LGBTQIA+-Community zur Debatte um One-Love-Binde

Im Sultan-Qabus-Sportzentrum trug Manuel Neuer die umstrittene Kapitänsbinde noch.
Im Sultan-Qabus-Sportzentrum trug Manuel Neuer die umstrittene Kapitänsbinde noch. Bild: picture alliance/dpa | Christian Charisius

Das DFB-Team unterlässt das Tragen der One Love Binde, um angedrohten Sanktionen zu entgehen. Was halten schwule, lesbische oder quere Personen von diesem Verhalten? Wir haben bei Gaybodensee und CSD Konstanz nachgefragt.

DFB-Keeper Manuel Neuer wird bei den WM-Spielen in Katar nun doch ohne „One Love“-Kapitänsbinde auflaufen. Die Entscheidung des DFB-Teams sorgt gerade für einen wahren Shitstorm. Denn die Kapitänsbinde in Regenbogenfarben ist mehr als Deko – sie ist ein Statement. Liebe ist Liebe. Egal, ob man nun hetero-, homo-, a- oder sonst wie sexuell ist. Mit dem Tragen der One Love Binde setzten Manuel Neuer, Harry Kane (England) und Virgil van Dijk (Niederlande) ein Zeichen für Vielfalt und Menschenrechte. Doch das wollen die Kataris nicht sehen und die FIFA entschied, das Tragen der Binde unter Strafe zu stellen…

Kritik der Öffentlichkeit an „rückgratloser Nationalelf“ nimmt zu

Beteiligte Nationen entschieden sich, das Risiko einer möglichen Gelben Karte oder anderer sportlicher Sanktionen während der WM in Katar nicht einzugehen und die Binde wegzulassen. Die öffentliche Kritik dazu nimmt immer weiter zu. Lebensmitteleinzelhändler Rewe beendete aufgrund dessen die Partnerschaft mit dem DFB.

Die deutsche Elf entschied sich vor dem Spiel gegen Tokyo dafür, ein anderes Zeichen zu setzen, als (Regenbogen-)Flagge zu bekennen. Das symbolische Schweigen - ein Protestakt gegen die Zensur der FIFA.Bild: picture alliance/dpa | Robert Michael
Die deutsche Elf entschied sich vor dem Spiel gegen Tokyo dafür, ein anderes Zeichen zu setzen, als (Regenbogen-)Flagge zu bekennen. Das symbolische Schweigen – ein Protestakt gegen die Zensur der FIFA.
Bild: picture alliance/dpa | Robert Michael

„Die Fußball-WM, die hätte keine sein dürfen und keine sein sollen“

Wie kommt das Handeln bei den Menschen an, die seit Jahrzehnten um Akzeptanz und Toleranz kämpfen? Wir haben bei Gaybodensee, dem Portal für die Queer-Szene am Bodensee, nachgefragt. Gründer Holger Vetter:

„Für den Weltverband FIFA und das Emirat Katar zählt offenkundig einzig der Kommerz, UEFA und DFB widerstehen nicht, um die Spieler nicht in die Bredouille zu bringen und übersehen, dass sie damit vermutlich ungewollt, jedoch zwangsläufig, Grundwerte verleugnen. Es ist ihnen untersagt, zu Überzeugungen zu stehen, umgekehrt darf Katar seine Überzeugungen oktroyieren. Verbände und Mannschaften mit Rückgrat müssten dem Turnier den Rücken kehren, abreisen und FIFA-Präsident Infantino das inzwischen nur noch bizarre Spektakel in der selbstgewählten Zertrümmerung alleine zu Ende bringen lassen. Die weltverbindende Botschaft einer Fußball-Weltmeisterschaft wird einer Moral geopfert, die Akzeptanz, Toleranz und Selbstbestimmung noch immer mit Füßen tritt. Kein Staat sollte ein Weltturnier austragen, wenn er Veränderungseinflüsse aus anderen Weltregionen zu unterdrücken sucht. Was in Katar „fremd“ erscheint, wird in Katar auch durch die FIFA schlicht aus dem öffentlichen Leben gelöscht. Nur hat man sich „Fremde“ als Gäste ins Land geholt. Selbstredend nur, das wird nun überdeutlich, um eine Kulisse zu bieten, die große Geschäfte verspricht. Die abendländische Welt hat derzeit ihre eigene vorweihnachtliche Kulisse, sie braucht also die Fußball-WM nicht und deshalb liegen DFB-Artikel auch wie Blei in den Regalen. Da wird es einigen Mitmenschen leichter fallen, die Winter-WM kurzerhand zu ignorieren. Die WM in Katar wird nicht einmal als moralisches Debakel in Erinnerung bleiben, sondern nur noch ein Zähler im Gastgeber-Listing der FIFA sein. Die Fußball-WM, die hätte keine sein dürfen und keine sein sollen.

