Es sind hektische Tage in Berlin. Erst am Freitag hatten sich Union und SPD mit den Grünen auf das milliardenschwere Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt. Doch nun pressiert es: Morgen soll die Grundgesetzänderung noch vom alten Parlament verabschiedet werden. Trotz der Einigung bleibt es spannend, denn ungewiss ist, ob nicht Abweichler in den drei Fraktionen die notwendige Zweidrittelmehrheit verhindern.
Klappt es im Bundestag, ist am Freitag die Länderkammer gefordert. Auch im Bundesrat ist die Änderung des Grundgesetzes auf eine Zweidrittelmehrheit angewiesen. Hier wird vor allem das Abstimmungsverhalten der „Bayern“ in der Länderkammer mit Spannung erwartet. Ob die Freien Wähler die Entscheidung mitmachen, ist noch nicht ausgemacht. Wird auch diese Hürde genommen, schwebt immer noch das Damoklesschwert des Bundesverfassungsgerichts über dem Vorhaben, denn einige Abgeordnete wollen das Finanzpaket per Eilantrag in Karlsruhe zu Fall bringen. So sind ab morgen vier Tage angesagt, die politischen Sprengstoff beinhalten.
Wir fragten im Vorfeld der Abstimmungen bei den Bundestags-Abgeordneten der Region nach, wie sie die Einigung auf das Finanzpaket bewerten.
Wichtige Investitionen gesichert
Martin Gerster (SPD) ist froh, dass die ersten Hürden für die geplanten Zukunftsinvestitionen erfolgreich genommen wurden: „Die Einigung zum Finanzpaket begrüße ich ausdrücklich. Damit haben SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen eine gute Grundlage geschaffen, mit der wir den Weg frei machen können für wichtige Investitionen. Der SPD und mir ist es wichtig, dass wir unser Land fit machen können für die Zukunft. Dafür haben wir in den vergangenen drei Jahren in der Ampel-Koalition gekämpft, das war eines der Kernthemen unseres Wahlprogramms und das haben wir erfolgreich mit CDU/CSU und jetzt auch mit Bündnis 90/Die Grünen verhandelt. Denn das Finanzpaket bedeutet: wichtige Investitionen in unsere Sicherheit und Verteidigung, mehr Mittel für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, Investitionen in Schienen, Straßen, Stromnetze und schnelleres Internet, mehr Geld für den Klimaschutz und mehr Investitionen in Bildung.“
Zusätzlichkeit als wichtiger Bestandteil
Auch für Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen) steht fest, wie wichtig Investitionen in die Zukunft sind: „Nach intensiven Verhandlungen haben wir Grünen sichergestellt, dass das neue Finanzpaket und das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro gezielt in die Zukunft investiert werden. Es war für uns von Anfang an klar: Zusätzliche Kredite dürfen nicht für Steuergeschenke genutzt werden, sondern müssen in eine moderne Wirtschaft, funktionierende Infrastruktur und den Klimaschutz fließen.“
Reinalter betont, dass sie es als einen großen Erfolg ihrer Partei ansieht, dass die Verankerung der Zusätzlichkeit vereinbart wurde. Damit sei ausgeschlossen, dass diese Mittel anderweitig umgelenkt werden. „Besonders wichtig ist, dass 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds fließen, um den klimaneutralen Umbau der Industrie, die Wärmewende und Innovationen voranzutreiben. Zudem wird das Ziel Klimaneutralität bis 2045 endlich im Grundgesetz festgeschrieben – ein lang überfälliger Schritt,“ so die Abgeordnete weiter.
