In unserem Bericht zur Situation der Kinderärzte beklagte Dr. Angela Foldenauer die Gebührenordnung der Privaten Krankenkassen: „Die GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) ist von 1996, d.h. für die Leistung gibt es heute genauso viel Geld, wie 1996, z.B. für eine Beratung 10,72 Euro, für eine Impfung die gleiche Summe.“
Welcher Arbeitnehmer möchte aktuell mit einem vor 29 Jahren vereinbarten Tariflohn heute noch arbeiten? Die GOÄ bedarf offenkundig einer Neuordnung. Wir konfrontierten die drei Bundestagskandidaten, die die größten Chancen haben erneut, oder neu in den Bundestagstag einzuziehen.
Wolfgang Dahler CDU): „Die Ampel hat eine Änderung der GOÄ blockiert“
Die Sicht des CDU-Kandidaten Wolfgang Dahler ist eindeutig: „Frau Dr. Foldenauer liefert einen wertvollen Einblick in den Alltag einer kinderärztlichen Praxis und die finanzielle Situation aus ärztlicher Sicht. Ich finde da viele Argumente wieder, die wir als CDU im aktuellen Wahlprogramm verfolgen.
Klarzustellen ist, dass die im Interview zitierte Gebührenordnung für Ärzte gerade für die privat erbrachten Leistungen gilt, also ausdrücklich nicht für die Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Für deren Anpassung machen die Bundesärztekammer und der Verband der Privaten Krankenkassen einen gemeinsamen Vorschlag, der dann von der Bundesregierung in Kraft zu setzen wäre. Genau dies hatte Ampel-Regierung mit Verweis auf den eigenen Koalitionsvertrag aber abgelehnt. Die CDU hat diese Blockadehaltung mehrfach kritisiert.
Für die Abrechnung von Kassenpatienten gilt der sogenannte Einheitliche Bewertungsmaßstab ärztlicher Leistungen, der in den vergangenen Jahren stetig erhöht wurde. Das Problem ist für die gesetzlich Versicherten und die Ärzte die so genannte Budgetierung, die besagt, dass ärztliche Leistungen nur bis zu einer gewissen Grenze (Budget) erstattet werden. Eine Aufhebung der Budgetierung kann aber nur in einem ganzheitlichen Konzept zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherungen ins Auge gefasst werden. Am Ende muss unser System bezahlbar bleiben, um die Menschen bedarfsgerecht auf hohem Niveau zu versorgen. Darum schlagen wir vor, für mehr Effizienz und Digitalisierung zu sorgen und den Hausarztpraxen eine bessere Steuerungsmöglichkeit für Behandlungswege zu geben. Ich will mich dafür einsetzen, dass wir hier weitervorankommen. Dazu ist mir der Kontakt mit unseren Ärztinnen und Ärzten sehr wichtig.“
Martin Gerster (SPD): „Ärzte stehen mit ihrem Einkommen sehr gut da“
MdB Martin Gerster sieht einerseits bei der GOÄ einen Reformbedarf, verweist aber auch auf das über die Jahre sukzessiv gestiegene Einkommen der Ärzteschaft:„Die SPD-Bundestagsfraktion hat eine klare Haltung zum Stand der Beratungen der Gebührenordnung für Ärzte. Wir teilen die Position, dass die Gebührenordnung dringend überarbeitet werden muss. Der von Bundesärztekammer, dem Verband der Privaten Krankenversicherung und Beihilfeträgern erarbeitete Vorschlag liegt auf dem Tisch und könnte schnell umgesetzt werden. Dies wäre im Sinne aller Beteiligten. Die Gebührenordnung wird als Verordnung der Bundesregierung erarbeitet, der Deutsche Bundestag ist nicht an ihrer Entstehung beteiligt.
Dabei ist aber zu beachten: Die Gebührenordnung für Ärzte regelt die Abrechnung privatärztlicher Leistungen, also Leitungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Vergleich mit Diäten von Mitgliedern des Bundestags oder Landtags ist an dieser Stelle nicht sachdienlich. Das ist reine Polemik, die den Ärztinnen und Ärzten nicht hilft, sondern nur Ressentiments schürt und Öl in das Feuer der Demokratiefeinde gießt. Es wäre falsch anzunehmen, die Ärzteeinkommen seien seit 1996 nicht mehr gestiegen, weil die GOÄ nicht angepasst wurde. Das Gegenteil ist der Fall. Tatsächlich sind die Reinerträge von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten überdurchschnittlich gestiegen.
War der Reinertrag eines Praxisinhabers im Vergleich zum Bruttojahresverdienst eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers im Jahr 2003 noch 3,8mal so groß, waren es 2022 schon 4,6mal mehr. Auch im internationalen Vergleich stehen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Deutschland kaufkraftbereinigt mit ihren Einkommen sehr gut da – und das ist auch gut so. Wir wollen gut ausgebildete und gut entlohnte Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Trotz aller berechtigten Kritik, dass die GOÄ so lange nicht angepasst worden ist, sollte die Diskussion sachlich geführt werden. Die GOÄ ist nicht der entscheidende Faktor, ob sich jemand als Arzt oder Ärztin niederlassen möchte.“
Dr. Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen): „Ein modernes Vergütungssystem ist sollte zügig eingeführt werden“
Dr. Anja Reinalter Bündnis90/Die Grünen): „Auch aus unserer Sicht ist die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) reformbedürftig. Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, dass in dieser Legislaturperiode nichts umgesetzt werde, was das Verhältnis der PKV zur GKV verschiebe. So sei es auch im Koalitionsvertrag beschlossen worden. Allerdings ist es kaum möglich, eine Reform der GOÄ vorzunehmen, die dieses Verhältnis nicht berühren würde.
Wir Grüne haben uns diese Position auch angesichts des erheblichen Reformbedarfs bei der GOÄ nicht zu eigen gemacht. Wir fänden es wünschenswert, wenn abseits reiner Preisanpassungen auch strukturelle Veränderungen wie sie beispielsweise die Vorschläge der wissenschaftlichen Kommission für ein modernes Vergütungssystem aus 2019 enthielten, zügig Gegenstand einer Reform würden. Ebenso begrüßen wir, dass PKV-Verband und Bundesärztekammer einen Mechanismus zur regelhaften Anpassung der Gebührenordnung vorschlagen.
Von Seiten des Parlaments haben wir jetzt auf den letzten Metern der Legislatur gemeinsam mit SPD und FDP noch wichtige Verbesserungen erreicht, die den Beruf von Hausärzten attraktiver machen. Bereits in der kommenden Woche werden wir diese im Bundestag beschließen. Damit stabilisieren wir diesen zentralen Versorgungsbereich. Das ist auch angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels eine gute Nachricht für die Versicherten. Für die Hausärztinnen und Hausärzte schaffen wir mehr Verlässlichkeit in der Vergütung und beseitigen Fehlanreize, die gerade am Ende eines Abrechnungsquartals zu einer schlechteren Versorgung führen konnte.“