CSD Konstanz: „FIFA auflösen!“

Burkhard, Vorsitzender des CSD Konstanz hat eine klare Meinung zum Verbot der One-Love-Binde:

„Wenn sogar die entschärfte Binde „One Love“ nicht akzeptiert wird, und die FIFA es verbietet, macht sich die FIFA total unglaubwürdig und verrät damit die eigenen Werte. Unsere Empfehlung: Die FIFA in der jetzigen Form auflösen, und stattdessen etwas Neues etablieren.“

Der zweite Vorsitzende, Michael Saur, ergänzt: „Die FIFA hat unmissverständlich offenbart, dass das Einstehen für Menschenrechte weder in ihrem Wertekanon steht noch mit Überzeugung gelebt wird. Dass die deutsche Nationalmannschaft sich mit diesem Opportunismus gemein macht, deutet auf ein strukturelles Fehlen moralischer Werte, Normen und Überzeugungen innerhalb dieser Unterhaltungsindustrie hin. Die deutsche Nationalmannschaft wird ihrem Anspruch, einen demokratischen Rechtsstaat auf dem Spielfeld zu vertreten, damit nicht gerecht.

Fand die FIFA auch doof: Die Allianz-Arena in Regenbogenfarben.Bild: picture alliance/dpa | Sven Hoppe
Fand die FIFA auch doof: Die Allianz-Arena in Regenbogenfarben.
Bild: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

„DFB-Team ohne Eier“

Yves Hirt ist Kassenwart des CSD Konstanz e.V. und sauer: „DIE PARTEI postet: „Keine Angst mehr vor dem Freistoß! DFB Team spielt jetzt ohne Eier“. Der CSD Konstanz an sich ist zwar politisch, aber keiner Partei sonderlich zugetan. Aber besser, als „Die Partei“ es getan hat, kann die derzeitige Situation eigentlich nicht beschrieben werden. Im letzten Jahr noch hatte die UEFA die Regenbogenbeleuchtung des Stadions in München untersagt. Die Antwort waren Regenbogenfahnen und die Regenbogenarmbinde. Nun untersagt die FIFA auch die ONE LOVE Armbinde, die nun wirklich nichts mehr mit dem Regenbogen zu tun hat und der DFB knickt ein. Dann ist die immer wieder beschworene Förderung und Forderung der Diversität in den Stadien nicht die verbrauchte Luft wert, die beim Aussprechen dieses Wortes durch die Funktionäre in die Umwelt abgegeben wird. Auch ein Infantino in verbalen Gefühlswallungen, immer wiederholend, dass alle willkommen sind (die sich unauffällig verhalten), macht die Sache nicht besser. Die richtige Antwort wäre gewesen: Jetzt erst recht! Natürlich ist das alles nicht so einfach, wenn Sponsoren die Show bezahlen. Wer bezahlt, bestimmt welche Musik gespielt wird. Und darum geht es letztendlich: Geld und Macht. Das ist bei der Fußball WM so und bei Olympia. Da kann noch so dick „Sport ist Völkerverständigung“ drüber gepinselt werden, wenn doch an allen Ecken und Kanten raus blitzt “Money makes the world go arround.“