Auch in der Sicherheitsarchitektur erkennt die Laupheimerin wichtige Fortschritte: „Neben militärischer Verteidigung umfasst das Paket nun auch den Zivil- und Bevölkerungsschutz, Cybersicherheit und direkte Unterstützung für Staaten, die völkerrechtswidrig angegriffen werden. Konkret bedeutet das: Drei Milliarden Euro für die Ukraine.“
Ein weiterer Meilenstein sieht Reinalter in der Einsetzung einer Expertenkommission, die bis Ende 2025 Vorschläge für eine Reform der Schuldenbremse erarbeiten wird: „Zukunftsaufgaben brauchen finanzielle Spielräume. Diese Verhandlungen haben sich gelohnt. Wir übernehmen Verantwortung für ein sicheres und souveränes Europa – und stellen gleichzeitig sicher, dass in Bildung, Wissenschaft und Klimaschutz investiert wird. Deshalb stimmen wir dem Gesetzesentwurf und dem Änderungsantrag zu.“
Verantwortungsvolle Politik erfordert Kompromisse
Der neu ins Parlament gewählten CDU-Abgeordneten Wolfgang Dahler (CDU) stellte auf Nachfrage fest: „Bei der Bundestagswahl haben sich CDU und CSU ohne Frage einen besseren Wahlausgang gewünscht. Das Wahlergebnis stellt uns vor gleich mehrere Herausforderungen und daher mussten wir eine Richtungsentscheidung treffen sowohl, was die Unterstützung der Ukraine als auch den Zustand der Infrastruktur angeht.
Wir senden an unsere Bündnispartner, aber auch an unsere Gegner die klare Botschaft: Wir sind verteidigungsfähig und auch verteidigungsbereit. Deutschland meldet sich zurück und leistet seinen Beitrag zur Verteidigung des Friedens und der Freiheit in Europa und der Welt. Das war uns als Union wichtig, dafür sind wir auch im Wahlkampf eingetreten.“
Dahler sieht das Gesamtpaket als einen Kompromiss mit dem künftigen Koalitionspartner und den Grünen, deren Stimmen zur Umsetzung der notwendigen Verfassungsänderung gebraucht wir. Mit dem „Sondervermögen“ Infrastruktur werde die Grundlagen für umfassende Verbesserungen der Infrastruktur und für die Erreichung der Klimaziele geschaffen. „Die Union wollte dies aus dem laufenden Haushalt stemmen. Das ‚Sondervermögen‘ von 500 Mrd. Euro für Infrastruktur und Klima über 10 Jahre erleichtert das Vorhaben, das Land wieder nach vorn zu bringen.
Es ist jedoch absolut notwendig, dass die Union in den Koalitionsverhandlungen darauf achten wird, dass trotzdem im Kernhaushalt gespart wird, ein Tilgungsplan bei der Errichtung des Sondervermögens im neu gewählten Bundestag mitbeschlossen wird und wir das Geld nur für zusätzliche Vorhaben einsetzen, damit es nicht wie bei der Ampel beim Sondervermögen Bundeswehr zu einem Verschiebebahnhof für Konsumausgaben aus dem Kernhaushalt kommt.“ Der Abgeordnete betont, das das Geld auch nicht automatisch fließt. Um das „Sondervermögen“ mit Krediten zu füllen, müsse der Bundestag vorher jedes Mal zustimmen, der Haushaltsausschuss werde jährlich alle Ausgaben daraus beschließen. Zudem handle es sich, so Dahler, um Kreditermächtigungen. Er stellt klar, dass das Geld nicht auf einmal aufgenommen werde, und zwar nach Bedarf.
Dahler ist die Lage bei den Wählern bewusst: „Ich kann den Unmut der Bevölkerung nachvollziehen. Auch wir als CDU hätten gern mehr Stimmen gehabt, um unser Wahlprogramm nach unseren Vorstellungen umzusetzen. Die Situation in der Welt und insbesondere die Mehrheitsverhältnisse erfordern aber einen Kompromiss. Keine Regierung zu bilden, ist keine Option! Verantwortungsvolle Politik muss die Folgen des eigenen Handelns bedenken. Würden die demokratischen Parteien der Mitte nicht mehr in der Lage sein, im Kompromiss Mehrheiten zu finden und eine Regierung zu bilden, würde das die Ränder stärken und das Land destabilisieren. Es liegt nun an der CDU/CSU in den Koalitionsverhandlungen durchzusetzen, dass wir es ernst meinen mit einem Politikwechsel und einer Priorität für die Verteidigung der Sicherheit und Freiheit in Europa, der Migrationspolitik und der Stärkung der Wirtschaft. Friedrich Merz hat recht, wenn er sagt: ‚Die Welt wartet nicht auf uns‘.“