Ein Kommentar Bürokratie würgt die Lichterfahrten ab

Bürokratie würgt die Lichterfahrten ab
War 2023 die letzte Lichterfahrt zu den Kinder-, Pflege- und Altenheimen? (Bild: Maximilian Kohler)

Seit Jahren rollen in der Vorweihnachtszeit lichtergeschmückte Traktoren durch die Lande. So auch im Raum Riedlingen. Von Antje Zell (Unlingen-Möhringen) organisiert, machten sich die Traktoren auf um Kindern und Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, einen „Funken Hoffnung“ zu schenken. Doch damit ist vorläufig Schluss. Die zuständigen Stellen (Verkehrsministerium und Regierungspräsidium) haben diesen Aktionen den Stecker gezogen.

Glänzende Augen bei den Beschenkten

Verlierer dieser mehr als fragwürdigen Verwaltungsakte sind die Bewohner der Kinder-, Pflege und Altersheime. Gerade diese Menschen, die zu oft im Schatten der Gesellschaft leben, waren das Ziel der Lichterfahrten. Die bunten Lichter an den Traktoren zogen nicht nur die Bewohner der Heime an, mit jedem Jahr wuchs die Zahl der Menschen, die zu den Haltestationen kamen. Bewegt verfolgten sie, wie die Landwirte die großen und kleinen Heimbewohner mit Geschenken überraschten. Die glänzenden Augen der Beschenkten waren die beste Entlohnung für die Traktorbesatzungen. Auch das Pflegepersonal konnte sich selbst einen Eindruck darüber verschaffen, wie dankbar ihre Schützlinge waren, dass man sich ihrer annahm und mit einem „Funken Hoffnung“ beschenkte. Die bunt beleuchteten Traktoren zogen vor allem Kinder magisch an, die große Augen machten, wenn sie auf einem Schlepper sitzen durften.

Das Ehrenamt wird abgewürgt

Antje Zell hat schon früh aufgegeben. Sie hatte die letzten Jahre die Fahrten zur Reha-Klinik Schwabenland für Mutter-Vater-Kind, zur St. Fidelis Jugendhilfe (Heudorf), zum ZFP-Pflegeheim (Riedlingen), zum Wohnpark St. Barbara (Riedlingen) organisiert. Der Abschluss war dann ein Besuch auf dem Marktplatz Riedlingen und wurde zum Highlight des Christkindlesmarktes.  Schon im August hatte Zell in den Vorjahren mit der Orga begonnen. Geschenke besorgen, Anträge für die Fahrt stellen, Teilnehmer für die Fahrten zu gewinnen. All dies wuppte sie alleine, obwohl dies mehrere Tage in Anspruch nahm. Doch für sie ist der Schlusspunkt erreicht: „Da die Fahrt schon im letzten Jahr fast untersagt wurde, habe ich dieses Jahr gar nicht erst angefragt. Mit den bürokratischen Hindernissen gehen mittlerweile Wochen drauf. Mir tut es leid für die Kinder, Senioren und Pflegebedürftigen. Uns hat es immer Spaß gemacht, aber so wird das nichts mehr.“

Wir baten das Verkehrsministerium des Landes und die Landtags-Abgeordneten der Region um ihre Stellungnahme zu diesem „Behördenstreich“, der nur Verlierer kennt.

Unterschiedliche Reaktionen

Benjamin Hechler (Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) und MdL Andrea Bogner-Unden (Bündnis 90/Die Grünen) erklärten wortgleich: „Das Verkehrsministerium untersagt Lichterfahrten nicht, weil es nicht für die Genehmigung zuständig ist. Allgemein gilt: Nicht möglich ist es, ein Fahrzeug mit anderen Lichtern umzubauen. Diese Fahrzeuge sind nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zugelassen und dürfen regulär im normalen Straßenverkehr bewegt werden, wenn die Lichter angeschaltet sind. Das lassen die bestehenden Regelungen nicht zu. Das ist bundesweit einheitlich geregelt und gilt in allen Bundesländern.

Mit den ausgeschalteten Lichterketten über öffentliche Straßen beispielsweise zu einem Altenheim zu fahren und dort abseits des öffentlichen Straßenverkehrs die Beleuchtung zu nutzen, ist kein Problem. Das ist der einfachste Weg. Wenn auch auf öffentlichen Straßen mit angeschalteter Beleuchtung gefahren werden soll, müsste eine Veranstaltung wie auch ein Faschingsumzug behandelt werden. Dies bringt zusätzliche Anforderungen mit sich, über die im Einzelfall und nach den örtlichen Gegebenheiten entschieden werden muss.

Deutliche Worte fand MdL Thomas Dörflinger (CDU): „Die festlich geschmückten Traktorenfahrten sind ein Symbol für Zusammenhalt, Freude und Gemeinschaft. Das war gerade in der für uns alle schwierigen Zeit der Pandemie besonders wichtig. Dass dies nun aufgrund von Vorschriften beendet werden musste, ist bedauerlich und zeigt, dass wir als Land neue Wege gehen müssen. Natürlich sind Verkehrssicherheit und Regeln wichtig. Aber gleichzeitig müssen wir wieder ein Land des Ermöglichens werden, in dem kreative und gemeinschaftsfördernde Ideen nicht allzu strengen Auflagen scheitern.

Gerade in ländlichen Regionen brauchen wir mehr Flexibilität, um Traditionen und Gemeinschaftsprojekte zu fördern. Wir müssen unsere Regelungen so gestalten, dass gute Ideen nicht pauschal verhindert werden.“

Der unsägliche Bürokratismus – Ein Kommentar

Wer sich bisher über die Klagen der Industrie- und Wirtschaftsverbände wegen der überhandnehmenden Bürokratie gewundert hat, bekommt mit den Lichterfahrten lehrstückhaft aufgezeigt, wie sich unser Land selbst im Wege steht und sich lahmlegt. Die bürokratischen Hindernisse werden nicht nur bei Selbstständigen, Handel, Handwerk, Mittelstand und Industrie zum Bremsklotz, nein sie würgen mittlerweile auch Stück für Stück das ehrenamtliche Engagement der Bürger und Vereine lahm. Wo einst unbeschwert Feste gefeiert wurden, herrscht heutzutage blankes Entsetzen über den auferlegten Aufwand, man könnte es auch als bürokratischen Wahnsinn bezeichnen. Diese Erschwernisse sorgen mittlerweile dafür, dass sich die Organisatoren von Veranstaltungen immer öfters fragen, ob sich der betriebene Aufwand noch lohnt.        

Als Beispiel seien aktuell die Lichterfahrten genannt. Kaum glaubhaft, wie hier Behördenmühlen die deutschlandweiten Lichterfahrten der Landwirte nicht nur gefährden, sondern ihnen sogar den Garaus machen. Dabei waren sie nicht nur während Corona ein Hoffnungszeichen für die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Wer besucht nun in der Vorweihnachtszeit die Kinder-, Alten- und Pflegeheime, wer entzündet den „Funken der Hoffnung“? Die betroffenen Einrichtungen und ihre Bewohner haben sich seit Jahren über die Besuche der Traktoren gefreut, vermutlich sogar noch mehr als über die Geschenke. Diese haben Geschäftsleute und Menschen mit dem Herz am rechten Fleck den Landwirten für ihre Besuche bei den Heimen gespendet. Mit Füßen wird der Aufwand und das Engagement der Landwirte getreten, die einfach nur den oft vergessenen Heimbewohnern eine Freude machen wollten und mit ihrem Besuch deren Herzen erreichten. Viele Tage dauerte die Organisation, die Bauern nahmen sich viel Zeit, um bunte Lichterketten an den Traktoren anzubringen, manche Teilnehmer nahmen bis zu 40 Kilometer weite Anfahrten in Kauf, um sich beim Treffpunkt in die Lichterfahrt einzureihen.

Statt sich auf Paragraphen und Richtlinien zu berufen, wäre es für das Verkehrsministerium und das Regierungspräsidium sinnvoller gewesen, mit den Landwirten einen gangbaren Weg für die Lichterfahrten zu entwickeln. Das geschah nicht und jetzt beginnt das berühmte Schwarzer-Peter-Spiel. Wer das Statement des Verkehrsministeriums und der Landtagsabgeordneten Bogner-Unden liest, bekommt einen Eindruck, wie sich das Ministerium als nicht zuständig erklärt, gleichzeitig aber Wege eröffnet wie die Lichterfahrten doch funktionieren und weitergeführt werden könnten. Aber, es gibt ja noch nachgeordnete Behörden und die sind im Notfall vermutlich auch nicht zuständig. Es stellt sich die Frage, ob es in den Behörden jemanden Verantwortlichen gibt, der sein Herz am rechten Fleck hat? Wer übernimmt endlich Verantwortung, die Behörden, das Ministerium oder die Abgeordneten?

Mitarbeiter des Ministeriums, Regierungspräsidiums und der nachgeordneten Behörden wären eigentlich aufgerufen, in diesem Jahr als Ersatz für die ausgefallenen Lichterfahrten bei den Heimen persönlich aufzukreuzen, um deren Bewohner eine Freude zu machen. Abgesehen davon, dass ihr Besuch ohne Traktoren mit Lichterketten stattfinden würden, das ist ja untersagt, stellt sich die Frage: Machen sie das und bügeln so die geschlagene Scharte wieder aus? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht und genau das ist ein Teil des Problems!

Redaktioneller Hinweis   

Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.