In den letzten Jahrzehenten betonten Politiker immer wieder: „Die Rente ist sicher!“ Trotzdem steigen bei der jüngeren Generation die Sorgen. Sie finanzieren einerseits mit ihren Beiträgen zur gesetzlichen Rente die aktuellen Rentenzahlungen (Umlageverfahren), andererseits steigen die Sorgen um ihre eigene Rente bei Erreichen der Altersgrenze.
Die Finanzierung scheint eine Quadratur des Kreises zu sein. Die Menschen werden immer älter, auch wenn Corona eine kleine Delle in diesen Berechnungen hinterlassen hat. Die Dauer des Rentenbezuges ist in der Folge steigend. Wie will die Rentenversicherung die Höhe der Renten auch in der Zukunft stemmen? Wie hoch wird in Zukunft der Beitragssatz für die Rentenversicherung ansteigen?
Wir fragten bei den Bundestagskandidaten der drei aussichtsreichsten Parteien im Wahlkreis Biberach nach.
Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen), Martin Gerster (SPD) und Wolfgang Dahler äußerten sich zu unseren Fragen, wie sie die Zukunft der Rentenversicherung gestalten wollen.
Eine zunehmende Zahl an Rentnern steht einer kleiner werdenden Zahl an Beitragszahlern gegenüber. Welche Auswirkungen hat das auf die Beitragszahler und die Rentner?
Gerster: Eine gute Absicherung im Alter ist ein Kernversprechen unseres Sozialstaats. Wer jahrzehntelang Beiträge gezahlt hat, muss auf dieses Versprechen vertrauen können. Deshalb lehne ich auch Rentenkürzungspläne, wie von CDU und FDP etwa durch Nichthandeln betrieben, klar ab. Bei Rentenfragen geht es um den Respekt vor lebenslanger Arbeit von Menschen, die die wahren Leistungsträger unserer Gesellschaft sind. Deshalb ist mir wichtig, dass das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente stabilisiert werden muss. Ein entscheidender Faktor dafür ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Entgegen früheren Prognosen sind heute mehr Menschen als je zuvor auf dem Arbeitsmarkt tätig, darunter viele Frauen, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und immigrierte Personen. Das entlastet die Rentenbeiträge. Daher kann der Rentenbeitragssatz auch seit einigen Jahren konstant bei 18,6 Prozent liegen – entgegen vieler anderer Prognosen.
Reinalter: Der Anteil der Menschen im Rentenalter steigt an und damit auch der sogenannte Altenquotient, also das Verhältnis der Anzahl der Personen im Rentenalter zu den Jüngeren. Das ist für die gesetzliche Rentenversicherung ohne Frage eine große Herausforderung. Sie bleibt aber finanzierbar. Wir wollen das gesetzliche Rentenniveau stabil halten und gleichzeitig den Beitragssatz so wenig wie möglich steigen lassen.
Dahler: Die demografische Entwicklung stellt das Rentensystem vor große Herausforderungen.
Es ist notwendig, dass sich die Menschen, vor allem in jungen Jahren, noch mehr mit ihrer zukünftigen Altersvorsorge beschäftigen.
Die junge Generation wird künftig enorme Summen für die Rentenzahlungen aufzubringen haben, wenn die Politik nicht heute gegensteuert. Zugleich müssen die Rentnerinnen und Rentner weiter auf unser Rentensystem vertrauen können. Die gesetzliche Rente bleibt neben der Betriebsrente und der Privaten Altersvorsorge die stärkste der drei Säulen der Alterssicherung.
Wichtig ist darüber hinaus auch die eigenverantwortliche Vorsorge. Hier wollen wir mit höheren Freibeträgen bei der Grunderwerb- und Erbschaftsteuer sowie beim Sparen für mehr Eigentum und Vermögensaufbau sorgen. Die CDU will eine Frühstart-Rente einführen, für die der Staat monatlich 10 Euro für alle 6- bis 18- Jährigen als Startkapital für die private Altersvorsorge einzahlt. Mit diesem Grundstock kann später zusätzlich zur gesetzlichen und betrieblichen Rente weiter fürs Alter vorgesorgt werden.
Die Menschen werden immer älter, die Jahre des Rentenbezugs werden immer länger? Wie kann das ausfinanziert werden?
