Konstanz (le) – Du bist stur wie sein Esel. Diese Redensart ist uns allen geläufig und das Tier, dass dahintersteckt, landet somit in einer Schublade. Basta! In Wirklichkeit sind Esel liebevoll, genügsam und äußerst aufgeweckt. Ihr Problem: Sie haben kaum eine Lobby. Anders im Eselheim „Merlin“ im Hegau. Hier engagiert man sich seit über 40 Jahren für notleidende Esel, die keiner mehr wollte oder die krank und misshandelt wurden. 70 Grauohren leben friedlich zusammen und bekommen nach langer Zeit mal wieder Streicheleinheiten.
Ein Leben für die Esel
Die Leiterin der Langohr-Mannschaft ist Tina Zielinski. Sie hat nicht nur ein großes Herz für Tiere, sie ist sogar eine Art Eselversteherin. Gemeinsam mit sieben Angestellten und einigen Ehrenamtlichen kümmert sie sich liebevoll um die Grautiere. Letztes Jahr bekam der Verein für seine hervorragende Arbeit sogar den Tierschutzpreis des Landes Baden-Württemberg.
Die Eselkennerin ist gelernte Frisörin und kam über Umwege zu den Langohren. Bei ihrem letzten Arbeitgeber gab es zwei Esel, die ihr Leben veränderten. „Die unglaubliche Ruhe, die die Tiere immer nach dem Füttern ausstrahlten und ihre Art, mir Danke und Hallo gleichzeitig sagen zu wollen, hat mich berührt und bis heute nicht losgelassen.“
Glück unter Gleichgesinnten
Aus einem Umkreis von rund 500 Kilometer rettet der Verein „Esel in Not“ die Grautiere, päppelt sie wieder auf oder gibt sie teilweise gegen eine Schutzgebühr in gute Hände weiter. „Was nichts kostet, ist nichts wert,“ so Tina Zielinski. Die Langohren, die nicht vermittelt werden können, erhalten auf dem Hof natürlich ihr Gnadenbrot.
Richtige Fütterung ist das Allerwichtigste
Gemeinsam mit ihrem Team möchte Zielinski den Menschen das Verhalten der Grauohren näherbringen, aufklären und mit Vorurteilen aufräumen. Großes Augenmerk wird auf eine artgerechte Haltung und die richtige Fütterung der Tiere gelegt. Oft ist auch schnelle Akuthilfe gefragt, wenn beispielsweise ein Besitzer stirbt, eine Scheidung ausartet oder das Veterinäramt anruft und nicht weiß, wohin sie mit dem ausgehunderten Esel sollen.
Ein Esel stellt sich jeder Gefahr
„Mit einem Esel kann man Pferde stehlen und störrisch sind sie keinesfalls. Ein Esel macht etwas für einen Menschen, weil er es selbst will und einen Sinn dahinter sieht. Die Grautiere kommen aus dem Wüstenrandgebiet und mussten seit jeher ihre Energie einteilen und dadurch immer viel überlegen. Wittert er eine Bedrohung bleibt er stehen und wägt somit klug und mit Bedacht ab. Wenn nötig, stellt er sich furchtlos jeder Gefahr. Ein Pferd hingegen flieht.“
Esel Merlin weiß alles
Neben dem Einsatz von Tina Zielinski und ihrem Team gibt es unter www.eselinnot.de regelmäßig Geschichten aus Sicht des klugen Esels Merlin. Er ist im Eselheim der Beobachter und hält für künftige Eselhalter viele Tipps parat. Wer mit dem Gedanken spielt, sich einen Esel anzuschaffen, kann gerne auf dem Eselhof in Engen-Welschingen vorbeischauen – mit vorheriger Terminvereinbarung.
Eselpate werden
Tierfreunde, die ein Herz für Langohren haben – egal ob aus Hamburg oder vom Bodensee – können auch eine Patenschaft (ab 15 Euro – gerne auch mehr) für einen Esel übernehmen. „Wer in der Nähe wohnt, kommt bei uns vorbei und schaut sich alle Tiere an. Stimmt die Chemie und man hat sich in einen neugierigen Schelm auf vier Beinen verliebt, kann man eine Patenschaft eingehen.“ Wer möchte, kann dann regelmäßig „seinen“ Esel besuchen und mit Streicheleinheiten und einem kleinen geführten Rundgang verwöhnen.
Esel sind extrem neugierig
„Esel sind äußerst aufgeweckt und sooo neugierig. Wenn sie sich wohlfühlen, haben sie allerhand Blödsinn im Kopf und keine unbeobachtete Handtasche ist vor ihnen sicher. Ruhe ist erst, wenn sie einen Blick ins Innere werfen konnten,“ so Zielinski mit einem Schmunzeln.
Absoluter Blödsinn
Was sind die No-Gos in Bezug auf Esel?„Das jemand beispielsweise zu einem runden Geburtstag aus Jux und Tollerei einen Esel verschenkt, nur weil der Jubilar ländlich wohnt und hinterm Haus ein Minigrundstück besitzt. Das kann nicht gutgehen. Und Gras. Ein Esel darf nur eine kleine Menge an jungem Gras fressen, bekommt er zu viel, wird er über kurz oder lang dauerhaft krank. Das Hauptfuttermittel ist Heu. Äpfel oder Karotten sind nur als Leckerlis für zwischendurch gedacht.“ Wer abgelagertes Heu übrig hat, darf es gerne dem Eselhof spenden oder verkaufen, denn die Langohren haben einen mächtigen Appetit.
Nur in gute Hände abzugeben
Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, wenn man bei Ihnen ein Tier erwerben möchte? „Unsere Esel geben wir nur in fachmännische Hände ab. Wir schauen uns vor Ort die Begebenheiten an, bleiben in Kontakt und kontrollieren in Abständen. Vertraglich wird vereinbart, dass wenn es mit dem Esel nicht klappt, er wieder zu uns zurückkommt.“
Eine schlimme Situation
Hinter manchen Eseln stecken sicherlich auch Schicksale? „Das ist leider öfters der Fall und das Schlimme ist, dass meist Menschen, die in unmittelbarer Nähe wohnen und Schicksale mitbekommen, uns nicht informieren. „Hofliebling Amour kam mit knapp 5 Jahren mehr tot als lebendig hier an. Er war bei seinem Vorbesitzer abgemagert bis auf die Knochen, bevor wir von seinem Schicksal durch Zufall erfahren haben. Sein großer Lebenswille und die unermüdliche Pflege bei uns hat ihm das Leben gerettet. Er wird zwar zeitlebens weiterhin gesundheitliche Probleme haben, aber wir haben es geschafft. An guten Tagen springt er sogar mit den anderen Eseln herum.“
Rückblick: Erna Schmid nahm Mitte der 1980er-Jahre einen kranken Esel bei sich auf. Von da an wurden immer mehr alte, kranke und verletzte Tiere zu ihr gebracht und fanden eine sichere Zuflucht. Mit Gleichgesinnten gründete sie dann den Verein „Esel in Not“.