss zu den genauen Kriterien der Schließungen unzureichend. Genau gegen diese fehlende Einbindung und die intransparente Vorgehensweise richtet sich nun die Klage von 13 betroffenen Städten.

Forderung nach fairer Beteiligung

Die Städte stellen sich nicht grundsätzlich gegen eine Neustrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, sondern fordern eine gerechte und transparente Planung. Eine Beteiligung an den Entscheidungsprozessen und die Prüfung von Alternativlösungen wäre notwendig gewesen.

Müllheims Bürgermeister Martin Löffler betont: „Wir hätten uns eine rechtzeitige und ergebnisoffene Einbindung in die Strukturüberlegungen der KVBW gewünscht.“

Eilantrag gegen erste Schließungen

Bereits am 1. April 2025 sollen die ersten drei Notfallpraxen in Bad Saulgau, Kirchheim unter Teck und Neuenbürg geschlossen werden. Um die kurzfristige Umsetzung zu verhindern, haben die klagenden Städte einen Eilantrag gestellt. Damit soll vermieden werden, dass bereits vor einer gerichtlichen Klärung unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden.

Der Ausgang der Klage bleibt abzuwarten, doch die betroffenen Städte geben sich kämpferisch und fordern eine nachhaltige, transparente und bürgernahe Lösung für den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg.

(Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung der Städte Müllheim im Markgräflerland, Ettlingen, Nagold, Bad Saulgau, Oberndorf am Neckar, Neuenbürg, Münsingen, Herrenberg, Kirchheim unter Teck, Brackenheim, Güglingen, Backnang, Schwetzingen und Tettnang)