Abschied nach 34 Jahren Frank Raumel leitete die Biberacher Stadtbücherei mehr als drei Jahrzehnte lang

Frank Raumel leitete die Biberacher Stadtbücherei mehr als drei Jahrzehnte lang
Frank Raumel hat die Biberacher Stadtbücherei von der kleinen Einrichtung im Obergeschoss der Schranne zum heutigen MIZ – Medien- und Informationszentrum Stadtbücherei Biberach – entwickelt. (Bild: Stadt Biberach)

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Eine Ära, die am 1. Juli 1990 begonnen hat, ist vor wenigen Wochen zu Ende gegangen: 34 Jahre lang war Frank Raumel Leiter der Biberacher Stadtbücherei, Anfang August verabschiedete sich der 66-Jährige aus dieser Funktion. Dass er fast sein ganzes Berufsleben in Biberach verbringen würde, hätte Raumel vor mehr als drei Jahrzehnten selbst nicht gedacht.  

Drei Jahre lang war Frank Raumel stellvertretender Leiter der Kreisergänzungsbücherei in Villingen-Schwenningen gewesen, ehe der gebürtige Trossinger 1990 nach Biberach wechselte. Genauer gesagt in die Untere Schranne am Marktplatz, wo die Stadtbücherei seinerzeit untergebracht war. Fünf Jahre, so berichtet er heute über seine damaligen Gedankenspiele, habe er in Biberach bleiben wollen. Dass es anders kam, lag am Standortwechsel der Bücherei, den er entscheidend mitgestalten durfte.

Die Einrichtung sollte aufgrund der anstehenden Sanierung aus der Unteren Schranne ausziehen, Frank Raumel sollte sich deshalb den Neuen Bau am Viehmarktplatz als möglichen künftigen Standort für die Bücherei anschauen. „Alles, was ich sah, war ein ziemlich desolater Fachwerkbau“, erinnert sich der Bibliothekar. Doch dank des Wiener Architekten Boris Podrecca sei aus dem mehr als 500 Jahre alten Speichergebäude eine moderne Bücherei geworden, die 1996 am Viehmarktplatz eröffnet wurde.

Fortan konnten die Medien auf 1.050 Quadratmeter Publikumsfläche, verteilt über drei Stockwerke, präsentiert werden. „Ich durfte selbst an der Planung mitwirken“, erzählt Raumel, „das Gebäude wurde so eingerichtet, wie ich mir das vorgestellt hatte“. Historische Fachwerkkonstruktion und Ziegelmauerwerk wurden erhalten, Stahl, Glas und Sichtbeton neu verbaut. Was der Bücherei-Leiter außerdem zu schätzen wusste: Podrecca habe Weiterentwicklungen zugelassen. „Wir haben einiges verändert.“ Beispielhaft nennt Raumel die Servicetheke, die in den Anfangszeiten zwölf Meter lang gewesen sei. Seine Pläne, Biberach nach ein paar Jahren wieder zu verlassen, hatte Raumel nach dem Umzug an den Viehmarktplatz schnell verworfen. „Ich habe mich hier immer wohlgefühlt, es ist ein tolles Haus.“

Ein Aspekt, den auch Verena Fürgut, Leiterin des Dezernats Bildung und Kultur, bei der Verabschiedung des langjährigen Büchereileiters betont hatte: „In all den Jahren ist Ihnen Ihre Bücherei immer mehr ans Herz gewachsen.“ Raumel habe die Bücherei von der kleinen Einrichtung im Obergeschoss der Schranne zum heutigen MIZ – Medien- und Informationszentrum Stadtbücherei Biberach – entwickelt. „Bei Ihrer Arbeit war Ihnen eine dauerhafte Weiterentwicklung und ständige Modernisierung ein großes Anliegen.“

70.000 Öffnungsstunden

Frank Raumel schätzt, dass die Bücherei in seiner Amtszeit rund 70.000 Stunden geöffnet war und von 240.000 Nutzern aufgesucht wurde, die wiederum 16 Millionen Medien ausgeliehen haben. Hinzu kommen mehr als 8.000 Veranstaltungen. Dieses „vielschichtige Angebot“ habe die Biberacher Stadtbücherei zu einem „Leuchtturm“ in der Branche gemacht. Beleg dafür ist die mehrmalige Auszeichnung als „Bibliothek des Jahres“ in Städten mit 30.000 bis 50.000 Einwohner. Der nationale Preis „Bibliothek des Jahres 2009“ war mit 30.000 Euro dotiert und ging ebenfalls nach Biberach. Frank Raumel setzte dieses Preisgeld zum Ausbau von Bücherei- und Leseaktivitäten von Kindergärten und Schulen ein. „Damit die Kinder dort unkompliziert und kostenfrei an Bücher kommen.“ Ein Bereich, der für ihn eine Herzensangelegenheit war.

