„Totaler Blödsinn“ Wetterexperte Roland Roth zur „Giftwolke Beate“

Wetterexperte Roland Roth zur „Giftwolke Beate“
Roland Roth klärt über die angebliche "Giftwolke" auf. (Bild: Fotomontage picture alliance/dpa | Thomas Warnack / privat)

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Die Schlagzeilen über die angebliche „Giftwolke Beate“ sorgen derzeit für viel Aufsehen in den sozialen Medien. Führt das Wetter wirklich zu Krankheiten? Was steckt hinter diesen Behauptungen?

Roland Roth, Leiter und Gründer der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried erklärt die Zusammenhänge der aktuellen Wetterlage und weshalb Begriffe wie „Giftwolke“ unzutreffend sind.

Die aktuelle Wetterlage: Hochdruckgebiet Beate

Die derzeitige Wetterlage in Deutschland wird durch ein Hochdruckgebiet namens Beate bestimmt. Laut Roth handelt es sich dabei um eine häufig wiederkehrende, typische Wetterlage im Winter. Durch die Hochdrucklage sinkt nachts kalte Luft ab, während warme Luft in höheren Schichten bleibt. Diese warme Luft strömt aktuell vom Mittelmeer her ein, während die kalte, schwerere Luft am Boden verweilt.

Da kalte Luft weniger Wasserdampf aufnehmen kann, bildet sich Nebel, in dem sich Abgase aus Verkehr, Industrie und Haushalten anreichern. „Das ist wie eine Glocke, die über uns hängt“, erklärt Roth. Die Abgase können nicht in größere Höhen entweichen, weil der Wind fehlt, der normalerweise für eine Durchmischung sorgt. Erst wenn Wind aufkommt, vermischen sich die kalten und warmen Luftmassen, und die Temperaturen gleichen sich aus.

Auswirkungen der Inversionswetterlage

Die Inversionswetterlage, bei der kalte Luft am Boden und warme Luft in der Höhe liegt, führt in Ballungsräumen zu einer schlechteren Luftqualität als auf dem Land, da dort weniger Schadstoffe emittiert werden. Regionen wie Oberschwaben, die Bodenseeregion und das Allgäu waren besonders von der Nebelbildung betroffen. Im Gegensatz dazu war der Stuttgarter Raum weniger stark belastet.

Roth gibt an, dass solche Wetterlagen im Winter grundsätzlich häufig vorkommen, in diesem Jahr jedoch besonders ausgeprägt sind. Seit Mitte Oktober trat diese Situation bereits fünf- bis sechsmal auf. Aktuell hält sie besonders lange an, doch es zeichnen sich bereits Änderungen ab.

Änderungen im Wettergeschehen

Roth erläutert, dass ein schwacher Tiefausläufer Regen gebracht hat und in den kommenden Tagen für mehr Bewegung in der Wetterlage sorgt. Mit Wind und Tiefdruckgebieten wird die kalte Luft am Boden mit der warmen Luft in der Höhe durchmischt. Damit kehrt das typische Muster zurück, bei dem es auf den Berghöhen kälter ist als in den Niederungen. Diese Änderung bedeutet das Ende der aktuellen Glättegefahr und sorgt auch dafür, dass der Nebel keine größere Rolle mehr spielen wird.

Die Wahrheit über die „Giftwolke Beate“

Die Schlagzeilen über die sogenannte „Giftwolke Beate“ bezeichnet Roth als vollkommen übertrieben und unwissenschaftlich. Begriffe wie „Giftwolke“, „Russenpeitsche“ oder „Blutregen“ würden oft von Personen in die Welt gesetzt, die wenig Ahnung von meteorologischen Gegebenheiten haben. Diese Begriffe sollen Aufmerksamkeit erregen und sind sensationsheischend. „Meteorologisch gesehen ist das totaler Blödsinn“, sagt Roth.

Die Bezeichnung „Giftwolke Beate“ sei nicht nur falsch, sondern auch unverschämt, da es sich lediglich um eine Inversionswetterlage handelt, die regelmäßig im Winter auftritt. Roth kritisiert zudem die Oberflächlichkeit vieler Berichterstattungen, die sich auf reißerische Schlagzeilen konzentrieren, statt fundierte Informationen zu liefern.

Auf der Schwäbischen Alb haben leicht frostige Temperaturen und feuchte Luft für Raureifablagerungen gesorgt. Die feuchten Tröpfchen aus dem Nebel trafen auf unterkühlte Gegenstände und bildeten die Raureifschicht.
Auf der Schwäbischen Alb haben leicht frostige Temperaturen und feuchte Luft für Raureifablagerungen gesorgt. Die feuchten Tröpfchen aus dem Nebel trafen auf unterkühlte Gegenstände und bildeten die Raureifschicht. (Bild: picture alliance / onw-images | Simon Zeiher)

Langfristige Folgen und Gesundheitstipps

Die schlechtere Luftqualität während einer langanhaltenden Inversionslage kann sich vor allem auf Menschen mit Atemwegserkrankungen wie Asthma auswirken. Für gesunde Menschen sei die Belastung hingegen weniger spürbar. Roth erklärt, dass es in Ballungsräumen bei einer Dauer von zehn bis vierzehn Tagen sinnvoll sein könnte, eine Maske zu tragen, um die Auswirkungen zu minimieren.

Neben der körperlichen Gesundheit wirkt sich die Wetterlage auch auf die Psyche aus. Der anhaltende Nebel schlägt vielen Menschen aufs Gemüt, insbesondere Personen mit depressiven Verstimmungen. Roth selbst gibt zu, dass ihn der Dauernebel nervt, besonders wenn er die Bilder von blauen Himmeln in höheren Regionen wie der Schwäbischen Alb oder dem Allgäu sieht. Während diese Regionen 10 Grad und Sonnenschein genießen, liegt das Flachland bei -2 Grad im Dauergrau.

Ausblick: Hoffnung auf mildere Tage

Die gute Nachricht ist, dass die Hochdrucklage bald endet.

Bereits am Samstag wird ein milder Tag mit Temperaturen bis zu 10 Grad und Sonnenschein erwartet, ein echtes Highlight nach den trüben Tagen. Allerdings bleibt Schnee weiterhin aus, was für Skilift- und Loipenbetreiber problematisch ist.

Medienkritik und Aufruf zur Sachlichkeit

Roth, der seit den 1980er Jahren Wetterberichte für verschiedene Medien erstellt, betont die Wichtigkeit sachlicher Berichterstattung. Er kritisiert reißerische Schlagzeilen und die Sensationsgier mancher Medien. Besonders in Fällen wie der „Giftwolke Beate“ sei es entscheidend, die Bevölkerung richtig aufzuklären. Er wünscht sich mehr seriöse Wetterberichte und weniger Oberflächlichkeit in den Medien.

Unseren Jung-Meteorologen Niklas Kaa haben wir ebenfalls zu der Wetterlage befragt.