Ein Kommentar Gibt Riedlingen die Innenstadt als Einzelhandelsstandort auf?

Gibt Riedlingen die Innenstadt als Einzelhandelsstandort auf?
Sollen ein Popup-Store und eine Kulturwerkstatt die Riedlinger Innenstadt retten? (Bild: MK)

Die Lektüre der Tageszeitung macht einen immer wieder sprachlos. Nein, es sind nicht nur die Politiker im Bund und Land, auch vor der eigenen Haustüre werden Entscheidungen gefasst, die schwer verständlich sind.

Um Riedlingen attraktiver zu machen, wurde die „Lebendige Innenstadt“ ins Leben gerufen. Es war das Schlagwort der letzten Jahre. Unter diesem Motto sollten Kraftanstrengungen unternommen werden, um die Innenstadt wieder attraktiver zu machen. Um den „Stock“ herum gibt es zu viele Ladenleerstände und auch eine deutlich zu geringe Publikumsfrequenz. Es scheint, als ob die Entscheidungsträger sich von der „Lebendigen Altstadt“ verabschiedet haben. Kaum anders ist zu verstehen, dass Ladenflächen in bester Lage zu einem Pop-Up-Store und in eine Kulturwerkstatt umgewandelt werden.

Damit werden der Innenstadt Handelsflächen entzogen, die als Filetstücke galten. Es gibt in der Stadt eine Wirtschaftsförderin, doch leider sind ihre Erfolgsmeldungen überschaubar. Auch jeder ihrer Vorgänger konnte dies nicht. Seit langer Zeit hat sich kein Betrieb mit einer größeren Zahl an Arbeitsplätzen in Riedlingen angesiedelt. Die Stadt hat mittlerweile um die 11.000 Einwohner, die Zahl der Arbeitsplätze hat aber ein Niveau, das dem Jahre 1980 entspricht, als die Stadt knapp 8.000 Einwohner hatte. Die Zahl der Einwohner ist also gestiegen, die Arbeitsplätze sogar leicht gesunken. Eine verheerende Entwicklung, denn die Gemeinkosten für Infrastruktur, Schulen, Kindergärten etc. sind stark gestiegen, die Einnahmen aber kaum. Zu einer echten Nullnummer scheint sich zudem das interkommunale Gewerbegebiet zu entwickeln. Gewerbebauten schießen bei den beteiligten Gemeinden in die Höhe, nicht aber in Riedlingen.     

Bei den Handelsflächen in der Innenstadt geht es weiter abwärts. Es gibt aber ein positives Beispiel, auch wenn es schon länger her ist. Als die Drogeriemarkt-Kette „Ihr Platz“ 2004 den Standort Riedlingen in seinem Hause aufgab, machte sich Hermann Dorner umgehend ans Werk. Er prüfte verschiedene Möglichkeiten, um den Ladenleerstand zu beseitigen. An ihn wurden verschieden Geschäftsideen herangetragen. Er prüfte sie selbst und befand sie als nicht erfolgsversprechend. So wartete er nicht länger ab, wurde selbst aktiv. Unterstützt von den Töchtern nahm er Kontakt zu Tchibo auf. Wenige Monate später eröffnete die Tchibo-Filiale am Marktplatz (Hause Dorner). Fazit: Wer sich bewegt, bewegt etwas!

Der teuerste Stuhl einer Wirtschaftsförderin ist ihr eigener im Büro. Jeder Stuhl bei einem Betrieb, oder einer denkbaren Geschäftsansiedlung sind nicht nur billiger, sie vergrößern auch die Erfolgsaussichten. Weil sich aber so gar nichts bewegt, sind nicht wenige Riedlinger der Ansicht, dass die geplante Genussmanufaktur in einem, oder mehreren Ladenleerständen besser aufgehoben wäre. Die Voraussetzung wäre, lediglich über den eigenen Schatten zu springen, statt auf kleine Wunder zu hoffen.

Doch die Stadtverantwortlichen haben sich und möglichen Pächtern eines Leerstandes ein Ei gelegt. Für den Popup-Store, früher Drogerie Müller, haben sie bis 2033 eine Miete von mtl. 4.000 Euro vereinbart. Dieser Mietzins wäre von keinem Geschäftsinhaber zu stemmen. In Summe zahlt die Stadt rund 430.000 Euro bis 2033. Diese Summe hat sicherlich einen negativen Einfluss auf die Preisgestaltung der Leerflächen und setzte ein völlig falsches Signal! Deren Besitzer würden auch gerne von solchen Mondpreisen profitieren. Das Beschlussorgan Gemeinderat muss sich fragen lassen, warum sie solchen Projekten eine Zustimmung erteilt. Nüchtern kalkulierende Privatiers, Investoren und Handels-Betriebe würden solche Summen niemals in die Hände nehmen!    

In das Gebäude nebenan, ehemals Quick-Schuh (vorher Schlecker, Nanz, Gaissmaier), soll nun eine Kulturwerkstatt einziehen. Spannend wird die Frage, welche finanziellen Belastungen auf die Stadt zukommen. Wie hoch ist die Miete mit Nebenkosten? Nimmt man den Popup-Store als Maßstab, wird einem schwindlig. Dazu muss Personal angestellt werden, als Honorarkräfte wird dies wohl nicht funktionieren. Und die Einnahmen? Es erinnert schon sehr an das Hallenbad, wo bis heute in der Bevölkerung unklar ist, in welchem Verhältnis die kalkulierten zu den tatsächlichen Eintrittserlösen stehen.    

Eine Stadt, die finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, leistet sich also Einrichtungen, die selbst in finanzstarken Städten, nur als „nice to have“ eingeordnet werden. Sogar die „steinreiche“ Stadt Biberach stellt mittlerweile Projekte auf den Prüfstand, die nicht zwingend notwendig sind. In Riedlingen passiert das Gegenteil, es werden Projekte beschlossen, weil es Zuschüsse gibt. Diese sind aber aus Steuergeldern bereitgestellt! Kein Wunder, dass Bund und Land unter Finanzproblemen leiden, wenn sie mit Zuschüssen hausieren gehen. Nicht nur Riedlingen leistet sich dann halt etwas, was man sich sonst nicht leisten könnte.  

Unter dem Strich bleibt festzustellen, dass nur ein reges Geschäftsleben dauerhafte Frequenz in die Innenstadt bringt. Aber dieses Ziel haben die Verwaltung, die Wirtschaftsförderin und der Gemeinderat wohl schon länger aus den Augen verloren.

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