„Ich sehe Bibliotheken nach wie vor als wichtigen Partner von Bildungseinrichtungen.“ Dabei dürfe man nicht immer warten, bis Eltern, Kinder, Lehrer oder Erzieher von sich aus kämen. „Wir müssen dort hin, wo sich die Kinder die meiste Zeit über aufhalten.“ Also in die Kindergärten und Schulen, ergänzt durch Besuche am „Lernort Stadtbücherei“. Durch die Digitalisierung und Automatisierung seien Personalkapazitäten freigeworden. Dadurch habe man Mitarbeiter im bibliothekspädagogischen Bereich qualifiziert, damit sie Schulen und Kindergärten unterstützen sowie Angebote entwickeln können, die sich an den Bildungs- und Entwicklungsplänen orientieren.

Raumel verweist auf die neueste IGLU-Studie, der zufolge ein Viertel der Viertklässler nicht die Mindeststandards bei der Lesekompetenz erfüllt. Bereits vor 20 Jahren habe die Stadtbücherei als Antwort auf die PISA-Studie das „Netzwerk Lesen“ ins Leben gerufen. Inzwischen sei daraus ein Verbund von 59 Bildungspartnern aus dem Raum Biberach geworden. „Sie alle verfolgen ein gemeinsames Ziel: Die Lese-, Medien- und Informationskompetenz unserer Kinder zu fördern und zu stärken.“ Dazu bietet die Stadtbücherei mehr als 60 spezielle Medienangebote und bibliothekspädagogische Bausteine an. An 14 Grundschulen gibt es mittlerweile eine Schulbücherei, auch acht Kindergärten haben eine Bücherei. Kindergarten Nummer neun soll bald folgen. Meilensteine bei dieser Entwicklung waren die Mediothek der städtischen Gymnasien (2008) und die Schulbücherei im Heinz H. Engler-Forum (2014), die beide durch die Biberacher Stadtbücherei betrieben und von deren Personal betreut werden.

„Digitales Lesen ist anders“

In diesem Zusammenhang lässt Raumel nicht unerwähnt, dass er die Digitalisierung mit Blick auf das Lesen im Kindesalter durchaus kritisch sieht. „Digitales Lesen ist anders, es ist flüchtiger und komplexer als Lesen auf Papier.“ Bis zur dritten oder vierten Klasse sollten seiner Ansicht nach deshalb gedruckte Bücher gelesen werden. Die Digitalisierung hat sich in den vergangenen Jahren selbstredend auch auf das Nutzerverhalten und das Angebot ausgewirkt – 75.000 Medien hat die Bücherei mittlerweile in ihrem Bestand. Mehrere Onlineangebote wurden etabliert, eine „Bibliothek der Dinge“ ermöglicht das Ausleihen von Beamer, Actionkamera und mehr. Stand die Bücherei früher mit dem klassischen Buchhandel in Konkurrenz, müsse man sich heute mehr mit den „Global Playern“ im Bereich Film und Musik auseinandersetzen, so Raumel. Auch deshalb betont er: „Die Zukunft liegt in den bibliothekspädagogischen Angeboten.“ Kinder und Jugendliche seien die Hauptnutzer der Bücherei, auch die Anzahl älterer Besucher nehme weiter zu. Unterrepräsentiert seien hingegen die 25- bis 50-Jährigen.

1999 hatte die Stadtbücherei ihre erste Nutzerbefragung gemacht, fragte nach Wünschen und Verbesserungsvorschlägen. Basierend darauf wurden beispielsweise immer wieder neue Sitzplätze zur Verfügung gestellt – Raumel schätzt, dass es mittlerweile viermal so viel sind wie zu Beginn. „Viele Nutzer verbringen den ganzen Tag hier. Wir haben eine sehr angenehme Aufenthaltsqualität geschaffen.“ Genau so funktioniere eine Bibliothek in der heutigen Zeit.

Eine Bibliothek, von deren Leitung sich Raumel nun verabschiedet. Weiterhin verfolgen wird er seinen Ansatz, die Lesekompetenz von Kindern zu fördern und zu stärken. Als freischaffender Bibliothekspädagoge möchte er unter anderem Schulen in der Region unterstützen. „Hier sehe ich noch viel Arbeit, da bleibe ich dran.“

(Pressemitteilung: Stadt Biberach)