Bürgermeisterin protestiert Notfallpraxis im Klinikum Tettnang vor dem Aus

Notfallpraxis im Klinikum Tettnang vor dem Aus
Am Montag gab die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) bekannt, 18 Notfallpraxen im Land zu schließen, darunter auch die Notfallpraxis im Klinikum Tettnang // Symbolbild. (Bild: Bernd Weißbrod/dpa)

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„Ich bin fassungslos“, sagt die Tettnanger Bürgermeisterin, Regine Rist, nachdem gestern offiziell bekannt gegeben wurde, dass die Tettnanger Notfallpraxis geschlossen wird. „Mich bewegt einerseits die Versorgungssicherheit der Bevölkerung und andererseits auch die Art und Weise, wie die KVBW hier vorgeht“, kritisiert Rist.

Am Montag gab die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) bekannt, 18 Notfallpraxen im Land zu schließen, darunter auch die Notfallpraxis im Klinikum Tettnang. 57 allgemeinmedizinische Bereitschaftspraxen und 32 fachärztliche sollen bestehen bleiben. „Damit wird wieder einmal der ländliche Raum geschwächt“, bemängelt die Tettnanger Bürgermeisterin. Die Erreichbarkeit einer Notfallpraxis für alle Bürger liege künftig innerhalb einer Distanz von 30 bis 45 Minuten, argumentiert die KVBW.

„Darin liegt bereits der erste Knackpunkt“, stellt die Tettnanger Bürgermeisterin fest. „Der Berechnung der Erreichbarkeit wurden nur Fahrzeiten mit dem eigenen Auto zugrundegelegt. Was ist mit Menschen, die kein Auto haben, mit Menschen, die nicht oder nicht mehr Auto fahren können? Sind sie künftig Menschen zweiter Klasse?“, fragt sich Rist erzürnt. Die Aussage der stv. Vorstandsvorsitzenden des KVBW, Dr. Doris Reinhardt, bei der Pressekonferenz in Stuttgart, man könne doch auch einmal die Nachbarin um ihr Auto bitten, bezeichnet Rist vor diesem Hintergrund als „nahezu zynisch“.

Die Tettnanger Bürgermeisterin Regine Rist sieht in der Schließung der Notfallpraxis eine Symptombekämpfung.
Die Tettnanger Bürgermeisterin Regine Rist sieht in der Schließung der Notfallpraxis eine Symptombekämpfung. (Bild: Stadt Tettnang/ Felix Kästle)

„Eine gesetzliche Regelung ist überfällig“

Auch das Land, insbesondere Gesundheitsminister Manfred Lucha will die Tettnanger Bürgermeisterin nicht aus der Verantwortung entlassen. „Hier zu sagen, es ist alles rechtens und weiter nichts, ist zu einfach“, missbilligt Rist die Reaktion des Ministers. Für sie zieht auch das Argument nicht, dass der Sicherstellungsauftrag in punkto ärztlicher Bereitschaftsdienst an die KVBW inhaltlich nicht genau bestimmt sei. „Eine von der Politik getragene Regelung, vor allem was die Erreichbarkeit anbelangt, ist längst überfällig, das sehen wir ja jetzt.“

Natürlich verstehe sie das Problem der fehlenden Ärzte und die drohende Rentenwelle niedergelassener Ärzte in den kommenden Jahren. Hier aber in vorauseilendem Gehorsam, ein funktionierendes System zu zerschlagen, mache sie „fassungslos“. „Es ist ja nicht so, dass dieser Umstand nicht bereits seit Jahrzehnten bekannt ist“, argumentiert Rist. „Es werden durch die Schließungen lediglich Symptome behoben, nicht aber die Ursachen, bei denen sicher auch die Ärzte die Leidtragenden sind“, kritisiert die Bürgermeisterin.

Kritik an Ignoranz der KVBW

Völlig erbost ist Regine Rist über die Kommunikation des KVBW, „bzw. der Nicht-Kommunikation“. „Im Vorfeld wurde nicht ein einziges Mal der Kontakt zu den Kommunen gesucht. Wir kennen die Analysen nicht, haben keine Berechnungen über mögliche Auswirkungen auf die Kapazitäten der Rettungsdienste oder Notaufnahmen, wissen nicht, wie die Versorgung weiterhin praktisch garantiert wird. Das Einzige, was wir bekommen haben, sind die Unterlagen der Pressekonferenz.“

So seien die Kriterien der KVBW nicht nachvollziehbar. „Ohne weitere Informationen halte ich die Schließung daher für eine gravierende Schwächung der medizinischen Versorgung unserer Bevölkerung“, betont die Tettnanger Bürgermeisterin.

Die KVBW müsse sich bei dieser Vorgehensweise nicht wundern, wenn Bürgermeister und Bürger auf die Barrikaden gehen. „Das Mindeste, was ich erwartet hätte, ist, dass man uns anhört, uns die Planungen erklärt und Anregungen zulässt. Immerhin geht es hier um Menschen und nicht leblose Produkte“, macht die Tettnanger Bürgermeisterin ihrem Ärger Luft. Stattdessen sei die Entscheidung im „stillen Kämmerlein“ gefällt worden, „die Besorgnis der Bürgermeister und Landräte wurde einfach ignoriert.“

Rist appelliert an Bundes- und Landespolitik

„Auch auf unsere Rückmeldungen wurde in keinster Weise eingegangen. Nun hoffe ich auf die Bundes- und Landespolitik, die dieses Thema nicht einfach ruhen lässt und hinnimmt.“ Es müsse nun an den Ursachen gearbeitet werden, vor allem müssten bestehende, funktionierende Strukturen erhalten werden, „bis echte Lösungen präsentiert werden können“, so Rist abschließend.

(Pressemitteilung: Stadt Tettnang)