Gerster: Die Demografie stellt uns vor finanzielle Herausforderungen bei der Alterssicherung. Deswegen kämpft die SPD weiter dafür, dass mehr Menschen in Arbeit kommen und bleiben, dass wir in unsere Wirtschaft investieren und damit gute Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Das wirksamste Mittel für eine stabile Rente ist ein starker Arbeitsmarkt. Auch die Einführung und Erhöhung des Mindestlohns führt zur Stärkung der gesetzlichen Rente. Wir müssen weitere Fachkräftepotenziale heben. Im Inland, etwa indem wir die Zahl junger Menschen, die ohne einen Abschluss die Schule verlassen, verringern oder denen, deren Jobs durch die Transformation der Wirtschaft in Zukunft verlorenzugehen drohen, frühzeitig weiterführende Qualifikationen ermöglichen, aber auch im Ausland. Das sind alles Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in die Rentenversicherung. Eine Anhebung der Regelaltersgrenze lehne ich dagegen ab.
Reinalter: Wir Grüne wollen, dass sich jede und jeder darauf verlassen kann, im Alter den Lebensstandard weitgehend halten zu können und nicht in Altersarmut zu rutschen. Daher plädieren wir im Sinne einer nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung für einen Maßnahmenmix, indem die Erwerbsbeteiligung von Frauen ausgeweitet, allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein gesünderes und längeres Arbeiten ermöglicht wird, die Beschäftigungssituation von prekär Beschäftigten verbessert wird und Einwanderinnen und Einwandern einen unkomplizierten und nachhaltigen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. All das stärkt auch die Einnahmebasis der gesetzlichen Rente. Verbesserungen in diesen Bereichen hätten einen spürbar positiven Effekt auf das Rentenniveau und den Rentenbeitragssatz.
Dahler: Nach aktueller Statistik ist die Lebenserwartung zuletzt leicht rückläufig, sodass mit der Annahme, die Menschen würden immer älter, vorsichtig umgegangen werden muss. Folgerichtig gilt dies auch für die Bezugsdauer.
Diejenigen, die bei Erreichen des Rentenalters weiterarbeiten möchten, erhalten ihr Gehalt bis zu einer Höhe von 2.000 Euro monatlich steuerfrei. Rentensteigerungen werden sich weiterhin an der Einkommensentwicklung orientieren, müssen in Zukunft aber möglicherweise moderater ausfallen.
Das Ifo-Institut hat die Wahlprogramme der Parteien zur Rente geprüft und sieht eine Verschiebung der Lasten auf die jüngere Generation. Wie beurteilen Sie diese Aussage?
Gerster: Wir wollen das Rentenniveau dauerhaft bei mindestens 48 Prozent sichern, was auch den heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der jüngeren Generation zugutekommt. Sie starten mit höheren Renten und müssen die Versorgungslücke, die ihnen ohne eine Stabilisierung des Rentenniveaus entstanden wäre, nicht privat, alleine – also ohne Beteiligung des Arbeitgebers – finanzieren. Damit wird die Altersvorsorge für alle Generationen stabilisiert und nicht nur für die aktuellen Rentnerinnen. Aber es stimmt, gute Alterssicherung gibt es nicht zum Nulltarif: Im Gesetzentwurf zum Rentenpaket II wurde z.B. davon ausgegangen, dass der Beitragssatz 2045 bei 22,3 Prozent liegen wird. Der durch das Rentenpaket II verursachte Beitragsanstieg hätte sich dabei mit lediglich einem Prozentpunkt ausgewirkt, wovon jeweils die Hälfte auf Arbeitnehmer bzw. -geber entfallen wäre. Dieser moderate Anstieg hätte das Rentenniveau der zukünftigen Generationen gesichert und verhindert, dass ihre Rente um rund 6 Prozent geringer ausfällt. Von Generationenungerechtigkeit kann also nicht die Rede sein. Dass die Rente zu Lasten der jungen Generation gehe, wurde im Übrigen auch schon vor 30 Jahren behauptet – von Menschen, die heute zufrieden ihren Ruhestand genießen.
Reinalter: Alle Menschen sollen im Alter ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen und sich auf ihre Altersvorsorge verlassen können. Das gilt für aktuelle und künftige Generationen, also auch für diejenigen, die jetzt in die Rentenversicherung einzahlen. Unser zentrales Ziel ist daher die dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent. Auch die heute Jüngeren wollen, dass sich ihre Rentenbeiträge später auszahlen.
Dahler: Das Wohl der jüngeren Generationen müssen wir bei allen unseren Entscheidungen mitbedenken. Die Berechnungen des Ifo-Instituts und anderer Wissenschaftler liefern der Politik notwendige Daten und zeigt die Größe der Aufgabe. Dieser Verantwortung wird die CDU sich entschlossen stellen.
Zum Thema Rente gehört auch das Thema Wirtschaft. Wir wollen Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen verbessern, sodass mit guten und sicheren Arbeitsplätzen die Beitragszahlungen geleistet werden können. Fachkräfteeinwanderung trägt ebenfalls zur Sicherung der Rentenkasse bei und mildert den demografischen Wandel etwas ab. Um Frauen die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, sorgen wir für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf.